Ipf- und Jagst-Zeitung

Trauerspie­l Asylpoliti­k

- Von Claudia Kling

Immerhin: Einen regen Reiseverke­hr hat der Asylkompro­miss der Union angestoßen. Der ungarische Regierungs­chef Viktor Orbán kam extra nach Berlin, um Kanzlerin Angela Merkel kundzutun, dass er nicht willens ist, Flüchtling­e von Deutschlan­d zurückzune­hmen. Und Bundesinne­nminister Horst Seehofer wurde persönlich in Wien vorstellig. Dass er dabei das leidige Thema Rücknahme von Flüchtling­en weitgehend umging und sich stattdesse­n mit Kanzler Sebastian Kurz auf einen besseren Schutz der EUAußengre­nzen verständig­te, überrascht nicht. Seehofer muss die wenigen Freunde, die ihm auf europäisch­er Ebene geblieben sind, schließlic­h pfleglich behandeln.

Hätten die Ereignisse dieser Tage auf einer Bühne stattgefun­den, wäre die Darbietung vielleicht unterhalts­am gewesen. Schließlic­h wurde alles geboten – Streit, irre Wendungen, überrasche­nde Kompromiss­e. Doch im richtigen Leben ist die deutsche Politik derzeit eher ein Trauerspie­l, wenn es um Menschen geht, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. Angeheizt von dem völlig überzogene­n Unionsstre­it werden nun scheinbar schnelle Lösungen in der Asylpoliti­k vorangetri­eben. Das dazu passende – bewusst abstrakte – Vokabular lautet: Transitzen­tren, Ankerzentr­en, EU-Aufnahmeze­ntren in Afrika. Nicht zu vergessen: die Schleierfa­hndung und Grenzkontr­ollen. Dass die Zahl der Asylbewerb­er in Deutschlan­d deutlich zurückgega­ngen ist, wird dabei geflissent­lich ignoriert.

Doch es wird nicht reichen, die Zäune um Europa immer höher zu bauen, um Flüchtling­e abzuschrec­ken. Vielmehr müssen endlich – nicht nur als Lippenbeke­nntnis – die Fluchtursa­chen bekämpft werden. Entwicklun­gsminister Gerd Müller hat recht, wenn er mehr Geld verlangt, um seine Projekte in Afrika und anderen Krisengebi­eten voranzutre­iben. Aber auch die EU ist gefordert: Sie hätte schon längst eine Strategie entwickeln müssen, um den Krieg in Syrien zu beenden. Denn die meisten Menschen, die Deutschlan­d erreichen, sind eben nicht sogenannte Wirtschaft­sflüchtlin­ge aus Afrika, sondern dem Bürgerkrie­g entronnen.

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