Einmal Filmheld oder Comic-Figur sein
Nähmaschine, Perücke, Kontaktlinsen: Sogenannte Cosplayer erschaffen Kostüme, um möglichst genau so auszusehen wie ihre Leinwandvorbilder
(lsw) - Im Regal stehen „Star-Wars“-Figuren. Auf dem Bügelbrett liegen Armstulpen und ein Gürtel. Ein goldenes Prinzessinnenkleid schmückt eine Schneiderpuppe vor einem Schrank. In der Wohnung von Sina Voss gibt es einige Details, die auf ihr Hobby hinweisen – Cosplay. Dabei stellen Menschen eine Figur – aus Manga, Anime, Comic, Film oder Videospiel – durch Kostüme und Verhalten möglichst originalgetreu dar.
„Das ist die Stoffseite und das ist die Perückenseite – nach Farben sortiert“, sagt Voss. Die kleine, zierliche Frau steht vor ihrem Schrank und zeigt, was sie für ihr Hobby braucht. Das Nähen und Tragen von Kostümen zu Film-, Serien-, Comic- oder Buchcharakteren gehört seit 14 Jahre zu ihrem Leben.
Seit vier Jahren arbeitet Voss bei der Stuttgarter Messe als Projektleiterin. Zufällig habe sie mitbekommen, dass die Veranstalter der „Comic Con Germany“einen Ausrichtungsort suchen. Bereits zum dritten Mal hat die Messe am vergangenen Wochenende stattgefunden. Und zum dritten Mal war die 28-Jährige Bindeglied zwischen Messe und Veranstalter. „Ich weiß, was die Community braucht“, sagt Voss, die selbst Teil dieser Gemeinschaft ist.
Bei der Messe zeigen Comic-Verlage ihre Neuerscheinungen, in der Szene bekannte Zeichner lassen sich bei der Arbeit über die Schulter schauen. Auch etliche Schauspieler treten bei dieser Gelegenheit auf – darunter diesmal Superstar Chuck Norris (78), dessen Autogramm 120 Euro kostet. Eine Fotosession mit dem Karateweltmeister war für 85 Euro zu haben. Bei sogenannten Panels stehen Darsteller ihren Fans Rede und Antwort, erzählen die eine oder andere Anekdote von Dreharbeiten. Ergänzt wurde das Ganze durch eine Lego-Ausstellung auf gut 1000 Quadratmetern.
Aber wie kommt man zu so einem ungewöhnlichen Hobby? Interesse für Fantasy hatte Voss nach eigenen Worten schon immer. „Bei vielen hört das Interesse irgendwann auf. Bei mir ist es eben geblieben.“Mit 14 Jahren kommt sie zum ersten Mal in Kontakt mit Cosplay. Eine Freundin nimmt sie damals mit zu einem Fantreffen.
Seit 1999 gibt es größere Treffen in Deutschland, erzählt Fritjof Eckhardt, Autor des Buches „Was ist Cosplay“und selbst Cosplayer. Auch zuvor habe es Treffen in kleinerem Rahmen, meist von Film- oder Japanclubs, gegeben. Wie Eckhardt beobachtet auch Voss die Entwicklung, dass Cosplayer heutzutage viel mehr Möglichkeiten haben als noch in den 90er Jahren – beispielsweise durch die 3D-Drucker für die Accessoires. Beim Nähen des ersten Kostüms wurde Voss noch von ihrer Oma unterstützt, eine gelernte Schneiderin. Dieses erste Kostüm – „Haku“aus der Serie „Naruto“– hängt heute noch im Schrank. „Es ist ganz in Ordnung“, meint Voss. Heute würde sie die Maske der Figur allerdings nicht mehr aus einer alten Müsliverpackung machen.
Den heutigen Cosplay-Anfängern stehen nicht nur Shops und Erklärvideos zur Verfügung, sie haben auch die Möglichkeit, sich durch soziale Netzwerke ganz einfach zu vernetzen. Obwohl ihr durch die neue Technik viele neue Möglichkeiten zur Verfügung stehen, näht Voss ihre Kostüme noch immer selbst. „Das würde die Perfektionistin in mir nicht zulassen.“Mittlerweile seien bestimmt schon mehr als 100 Kostüme entstanden. „Ich habe aufgehört zu zählen. Wenn man das 14 Jahre lang macht, kommt einiges zusammen.“
Leidenschaft zigtausender Fans
Buchautor Eckhardt schätzt, dass zwischen 50 000 und 60 000 Menschen zur deutschen Cosplaygemeinschaft gehören. Von Ärzten bis zu Schülern sei alles dabei. Auch die Intensität, mit der das Cosplay betrieben werde, unterscheide sich sehr: „Manche machen fünf Kostüme im Jahr und gehen auf zehn Veranstaltungen – andere haben ein Kostüm und machen zwei bis drei Veranstaltungen mit“, erklärt Eckhardt.