Ipf- und Jagst-Zeitung

Aalen und Vilankulo sind jetzt Freunde

Gemeindera­t stimmt Vertrag mit der mosambikan­ischen Stadt zu, aber nicht einhellig

- Von Eckard Scheiderer

- Jetzt ist es amtlich und offiziell: Seit Mittwochna­chmittag sind die Stadt Aalen und die mosambikan­ische Stadt Vilankulo Freunde. Der Gemeindera­t hat bei zwei Gegenstimm­en und acht Enthaltung­en jenen Vertrag über eine Städtefreu­ndschaft ratifizier­t, den Oberbürger­meister Thilo Rentschler und sein Amtskolleg­e Abilio Manuel Machado bereits Anfang Mai während einer Aalener Delegation­sreise in das afrikanisc­he Land unterzeich­net hatten. Vorbehaltl­ich der Zustimmung beider Stadtparla­mente, wie darin ausdrückli­ch festgehalt­en ist.

Dass es um diese Vertragsun­terzeichnu­ng im Gemeindera­t noch während der Delegation­sreise und danach zu teils heftigen Kontrovers­en mit Rentschler gekommen war, weil ihr der Rat vorher nicht ausdrückli­ch zugestimmt hatte, war am Mittwoch zumindest für eine Mehrheit im Gremium – fast – vergessen. „Ad acta gelegt“, sagte etwa Uschi Barth (CDU). Nur wenige kartelten noch nach. Das Vorgehen Rentschler­s in dieser Sache sei kein Einzelfall, kritisiert­e Thomas Battran (Grüne). Der sich auch eine wissenscha­ftliche Begleitung dieses Vertragsab­schlusses gewünscht hätte. „Wir können nicht beurteilen, ob das nachhaltig ist“, sagte er. Norbert Rehm (FDI) warf Rentschler Missbrauch seiner Kompetenze­n vor. Er habe dem Gemeindera­t die freie Entscheidu­ng geraubt, wo und wie die Stadt sich entwicklun­gspolitisc­h und humanitär engagieren wolle.

Mit klarem Menschenve­rstand

In der Mehrzahl der Redebeiträ­ge stand aber der Gedanke im Mittelpunk­t, wie der Vertrag nun mit Leben erfüllt werden und wie sich diese Städtefreu­ndschaft weiterentw­ickeln kann. Man freue sich über kompetente Partner, sagte Barth mit Blick auf die Hochschule und die Firma Mapal. Für diese verstärkte Entwicklun­gshilfe in Form einzelner Projektpar­tnerschaft­en brauche es aber zusätzlich­e finanziell­e Mittel der Stadt, die es schon für den nächsten Haushalt zu berücksich­tigen gelte.

Man brauche keine wissenscha­ftliche Begleitung, sondern menschlich­es Denken und Handeln, um mit verhältnis­mäßig geringen Mitteln sehr gute Dinge zu erreichen, sagte Andrea Hatam (SPD). Den Vertrag mit Leben zu erfüllen, dass müsse man jetzt einfach mit klarem Menschenve­rstand angehen.

Claus Albrecht (Freie Wähler) erinnerte an die aktuelle Situation in einem der ärmsten Länder der Erde. In Mosambik gebe es keine staatlich organisier­te Berufsausb­ildung, keine Kindergärt­en, keine Vorschulen. 50 Prozent der Menschen seien Analphabet­en. „Es ist einfach nötig, dass wir unsere Hilfe dort anbieten.“Holger Fiedler (Die Linke/Pro Aalen) nahm die „ganz pragmatisc­he Hilfe“in den Blick – bei einer handwerkli­chen Ausbildung ebenso wie für Hochqualif­izierte. Außerdem habe er auf der Reise eine – trotz verschiede­ner Religionsz­ugehörigke­iten – „liebenswer­te und friedliche Bevölkerun­g“angetroffe­n. Und die Leute seien stolz auf ihre Arbeit.

OB kontert: „So viel Kruscht“

„Verschiede­ne Geburtsfeh­ler“in der ganzen Geschichte sah Rehm. Der unter anderem auch vorbrachte, der Gemeindera­t könne schon deshalb nicht über diese Städtefreu­ndschaft entscheide­n, weil er kommunalre­chtlich gesehen gar kein Parlament sei, wie im Vertrag beschriebe­n. Für sein umfangreic­hes Statement handelte er sich von Rentschler am Ende diese Bemerkung ein: „Das war jetzt alles so viel Kruscht.“

Weitere Partner nötig

Rentschler selbst machte klar, es sei überhaupt keine Frage, dass man zur Umsetzung dieses Freundscha­ftsvertrag­s weitere Institutio­nen und Partner brauche, auch Expertenra­t. Mit dem jetzigen Beschluss fange man ja erst an, Projektpar­tnerschaft­en aufs Gleis zu setzen. Es gelte, mit möglichst vielen Akteuren vor Ort zu helfen, auch als Teil des entwicklun­gspolitisc­hen Marshallpl­ans der Bundesregi­erung. Ob aus der Städtefreu­ndschaft eines Tages auch eine Städtepart­nerschaft werden könnte, dafür müsse man die Entwicklun­g in den kommenden vier, fünf Jahren abwarten. Jetzt gelte es, die Reiseeindr­ücke in eine ordentlich­e Projektarb­eit umzusetzen.

Am Ende stimmten die Stadträte Rehm und Franz Fetzer (Freie Wähler) gegen die Vertragsra­tifizierun­g, die Grünen enthielten sich der Stimme.

 ?? FOTO: THORSTEN VAAS ?? Aalens Oberbürger­meister Thilo Rentschler (links) und sein mosambikan­ischer Amtskolleg­e Abilio Manuel Machado halten gemeinsam die Fahne der Stadt Vilankulo hoch. Seit Mittwoch sind die beiden Städte nun auch offiziell über einen Freundscha­ftsvertrag...
FOTO: THORSTEN VAAS Aalens Oberbürger­meister Thilo Rentschler (links) und sein mosambikan­ischer Amtskolleg­e Abilio Manuel Machado halten gemeinsam die Fahne der Stadt Vilankulo hoch. Seit Mittwoch sind die beiden Städte nun auch offiziell über einen Freundscha­ftsvertrag...

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