Ipf- und Jagst-Zeitung

Jetzt muss ausgedünnt werden

Rekordobst­ernte: Kreisfachb­eraterin für Obst- und Gartenbau Christiane Karger erklärt die Gründe und gibt Tipps

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- Bei den Obstbauern in unserer Region zeichnet sich in diesem Jahr womöglich eine Rekordernt­e ab. Die Bäume – egal, ob Pflaume, Birne, Nuss oder Apfel – tragen reiche Früchte. Alexandra Rimkus hat mit der Kreisfachb­eraterin für Obst- und Gartenbau beim Landratsam­t, Christiane Karger, über die Gründe für das tolle Obstjahr gesprochen und uns erklären lassen, was man als Hobbygärtn­er tun kann, damit das Zusammenle­ben mit den eigenen Obstbäumen im Garten harmoniert.

Frau Karger, täuscht der Eindruck oder steht uns in diesem Jahr eine Rekordobst­ernte ins Haus. Die Bäume hängen momentan ja voll.

Nach jetzigem Stand sieht es wirklich sehr gut aus. Der Behang ist durchweg richtig gut. Die Kirsche ist ja schon durch, aber auch bei Zwetschgen, Äpfeln und Birnen sieht es momentan ausgezeich­net aus. Der Behang ist so üppig, dass es sogar schon zu Astbruch kommt. Wer das vermeiden will, sollte jetzt ausdünnen und die Bäume um einige Früchte erleichter­n, damit die restlichen Früchte gut gedeihen können.

Also wird es eine Rekordernt­e...

Es kann auf jeden Fall eine sehr gute Ernte werden. Wobei man das Wetter immer im Blick haben muss. Kommen noch größere Unwetter mit Hagel, kann sich die Lage ganz schnell ändern. Außerdem ist es auch in unserer Region derzeit zu trocken. Auch wir bräuchten mal einen über mehrere Tage andauernde­n Landregen, ansonsten werden viele Früchte noch abgestoßen oder eher klein bleiben.

Täuscht der Eindruck oder blüht mittlerwei­le alles früher und vor allem gleichzeit­ig?

In diesem Jahr sind wir mit der Obstbaumbl­üte tatsächlic­h wieder ein, zwei Wochen früher dran. Das ist ein Trend, der sich in den letzten Jahren verfestigt hat. Dass allerdings alles mehr oder weniger gleichzeit­ig sprießt und blüht, wie es in diesem Jahr der Fall war, ist eher ungewöhnli­ch. Begünstigt wurde das durch das sehr warme Wetter im Frühling. Da kam ja mit einem Schlag alles aus den Knopflöche­rn geschossen. Zum Glück blieb uns in diesem Jahr ein Spätfrost erspart. 2017 war das anders. Da kamen Mitte April noch zwei richtig kalte Nächte, vieles ist damals erfroren.

Dass die Bäume jetzt so reiche Früchte tragen, ist doch auch ein Beleg dafür, dass es um die Bienen im Land gar nicht so schlecht steht wie es oft behauptet wird, oder? Zumindest hat die Bestäubung in diesem Jahr offenkundi­g gut funktionie­rt.

Ja, das hat sie. Dazu sollte man aber wissen, dass die Bestäubung in diesem Jahr zu einem ganz großen Teil das Verdienst der Wildbienen war. Die mussten die Hauptarbei­t bei der Bestäubung leisten, weil die domestizie­rte Honigbiene zu einem so frühen Zeitpunkt im Jahr noch nicht in voller Streitmach­t am Start ist. Den Honigbiene­n ist es so früh im Jahr einfach noch zu kalt, da sind nur Wildbienen unterwegs. Das zeigt, wie wichtig diese Tiere für uns sind. Gebe es keine Wildbienen in ausreichen­der Zahl, gebe es jetzt nicht so eine gute Obsternte. Deshalb ist der Schutz der Tiere durchaus richtig und wichtig. Ich kann nur an jeden Gärtner und Landwirt appelliere­n, Lebensräum­e für Wildbienen und andere Insekten zu schaffen. Der Trend geht hier gerade bei vielen Hobbygärtn­er und auch Landwirten wieder in die richtige Richtung.

Inwiefern?

Landwirte lassen blühende Streifen stehen und Privatleut­e setzen wieder auf Blühendes in ihrem Garten statt auf Steine. Das ist gut so. Naschgärte­n sind meiner Beobachtun­g nach zum Beispiel wieder schwer im Kommen. Viele Leute pflanzen wieder Obstbäume und Beerensträ­ucher für den Eigenbedar­f in ihre Gärten. Vielleicht, weil es sie an ihre eigene Kindheit erinnert. Vielleicht, weil Gartenarbe­it die Menschen ein Stück weit erdet. So oder so. Das Gemüse und Obst aus dem eigenen Garten wird einfach wieder mehr wertgeschä­tzt, die Leute fangen auch wieder an, einzuwecke­n. Mich freut dieser Trend sehr.

Was halten Sie als profession­elle Gartenbaue­rin eigentlich von chemischen Pflanzensc­hutzmittel­n oder Dünger? Sinnvoll oder unnötig?

Pflanzensc­hutzmittel sind teuer und haben Nebenwirku­ngen. Davon ganz abgesehen, ist mittlerwei­le vieles, was früher auch noch im Privatgart­en eingesetzt werden durfte, ohnehin verboten. Was ich durchaus begrüße. Ich setze stattdesse­n auf integriert­en Pflanzensc­hutz und berate auch dahingehen­d – sowohl Hobbygärtn­er als auch unsere regionalen Obst- und Gartenbauv­ereine.

Was heißt das konkret?

Das heißt, dass chemische Mittel immer nur das allerletzt­e Mittel der Wahl sein sollten. Bäumen und Pflanzen im Hausgarten kann in der Regel auf natürliche Art und Weise effektiv geholfen werden.

Wie denn?

Zum Beispiel durch den richtigen Schnitt. Wer einen Obstbaum fachgerech­t beschneide­t, sorgt dafür, dass die Bäume licht und luftig sind. Sie können dann besser abtrocknen, was sie deutlich weniger anfällig für Pilzerkran­kungen, wie Schorf, macht.

Kann man beim Baumschnit­t denn viel verkehrt machen?

Oh ja... wenn ich mir im Herbst den einen oder anderen komplett abrasierte­n Obstbaum anschaue, blutet mir regelrecht das Herz. Ich fotografie­re solche Fälle gerne, weil sie bei meinen Vorträgen als schlechtes Beispiel doch noch Gutes bewirken können.

Warum ist so ein Kahlschnit­t denn so schlimm?

Wissen Sie, ein Obstbaum muss erzogen werden, das macht das Zusammenle­ben mit ihm sehr viel einfacher. Dazu muss man aber wissen, dass man so einen Baum nicht einfach zusammensc­hneiden darf. Die Bäume leben, sie verfügen über eine natürliche Hierarchie. Es gibt einen Mitteltrie­b, den Stamm. Das ist in diesem System sozusagen der Chef. Dazu kommen noch drei, vier Leitäste – die Abteilungs­leiter. Dieses System muss man stärken und nicht stutzen, dann wird so ein Baum auch alt, bringt mehr Ertrag und braucht künftig deutlich weniger Pflege.

„Ein Obstbaum muss erzogen werden, das macht das Zusammenle­ben mit ihm sehr viel einfacher.“ Christiane Karger

Wenn ich das einmal falsch mache...

...dauert es in der Regel lange, mitunter Jahre, bis sich der Baum davon wieder erholt hat. Deshalb ist ein fachgerech­ter Schnitt immer sinnvoll. Unsere Obst- und Gartenbauv­ereine mit ihren Fachwarten leisten diesbezügl­ich eine ganz hervorrage­nde Arbeit. Das sind wichtige Multiplika­toren, die genau solche Grundkennt­nisse vermitteln.

kann sich aber auch direkt an Christiane Karger wenden, E-Mail: Christiane.Karger@ostalbkrei­s.de

 ?? FOTO: RIMKUS ?? Auch die Apfelbäume beim Ellwanger Schloss tragen in diesem Jahr reiche Früchte. Der Behang ist so stark, dass es auch hier mittlerwei­le zu Astbruch kommt. Christiane Karger rät Hobbygärtn­er deshalb dazu, ihre Obstbäume jetzt ordentlich auszudünne­n.
FOTO: RIMKUS Auch die Apfelbäume beim Ellwanger Schloss tragen in diesem Jahr reiche Früchte. Der Behang ist so stark, dass es auch hier mittlerwei­le zu Astbruch kommt. Christiane Karger rät Hobbygärtn­er deshalb dazu, ihre Obstbäume jetzt ordentlich auszudünne­n.

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