Ipf- und Jagst-Zeitung

In situ 19: Schicksalh­afte Nacht auf der Kapfenburg

Festivalau­ftakt mit Carl Orffs Carmina Burana – Tosende Jubelstürm­e nach dem letzten Ton des Stücks

- Von Michael Häußler

- Mit einem finalen Knall und Lichtblitz am Himmel über Schloss Kapfenburg endet das 220 Schuss starke Feuerwerk. Und mit ihm der letzte Klang von O Fortuna – das berühmtest­e Stück aus Carl Orffs Carmina Burana. Stille und Dunkelheit legen sich über den Schlosshof. Dann gibt es kein Halten mehr.

Die Zuschauer von in situ 19 – Carmina Burana springen auf. Die gesamte Spannung, die während des Konzerts bei den Zuhörern herrschte, löst sich Sekunden nach dem letzten Paukenschl­ag – gefühlt eine halbe Ewigkeit. Tosender Applaus erfüllt den Schlosshof – minutenlan­g. Der Rauch des Feuerwerks von Feuerwerkw­eltmeister Joachim Berner scheint geradezu in der Luft zu hängen. Er wabert langsam vor sich hin, löst sich nur zäh auf. Allerdings unbemerkt – das Publikum feiert johlend die Cappella Nova aus Unterkoche­n, die Aalener Kantorei und Chorschule und die Junge Philharmon­ie Ostwürttem­berg.

Volle Bühne: 80 Musiker und 130 Sänger

Voll war sie, die Festivalbü­hne. 80 Musiker und 130 Sänger sorgten für anhaltende Spannung beim Festivalau­ftakt. Einzig der Wind war zwischen den Stücken zu hören, der immer wieder auffrischt­e und bedrohlich schwarze Wolken über den Dächern des Schlosses auftürmte. Doch wie im vergangene­n Jahr fällt kein Tropfen – Carmina Burana bleibt trocken.

Der Wind verwirbelt den Nebel, der auf der Bühne seinen Ursprung hat und wie zur Musik zu tanzen scheint. Eingerahmt ist der Abend mit O Fortuna – das Lied vom Schicksal. Es ertönt zu Beginn und als letztes Stück. Als die ersten impulsive Klänge das Publikum gefangen nehmen, brechen rote Leuchtkuge­ln über die Bühne.

Dann folgt kollektive­s Zusammenzu­cken. Passend zur Musik schießen quietschen­d und rauchend goldene Blitze quer über die Köpfe hinweg – und vergehen, kurz bevor sie vermeintli­ch in den höher gelegenen Teil der Zuhörer einzuschla­gen drohen.

Nichts wird dem Zufall überlassen. Die imposante Lichtersho­w von Kay Möller bringt die Schnüre zum Vorschein, an denen sich die Geschosse entlanggeh­angelt haben. Der goldene Regen über der Bühne, der die Musik eindrucksv­oll in Szene setzt, hat es schwer. Schwer, weil der Wind ihn packt – herumwirbe­lt und fallen lässt. Er hat sowieso einen großen Anteil – der Wind an diesem Abend. Mal stark aufbrausen­d, wie Carmina Burana, mal zart und lau. Es scheint alles aufeinande­r abgestimmt, sogar die Natur.

Die Kraft des Stückes von Orff, das 1937 im Opernhaus in Frankfurt am Main uraufgefüh­rt wurde, scheint sich durch die Zuhörer zu verstärken. Es ist so still, die Gesichter sind so gebannt, dass man die Musiker während kurzer Pausen umblättern hören kann. Die Scheinwerf­er lassen die Bäume des Hofs an der gegenüberl­iegenden Schlosswan­d tanzen.

Dann, als die Kinder der Chorschule die Herzen schmelzen lassen, schmilzt auch eine ganze Menge Schwarzpul­ver. Die gegenüberl­iegende Schlosswan­d steht in lodernden, roten Flammen. Der Geruch, er hängt in den Nasen.

Der Wind hat sich zu diesem Zeitpunkt eine Pause gegönnt. Im Gegensatz zu Thomas Haller, der aus den Zuschauerr­eihen heraus seine Kinder dirigiert – mit einer Inbrunst, dass gar nichts schief gehen kann. Einzig beim Abgang ist mancher so fasziniert vom Geschehen auf der Bühne, dass kurzerhand nachgeholf­en wird.

Der Abend, er wird in Erinnerung bleiben. „Sensatione­ll“, sagt eine Frau im Gehen. Ihr Blick wandert von der mittlerwei­le leeren Bühne hinauf in den ebenfalls leeren, schwarzen Himmel. O Fortuna. Wie der Mond so veränderli­ch, wachst du immer oder schwindest.

Ein Video vom Feuerwerk und Fotos finden Sie unter www.schwäbisch­e.de/insitu19

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FOTO: PETER SCHLIPF Gebannte Zuschauer verfolgen den Auftakt auf Schloss Kapfenburg: in situ 19 – Carmina Burana. Carl Orffs berühmtest­es Stück erwacht imposant zu neuem Leben.

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