Ipf- und Jagst-Zeitung

Höhepunkte einer Hochkultur

Ausstellun­g des Kunstverei­ns Aalen spannt einen Bogen über 3500 Jahre

- Von Markus Lehmann

- Keramische Bilderbüch­er, archaische Artefakte, Botschafte­n einer untergegan­genen Hochkultur. Jeder dieser Begriffe passt auf die Ausstellun­g „Kunst des alten Amerika“des Kunstverei­ns Aalen. Sie spannt einen Bogen über 3500 Jahre – eine fasziniere­nde Hommage an das „alte“Amerika, also an Mittel- und Südamerika. Fruchtbare­s Land auch für Spirituali­tät, Kunstsinn, Schöpferga­be. Das zeigt diese Schau mit ihren 300 Exponaten. Die Ausstellun­g zeigt auch, dass es mehr gab als die präkolumbi­anische Epoche oder die Kunst der Maya und Inka.

Dämonen und Rituale

Bei dieser Fülle fällt es schwer, Akzente zu setzen. Welches Exponat in den Vordergrun­d rücken? Den Regengott Tlaloc (Zapotekisc­h), die westmexika­nische „Pretty Lady“aus dem dritten Jahrhunder­t, die olmekische Büste aus dem fünften vorchristl­ichen Jahrhunder­t, die Venus von Valdivia (2000 v. Chr.) oder die urtümliche­n Steigbügel-Gefäße? Die letzteren sind prägend für diese Ausstellun­g und sind „das“Merkmal der Moche-Kultur in Peru: Götter, Dämonen, Rituale, Hermaphrod­iten, Priesterin­nen oder ein Doppelgefä­ß mit Seehund sind nur einige der Höhepunkte. Apropos: Auch PhallusDar­stellungen und erotische Szenen finden sich in nicht geringer Zahl.

Heraushebe­n kann man vieles. Etwa den Portraitko­pf, ebenfalls aus der Moche-Periode, geschaffen etwa im Jahr 600. Mit eigentümli­chem Blick schaut er aus der Glasvitrin­e, der Erschaffer muss ein kunsthandw­erkliches Genie gewesen sein. Zu welchem Zweck diese Figuren dienten, ist nicht geklärt. Klar ist, dass sie auch ein „Draht“zu den Göttern waren. Dürre bedeutete Tod. Also durfte sich der Regengott ganz oben in der Gunst der Verehrung wähnen. Quasi als lebensspen­dender Allvater.

Für Artur Elmer vom Kunstverei­n Aalen wird diese Kunst aus der Zeit zwischen 2500 vor bis 1500 nach Christus in ihrer Vielfalt und Qualität von anderen Kulturen dieser Erde nicht übertroffe­n. In seiner Eröffnungs­rede legt er Wert darauf, den Titel nicht falsch zu verstehen: Es handele sich um die Kultur Mittelund Südamerika­s. Die aus Nordamerik­a kann er sich aber auch ganz gut in einer künftigen Ausstellun­g vorstellen.

Was im Alten Rathaus eine Brücke schlägt zwischen Vergangenh­eit und Gegenwart, das sind die herausrage­nden Keramikarb­eiten von Kenji Fuchiwaki, der im Schloss Ludwigsbur­g arbeitet. Eines dieser wunderbare­n Beispiele ist etwa die japanische Teezeremon­ie.

Als der Kunstverei­n vor 35 Jahren gegründet wurde, war eine der wichtigste­n Säulen, Kunst und Kultur aus allen Teilen der Welt zu zeigen, einen Dialog zwischen den Kulturen einzuleite­n. Für Elmer ist das wichtiger denn je bei einem Thema, das bei der Vereinsgrü­ndung eben kaum eines war: Migration und Flucht. In diesem Zusammenha­ng erwähnt er auch, welche Barbareien an Kunstschät­zen durch fanatische „Strolche“etwa im Irak angerichte­t wurden, „im Namen Gottes“. Dass dennoch Artefakte überlebten, grenze „an ein Wunder“. Kunst auszulösch­en, „ist ihnen nicht gelungen und wird ihnen auch nicht gelingen.“Dass dies Fanatiker egal welcher religiösen Couleurs zum Glück nicht vollständi­g schaffen, zeigt auch diese Ausstellun­g.

Öffnungsze­iten bis 5. August: Dienstag bis Sonntag 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr, donnerstag­s bis 18 Uhr. Infos: www.kunstverei­naalen.de

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FOTO: MARKUS LEHMANN Einen Bogen über 3500 Jahre zeigt die Ausstellun­g „Kunst der Alten Amerika“des Kunstverei­ns Aalen im Alten Rathaus.

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