In situ 19: Schicksalhafte Nacht auf der Kapfenburg
Festivalauftakt mit Carl Orffs Carmina Burana – Tosende Jubelstürme nach dem letzten Ton des Stücks
- Mit einem finalen Knall und Lichtblitz am Himmel über Schloss Kapfenburg endet das 220 Schuss starke Feuerwerk. Und mit ihm der letzte Klang von O Fortuna – das berühmteste Stück aus Carl Orffs Carmina Burana. Stille und Dunkelheit legen sich über den Schlosshof. Dann gibt es kein Halten mehr.
Die Zuschauer von in situ 19 – Carmina Burana springen auf. Die gesamte Spannung, die während des Konzerts bei den Zuhörern herrschte, löst sich Sekunden nach dem letzten Paukenschlag – gefühlt eine halbe Ewigkeit. Tosender Applaus erfüllt den Schlosshof – minutenlang. Der Rauch des Feuerwerks von Feuerwerkweltmeister Joachim Berner scheint geradezu in der Luft zu hängen. Er wabert langsam vor sich hin, löst sich nur zäh auf. Allerdings unbemerkt – das Publikum feiert johlend die Cappella Nova aus Unterkochen, die Aalener Kantorei und Chorschule und die Junge Philharmonie Ostwürttemberg.
Volle Bühne: 80 Musiker und 130 Sänger
Voll war sie, die Festivalbühne. 80 Musiker und 130 Sänger sorgten für anhaltende Spannung beim Festivalauftakt. Einzig der Wind war zwischen den Stücken zu hören, der immer wieder auffrischte und bedrohlich schwarze Wolken über den Dächern des Schlosses auftürmte. Doch wie im vergangenen Jahr fällt kein Tropfen – Carmina Burana bleibt trocken.
Der Wind verwirbelt den Nebel, der auf der Bühne seinen Ursprung hat und wie zur Musik zu tanzen scheint. Eingerahmt ist der Abend mit O Fortuna – das Lied vom Schicksal. Es ertönt zu Beginn und als letztes Stück. Als die ersten impulsive Klänge das Publikum gefangen nehmen, brechen rote Leuchtkugeln über die Bühne.
Dann folgt kollektives Zusammenzucken. Passend zur Musik schießen quietschend und rauchend goldene Blitze quer über die Köpfe hinweg – und vergehen, kurz bevor sie vermeintlich in den höher gelegenen Teil der Zuhörer einzuschlagen drohen.
Nichts wird dem Zufall überlassen. Die imposante Lichtershow von Kay Möller bringt die Schnüre zum Vorschein, an denen sich die Geschosse entlanggehangelt haben. Der goldene Regen über der Bühne, der die Musik eindrucksvoll in Szene setzt, hat es schwer. Schwer, weil der Wind ihn packt – herumwirbelt und fallen lässt. Er hat sowieso einen großen Anteil – der Wind an diesem Abend. Mal stark aufbrausend, wie Carmina Burana, mal zart und lau. Es scheint alles aufeinander abgestimmt, sogar die Natur.
Die Kraft des Stückes von Orff, das 1937 im Opernhaus in Frankfurt am Main uraufgeführt wurde, scheint sich durch die Zuhörer zu verstärken. Es ist so still, die Gesichter sind so gebannt, dass man die Musiker während kurzer Pausen umblättern hören kann. Die Scheinwerfer lassen die Bäume des Hofs an der gegenüberliegenden Schlosswand tanzen.
Dann, als die Kinder der Chorschule die Herzen schmelzen lassen, schmilzt auch eine ganze Menge Schwarzpulver. Die gegenüberliegende Schlosswand steht in lodernden, roten Flammen. Der Geruch, er hängt in den Nasen.
Der Wind hat sich zu diesem Zeitpunkt eine Pause gegönnt. Im Gegensatz zu Thomas Haller, der aus den Zuschauerreihen heraus seine Kinder dirigiert – mit einer Inbrunst, dass gar nichts schief gehen kann. Einzig beim Abgang ist mancher so fasziniert vom Geschehen auf der Bühne, dass kurzerhand nachgeholfen wird.
Der Abend, er wird in Erinnerung bleiben. „Sensationell“, sagt eine Frau im Gehen. Ihr Blick wandert von der mittlerweile leeren Bühne hinauf in den ebenfalls leeren, schwarzen Himmel. O Fortuna. Wie der Mond so veränderlich, wachst du immer oder schwindest.
Ein Video vom Feuerwerk und Fotos finden Sie unter www.schwäbische.de/insitu19