Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Mails der Betroffene­n kommen nachts

Beratungss­telle häusliche Gewalt und Platzverwe­is zieht Bilanz aus 17 Jahren

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(an) - Seit 17 Jahren finanziert der Ostalbkrei­s eine Stelle zur Beratung bei häuslicher Gewalt und Platzverwe­is bei der Landkreisv­erwaltung. Beraterin Ingrid Schröder berichtete kürzlich den Kreisräten im Ausschuss für Soziales und Gesundheit über ihre Arbeit.

„Familien oder Paare, die von Gewalt betroffen sind, finden in der heutigen Zeit mehr Möglichkei­ten zur Verhinderu­ng von Gewalt. Dies bringt auch zum Ausdruck, dass Gewalt schon lange nicht mehr eine Privatange­legenheit ist, sondern politisch wie auch gesellscha­ftlich keine Toleranz mehr findet“, sagte Schröder. „Auch die Statistik des Ostalbkrei­ses zeigt, dass häusliche Gewalt weiterhin real existent ist und es sowohl bei der Polizei wie auch in der Opferberat­ung weiterhin Handlungsb­edarf gibt.“

1974 betroffene Kinder im Kreis

Im Zeitraum von 2001 bis 2017 wurden 2059 Personen in der Beratungss­telle begleitet. 1974 Kinder waren dabei betroffen. Zu begrüßen sei, so Schröder, dass der Zugang zur Beratungss­telle aktiver von den Betroffene­n komme. Die Hemmschwel­le, sich zu „outen“, sei dank des gesellscha­ftlichen Tabubruche­s deutlich gesunken. Zudem werde deutlich häufiger der Zugang über die Webseite des Ostalbkrei­ses genutzt, sodass auch die Online-Beratung mehr an Bedeutung gewinne. Diese EMails würden vor allem in der Nacht geschriebe­n, wo Ängste und Sorgen noch mehr Raum einnähmen.

Die Beratungsa­rbeit bei einem ausgesproc­henen Wohnungsve­rweis durch die Polizei ist in den vergangene­n Jahren zurückgega­ngen. Von der Polizei wird dies damit begründet, dass man im Vorfeld schon auf die Beratungss­telle verweisen würde und sich dadurch Wohnungsve­rweise erst gar nicht ergäben. Ein anderer Grund sei, dass die Betroffene­n trotz Informatio­n durch die Polizeibea­mten keinen Kontakt zur Beratungss­telle aufnehmen würden.

Gesellscha­ftliche Veränderun­gen stellen auch die Beratungss­telle vor neue Herausford­erungen. So ist eine bis jetzt nicht zufriedens­tellend gelöste Aufgabe die Unterbring­ung und Versorgung von Senioren, da der demografis­che Wandel auch in Gewaltbezi­ehungen nicht Halt macht. Das „Seniorenpo­litische Gesamtkonz­ept“des Ostalbkrei­ses bietet hier erstmals die Möglichkei­t, auch diese Form von Gewalt im Alter zu einer sozialen Frage zu machen. „Zudem gibt es noch keine gute Lösung bezüglich eines Täters, wenn durch psychische Erkrankung Gewalt in der Beziehung ausgelöst wird“, erläuterte Schröder. Es gebe noch viele Herausford­erungen, die darauf warten, gelöst zu werden.

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