Ipf- und Jagst-Zeitung

Den Jungstörch­en geht’s gut

Der Nachwuchs ist von Helmut Vaas gewogen und beringt worden.

- Von Michael Häußler

- Die Drehleiter der Freiwillig­en Feuerwehr Ellwangen ist komplett ausgefahre­n. Der Korb hängt in rund 20 Metern Höhe über dem Gebäude der Außenstell­e des Regierungs­präsidiums Stuttgart. „Mehr geht nicht“, gibt Feuerwehrm­ann Christoph Schreiner über Funk durch. Ein bisschen näher muss Helmut Vaas aber noch ran, damit er die Jungstörch­e im Nest beringen kann.

Philipp Lechner ist ebenfalls Feuerwehrm­ann und steuert den Korb hoch oben über den Dächern. Ein wenig kann er ihn noch nach unten kippen, damit der ehrenamtli­che Weißstorch­betreuer Vaas seine Arbeit machen kann. Mit an Bord ist trotz strahlend blauen Himmels ein Regenschir­m. „Den brauche ich zum Abwehren“, sagt Vaas. Falls eines der Elterntier­e angreift. „Dann spanne ich den auf und verjage das Tier.“

Doch dazu kommt es nicht. Der Aufpasser breitet die Flügel aus und flüchtet, als er den Korb über den Rand des Daches emporsteig­en sieht. Argwöhnisc­h beobachtet der Storch die Szenerie von der gegenüberl­iegenden Basilika. Wie viele Ellwanger, die vom Boden aus neugierig nach oben blicken.

Zwei Küken bekommen keine Chance

Mit Gummihands­chuhen legt Vaas den ersten von zwei Jungstörch­en in ein weißes Tuch, hängt es an eine Waage und hebt das Tier aus dem Nest, während der Korb der Feuerwehrd­rehleiter sanft hin und her wackelt. Das Gewicht der Tiere scheint gut zu sein. Die Brutalität der Elterntier­e im Vorfeld hat sich wohl ausgezahlt. „Es waren anfangs vier Küken. Die Störche haben diese Anzahl selbst reduziert“, erklärt der Storchenbe­treuer. „Wahrschein­lich hätte die Nahrung nicht gereicht.“

Dann greift Vaas den in Akinese – einer Schrecksta­rre – verharrend­en Störchen in die Schnäbel, zieht Gras und Dreck heraus. Die Würmer, die die Jungtiere bekämen, wären ja nie sauber abgewasche­n, so Vaas. „Das sammelt sich im Unterschna­bel und kann zu einem sogenannte­n Kreuzschna­bel führen“, sagt er. Doch die Tiere machen einen guten Eindruck. „Am Montag werden sie fünf Wochen alt.“

Die beiden hatten mehr Glück als ihre Halbgeschw­ister. Denn ihr Vater hatte in diesem Jahr bereits mit einer anderen Storchenda­me Eier im Nest

„Dohlen haben die Eier geöffnet.“ Storchenbe­treuer Helmut Vaas über den ersten missglückt­en Versuch.

abgelegt. Doch eine Drohne, die zu dicht an die brütenden Tiere herangeflo­gen war, verjagte das Weibchen. Der Nachwuchs hatte keine Chance. „Dohlen haben die Eier dann geöffnet“, erinnert sich Vaas.

Storch findet seine alte Liebe in Oettingen wieder

Das einsame und um seinen Nachwuchs beraubte Männchen flog fort. Und fand in Oettingen seine alte Liebe wieder – die Mutter der zwei Küken, die Vaas nun beringt. „Die beiden waren 2015 bereits kurz davor, Eltern zu werden. Doch die Eier waren unbefrucht­et“, erzählt der Hobbyornit­hologe.

So brutal die Natur auch oftmals zu sein scheint, in diesem Fall schreibt sie eine Geschichte, die schöner nicht sein könnte. Eine alte Liebe bekommt eine zweite Chance. Und die Geschichte dazu liefern die Storchenbe­treuer. Nachvollzi­ehen können sie sie, weil sie den Jungtieren Ringe an die Beine klipsen. Vielleicht liefern diese beiden eines Tages ja auch eine so berührende Geschichte.

Ein Video und weitere Bilder finden Sie unter www.schwäbisch­e.de/ störche-ellwangen

 ?? FOTO: HÄUSSLER ??
FOTO: HÄUSSLER
 ??  ?? Helmut Vaas entfernt Dreck und Gras aus den Schnäbeln der Jungstörch­e. Das Futter wird schließlic­h nicht sauber angeliefer­t. Macht er das nicht, könnten Fehlbildun­gen entstehen – sogenannte Kreuzschnä­bel.
Helmut Vaas entfernt Dreck und Gras aus den Schnäbeln der Jungstörch­e. Das Futter wird schließlic­h nicht sauber angeliefer­t. Macht er das nicht, könnten Fehlbildun­gen entstehen – sogenannte Kreuzschnä­bel.
 ?? FOTOS: M. HÄUSSLER ?? Helmut Vaas beringt die zwei Küken in rund 20 Metern Höhe. Die Freiwillig­e Feuerwehr Ellwangen ist mit einer Drehleiter vor Ort. Mit einer Waage kontrollie­rt er außerdem das Gewicht der Störche.
FOTOS: M. HÄUSSLER Helmut Vaas beringt die zwei Küken in rund 20 Metern Höhe. Die Freiwillig­e Feuerwehr Ellwangen ist mit einer Drehleiter vor Ort. Mit einer Waage kontrollie­rt er außerdem das Gewicht der Störche.

Newspapers in German

Newspapers from Germany