Geteiltes Echo auf Seehofers Masterplan
Union lobt „Asylwende“des Innenministers – Zustimmung und Kritik von Kretschmann
- 63 Punkte auf 23 Seiten – mit vier Wochen Verspätung präsentierte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Dienstag seinen viel diskutierten „Masterplan Migration“. Mit Verschärfungen im deutschen Asylrecht, aber auch mit mehr Geld für die Fluchtursachenbekämpfung will Seehofer (CSU) die Zuwanderung nach Deutschland regulieren, „die Asylwende“, wie er sagte, herbeiführen. Der Masterplan hätte, vor dem Koalitionskompromiss, fast zum Scheitern der Regierung geführt – und stieß nun auf ein geteiltes Echo.
Opposition und Hilfsorganisationen kritisierten den Masterplan. Aus der Union kam hingegen volle Zustimmung. „Mit dem Masterplan hat der Innenminister ein umfassendes Konzept auf den Tisch gelegt, das von unserer Fraktion in allen Teilen unterstützt wird und das wir zur Blaupause für die Asylgesetzgebung machen wollen“, sagte Unions-Fraktionsvize Stephan Harbarth. Jetzt seien SPD und auch Grüne aufgefordert, Farbe zu bekennen. Koalitionspartner SPD reagierte gelassen. „Unser gemeinsamer Masterplan ist und bleibt der Koalitionsvertrag – da hat Herr Seehofer genug abzuarbeiten“, sagte SPD-Vize Ralf Stegner.
Die Opposition blieb skeptisch. „Er hat selbst zugegeben, dass das kein Plan der Regierung ist, sondern immer noch nur ein Plan des Innenministeriums. Das zeigt: Dieser Mann ist ungeeignet, verantwortungsvoll zu handeln“, erklärte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, sieht „keine Asylwende, sondern einen Totalbankrott des Asylrechts mit Kasernierung in Ankerlagern und Transitzentren“. Die FDP forderte konkrete Lösungsvorschläge. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland kritisierte, ohne konsequente Zurückweisungen an der Grenze betreibe Innenminister Seehofer allenfalls „Symbolpolitik“.
Mit großen Teilen des Masterplans könne er mitgehen, sagte jedoch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. „Viele Details werfen indes Fragen auf“, sagte er und nannte die „Fiktion der Nichteinreise“als Beispiel. Solch ein Niemandsland gebe es nur bei der Einreise an Flughäfen, „aber wenn sie jetzt aus Österreich einreisen, wo sind sie dann? Das sind rechtlich höchst ungeklärte Fragen.“
Er habe sich intensiv mit den Juristen im Staatsministerium beraten, auch die hätten etliche Fragen nicht klären können. „Wenn man etwas vorgelegt bekommt, das mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt, dann zeugt das nicht von Qualität“, so Kretschmanns Fazit. Kritik übte Kretschmann zudem an den fehlenden Ideen für Integration. „Wenn es ein Masterplan ist, dann gehört auch die Integration mit rein“, sagte er. „Wir sehen Schlagseiten, die politisch nicht tragbar sind.“
Integrationsminister Manfred Lucha (Grüne) argumentierte ähnlich. So sei etwa nirgends ein Wort über die Drei-plus-zwei-Regel zu finden, die besagt, dass Flüchtlinge während einer dreijährigen Ausbildung und auch zwei Jahre danach nicht abgeschoben werden. „Wir spüren wieder mehr die Abwehrhaltung als Hinweise zum Umgang mit denen, die schon da sind“, monierte Lucha.
- Wochenlang war er in aller Munde, obwohl ihn kaum jemand kannte. Jetzt legt Horst Seehofer ihn schwarz auf weiß vor: Seinen sogenannten Masterplan, den er erst als CSU-Chef aufschreiben ließ und nun als Innenminister verbreitet. Er soll Richtschnur des Handelns sein und laut Seehofer dem Ziel dienen, „wieder Ordnung zu schaffen“. Es solle human zugehen, aber im Bewusstsein, dass „kein Land auf dieser Welt unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen kann“. Seehofer will die konsequente Durchsetzung des Rechts, „da haben wir noch eine Menge zu tun“.
Geändert hat er gegenüber seinem ursprünglichen Masterplan lediglich die genaue Formulierung über die Zurückweisung von Flüchtlingen, die bereits einen Asylantrag in einem anderen EU-Land gestellt haben. Jener Punkt, in dem er sich so erbittert mit Angela Merkel gestritten hatte, dass die Regierung zu platzen drohte.
Frontex aufrüsten
Alles andere ist geblieben. An erster Stelle steht auch für Seehofer eine europäische Lösung, dazu gehört der bessere Schutz der Außengrenzen.
Verschärfungen im Asylverfahren
Bei mehr als der Hälfte des Masterplans geht es allerdings um Verschärfungen im Inland. Bündelung sei Trumpf, deshalb habe man Ankerzentren (steht für Ankunft, Entscheidung, Rückführung) vereinbart, so Seehofer. Dass die SPD solche Zentren ablehnt, macht ihm wenig Sorgen. Die Chancen zur Realisierung solcher Zentren seien deutlich gestiegen. So sollten ja die Dublin-Fälle aus diesen Ankerzentren zurücküberwiesen werden.
Flüchtlinge, die keine Papiere haben, sollen vom ersten Tag an die Pflicht zur Ersatzbeschaffung haben. Wenn Flüchtlinge freiwillig in die Region reisen, aus der sie fliehen wollten, weil sie angeblich verfolgt wurden, soll ihr Asylverfahren gestrichen werden. Es könne auch nicht sein, so Seehofer, „dass Menschen hier Kapitalverbrechen verüben und dann genau in die Region flüchten, in der sie angeblich verfolgt werden.“
Sachleistungen statt Geld
In diesen Ankerzentren soll das Prinzip Sach- statt Geldleistungen herrschen, um keine zusätzlichen Anreize für Flüchtlinge zu schaffen. Viele Länder sind dagegen, Seehofer will mit ihnen reden. Auf jeden Fall solle es nur Sachleistungen für jene Flüchtling geben, die ihre Identitätsfeststellung verweigern.
Rücknahmeabkommen
Innenminister Horst Seehofer ist stolz, dass bei den Partnern auf EU-Ebene sein Masterplan schon Wirkung entfaltet habe. Noch nie habe er erlebt, so Seehofer in Berlin, dass sich die Regierungschefs zwei Tage lang mit dem Thema Asyl auseinandersetzen. Aus der EU hört man allerdings, dass man es auch nie wieder erleben will, dass ein deutscher Politiker mit Rücksicht auf seine Landtagswahlen die ganze EU unter Druck setzt. „Ich werde jetzt auf die Partner zugehen“, verspricht Seehofer, die bevorstehende Innenministerkonferenz in Innsbruck sei dazu eine gute Gelegenheit.
Host Seehofer weiß, dass die bilateralen Gespräche vor allem mit Griechenland und Italien, die bereits viele Flüchtlinge aufnehmen und nicht noch mehr zurücknehmen wollen, sehr schwierig sind. „Ich hoffe, dass wir im Juli wissen, ob es Abkommen gibt oder nicht.“
Rückführung
Die Rückführung abgelehnter Asylbewerber soll beschleunigt werden. Diejenigen, die schon woanders Asyl beantragt haben, sollten in 48 Stunden rücküberführt werden. Aber auch bei den anderen Fällen hält Seehofer mehr Tempo für nötig. Wenn nur 15 Prozent der abgelehnten Asylbewerber auch tatsächlich zurückgeführt werden, „dann sagt doch jeder Bürger, das kann nicht wahr sein“, so Seehofer. „Nur, wenn wir Recht durchsetzen, schaffen wir Vertrauen“, sagt Seehofer. Auch Programme für eine freiwillige Rückkehr sollen ausgebaut werden.
Fluchtursachenbekämpfung
Horst Seehofer spricht sich dafür aus, mehr Geld in die Entwicklungsländer zu geben. Zusammen mit Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) macht er sich dafür stark, dass 2019 zusätzlich 880 Millionen Euro nötig sind für die Überlebenshilfe und den Aufbau von Infrastruktur in Krisengebieten, aber auch für langfristige Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Der Hunger in den Flüchtlingscamps hatte 2015 zur ersten großen Zahl von syrischen Flüchtlingen geführt.
Sichere Herkunftsländer
Auch die Ausweisung von Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten, in die man Flüchtlinge zurückschieben kann, soll erneut auf die Tagesordnung. Das wolle das Kabinett in den nächsten acht Tagen entscheiden, so Seehofer.
Integration
Hier kündigt Seehofer an, die Integrationskurse qualitativ zu verbessern und die Anwesenheitspflicht zu verschärfen. Flüchtlinge sollen strengere Sanktionen erfahren, wenn sie diesen Kursen fernbleiben. Traumatisierten Flüchtlingen soll besonders geholfen werden.