„In zwei Jahren kann noch so viel kommen“
Landrat Klaus Pavel, noch bis 2020 im Amt, über Kliniken, Kreispolitik und die neuen Freunde in Rumänien
- „Im Alltag spielt der Gedanke überhaupt keine Rolle“, sagt Klaus Pavel, jüngst 65 Jahre alt geworden. Der Gedanke daran nämlich, dass seine Amtszeit als Landrat des Ostalbkreises in zwei Jahren definitiv zu Ende sein wird. Für einen solchen Gedanken hätte er im Alltag auch gar keine Zeit. Der Terminkalender ist prall gefüllt, „der Schreibtisch hier ist nicht alles, ich muss auch rausgehen“, sagt Pavel in seinem Büro im vierten Stock des Aalener Landratsamts mit herrlichem Blick auf ein Stück des Albtraufs. Eckard Scheiderer hat den Landrat dort für ein Interview besucht.
Herr Pavel, manchmal rechnen Sie auch in der Öffentlichkeit ja nach, ob Sie bei diesem oder jenem Ereignis, bei Fertigstellung dieses oder jenen Projekts noch im Amt sind oder schon nicht mehr. Wie sehr beschäftigt Sie denn der Gedanke, dass irgendwann im Sommer 2020 Klaus Pavel nicht mehr der Landrat des Ostalbkreises sein wird?
Im Moment werden größere Entscheidungen getroffen, die ich zwar noch auf den Weg bringe, aber nicht mehr bis zur Fertigstellung. Das sind etwa die beiden großen Klinikbaumaßnahmen in Aalen und Mutlangen, das Berufsschulzentrum in Schwäbisch Gmünd oder die Bebauung des Aalener Union-Geländes. Für mich ist das auch ein Zeichen dafür, dass Entwicklungen nicht von einer Person abhängig sind. Und ob’s so richtig oder falsch war, wie man jetzt entscheidet, das wird man erst in ein paar Jahren feststellen, und das tun dann andere. Im Alltag allerdings spielt der Gedanke an das Ende der Amtszeit überhaupt keine Rolle. In zwei Jahren kann noch so viel kommen, von dem man heute noch gar nichts weiß. Nur im Rückblick erschrickt man fast ein bisschen, wenn man die bisher vergangenen 22 Jahre im Amt so betrachtet, wie schnell sie vergangen sind.
Wovon sind Sie denn in den zurückliegenden Jahren überrascht worden?
Vor zehn Jahren zum Beispiel war zumindest mir noch nicht klar, dass das Sterben von Arztpraxen ein solches Ausmaß annimmt, nun auch in kleinen und mittleren Städten, dass wir als Kreis dann helfen müssen, damit ein Arztsitz nicht endgültig verloren geht. Also nicht mehr nur für das flache Land mit seinen kleinen Gemeinden ein ganz wichtiges Thema.
Ein anderes Thema, auch fürs flache Land, ist der ÖPNV, für den der Zuschussbedarf des Kreises stetig steigt und weshalb der Kreistag jetzt eine sogenannte Linienbündelung in Aussicht gestellt hat. Ist es möglich, dass die Linienbündelung die jetzt bekannt gewordene erste Fusion dreier Busunternehmen im Kreis, sagen wir einmal, „begünstigt“hat?
Die Gesellschafter der drei Firmen, die jetzt zum dann größten ÖPNVUnternehmen im Ostalbkreis fusionieren, haben schon seit eineinhalb Jahren daran gedacht, was kommen könnte. Zumal der Ostalbkreis noch einer der ganz wenigen Landkreise ohne Linienbündelung ist. Die Fusion ist deshalb eine kluge Lösung, das künftige Unternehmen wird in zweieinhalb Raumschaften des Kreises gut aufgestellt sein. Und ich gehe davon aus, dass es weitere Konzentrationen bei den Busunternehmen im Kreis geben wird.
Die Linienbündelung ist also die ultima ratio?
Ich werde noch einmal Gespräche mit allen Busunternehmen führen und hoffe dabei darauf, dass es uns gelingt, außerhalb der Linienbündelung zu interessanten Absprachen zu kommen.Tatsache ist, dass wir im ÖPNV einen Zuschussbedarf von inzwischen zwölf Millionen Euro haben, so viel wie für drei komplette Kliniken. Und davon müssen wir weg. Ein bis zwei Millionen weniger, und das auf fünf Jahre fest, diese Größenordnung muss dabei schon rauskommen.
Welche Rolle spielt dabei die Schülerbeförderung?
Es sind nicht nur die sonderpädagogischen Angebote im Kreis und, damit verbunden, die weiteren Wege dorthin, welche die Schülerbeförderung teuer machen. Der Umfang der Schülerbeförderung ist natürlich auch Ausdruck der Bildungsvielfalt im Kreis. Und die ist für mich hoch zu bewerten.
Ein großes Engagement von Ihnen gilt auch dem Bahnverkehr. Wie ist aus Ihrer Sicht die aktuelle Situation?
Beim Thema Bahn haben wir große Fortschritte erzielt. Ab 2019 wird es auf der Remsbahn den 30-MinutenTakt geben, das ist ein Riesenfortschritt. Wir waren erfolgreich beim Thema Elektrifizierung der Brenzbahn und wir werden über die Riesbahn bessere Verbindungen nach München bekommen. Das heißt, das Thema Bahn wird auch für die Ostalb immer wichtiger werden.
Gibt es Punkte, die Sie auch kritisch sehen?
Ich finde es bedauerlich, dass bei der Bevölkerung immer noch der Eindruck von schlechtem Service, von Verspätungen und Zugausfällen vor allem auf der Remsbahn überwiegt. Und ich finde es unverständlich, dass die Deutsche Bahn auf einer der rentabelsten Strecken in ganz Baden-Württemberg ihr eigenes Image dermaßen beschädigt hat. Vom neuen Nahverkehrsanbieter auf der Remsbahn ab 2019 erhoffe ich mir da einiges. Er scheint mit Engagement an die Sache heranzugehen, und dass wir bei Essingen den Betriebsstützpunkt haben werden, ist ein Riesenvorteil. Im Nahverkehr auf der Remsbahn kann es also nur besser werden.
Sind Sie namentlich von der Bahn in Zusammenhang mit Stuttgart 21 nicht langsam enttäuscht, was die einstigen Versprechungen bezüglich der Anbindung der Ostalb an den künftigen Flughafenbahnhof anbelangt?
Ich bin schon ein wenig enttäuscht. Zumal sich die Bahn an manche Zusagen, die sie der Ostalb vor dem Bürgerentscheid über Stuttgart 21 gegeben hatte, hinterher nicht mehr erinnern wollte. Da wurde uns bezüglich der Anbindung der Ostalb an den Flughafen wesentlich mehr versprochen als das, von dem aktuell die Rede ist, vor allem was den Fernverkehr anbelangt. Aber bis Stuttgart 21 einmal fertig ist – dann als Stuttgart 23, 24 oder 25 –, ist noch nicht aller Tage Abend. Wir bleiben am Thema Flughafenanbindung jedenfalls intensiv dran.
Seit eineinhalb Jahren gibt es jetzt die Kommunalanstalt Kliniken Ostalb als Betreiber der drei Kliniken im Ostalbkreis. Was fürchten Sie denn nach der Bildung der Kommunalanstalt für die Krankenhäuser am meisten?
Ich fände es gefährlich, wenn die Vorgaben für die Mindestmengen an Behandlungen so weit hochgeschraubt würden, dass wir sie auch an drei Standorten zusammen nicht mehr erfüllen könnten. Dann nämlich bekämen wir für die davon betroffenen Behandlungen nichts mehr bezahlt, und das Angebot wäre weg. Insofern fürchte ich auch den Trend in der Gesundheitspolitik hin zu weiterer Konzentration in immer noch größeren zentralen Kliniken.
Wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Arbeit der Kommunalanstalt Kliniken Ostalb?
Ich will unbedingt, dass die Kliniken im Ostalbkreis öffentlich-rechtlich bleiben. Würden wir sie verkaufen, wären wir viele Probleme los ...
... aber mindestens ein Krankenhaus auch, oder?
Das wäre vermutlich zu befürchten. Wir sind jedenfalls von Ausmaß und Geschwindigkeit der Krankenhausdefizite in den letzten Jahren überrollt worden. Weshalb es die Kommunalanstalt nun leisten muss, unsere strukturellen Defizite und Probleme aufzuarbeiten. Das allerdings scheint ein schwerer Weg zu sein.
Inwiefern?
Weil jede Klinik über viele Jahre doch ihr Eigenleben entwickelt hat, weil es um 3000 Beschäftigte geht und weil in solch öffentlich-rechtlichen Strukturen Veränderungsprozesse sicher nicht so radikal sein können wie in der freien Wirtschaft. Ja, unsere dezentrale Krankenhausstruktur wird immer ein bis zwei Millionen Euro teurer sein – aber wir haben ein Defizit von zwölf Millionen, und das ist eindeutig zu viel. Das heißt, wir werden noch mehr prüfen müssen, was doppelt und dreifach vorhanden ist, wir werden unsere Schwerpunkte an den drei Standorten noch besser organisieren müssen, und wir werden die Bevölkerung mitnehmen müssen, damit sie dies so akzeptiert. Denn schließlich ist die Mehrheit aller Krankenhausaufenthalte geplant.
Der Ostalbkreis steht kurz vor dem Abschluss seiner zweiten offiziellen Partnerschaft mit dem rumänischen Kreis Satu Mare. Welche Bedeutung messen Sie dieser Partnerschaft zu?
Das für mich überragende Motiv für diese Partnerschaft heißt: Wir müssen etwas für Europa tun. Denn der Umgang mit Europa ist zurzeit oftmals leider ein anderer. Kommunale Partnerschaften können einen Teil zu diesem Europa, wie ich es mir vorstelle, beitragen. Wir haben schon im Vorfeld Aufgabenfelder definiert, um die wir uns zunächst gemeinsam intensiv kümmern wollen: die Abfallwirtschaft, die allgemeine Verwaltung, die berufliche Bildung und die gemeinsame Teilhabe an EU-Projekten. Satu Mare hat einen deutschen Hintergrund, es gibt enge Verflechtungen nach Schwäbisch Gmünd, und vielleicht entstehen ja nach Abschluss einer offiziellen Kreispartnerschaft auch Städte- und Gemeindepartnerschaften, so wie dies zwischen dem Ostalbkreis und der italienischen Provinz Ravenna der Fall war. Die Entfernung nach Satu Mare ist für mich jedenfalls gerade noch so, dass auch ein bürgerschaftlicher Austausch entstehen kann.
Die Entwicklungen in der Wirtschaft sind gegenwärtig gewaltig – Digitalisierung, neue Formen und Techniken von Mobilität, Industrie 4.0, um nur einige Stichworte zu nennen. Wie sehen Sie die Ostalb dafür aufgestellt?
Ich habe mich immer als der erste Wirtschaftsförderer für den Ostalbkreis verstanden, und ich werde alles daran setzen, dass wir auch in Zukunft ein starker Wirtschaftsstandort bleiben. Nicht umsonst haben wir alle gemeinsam die Breitbandversorgung als ein ganz wichtiges kreispolitisches Thema erkannt.
Und wie wird es künftig den einzelnen Unternehmen bei all diesen Entwicklungen ergehen, etwa den vielen Automobilzulieferern im Kreis?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass viele Firmen den Sprung etwa in eine neue Mobilität schaffen werden. Wir haben dafür einige Leuchttürme an Firmen und Konzernen, aber auch etliche „stille Stars“, die auf sehr hohem Niveau bei vielen Entwicklungen schon jetzt mit dabei sind. Der Wirtschaftsraum Ostwürttemberg ist jedenfalls nicht mehr die graue Maus von einst, sondern sprintet ganz vorne mit.