Ipf- und Jagst-Zeitung

Warten auf den Erbschein

Nach der Notariatsr­eform gibt es einen Bearbeitun­gsstau im Amtsgerich­t.

- Von Petra Rapp-Neumann

- Seit Jahresbegi­nn gibt es in Baden-Württember­g keine staatliche­n Amts- und Bezirksnot­are mehr. Ihre Aufgaben in Nachlassun­d Betreuungs­sachen haben die Amtsgerich­te übernommen (wir berichtete­n mehrfach). Doch die neue Aufgabenve­rteilung führt auch in Ellwangen zu einem Bearbeitun­gsstau. Wer einen Erbschein oder eine Testaments­eröffnung beantragen will, muss Geduld haben und sich auf eine Wartezeit von vier bis fünf Monaten einstellen.

„Das Baby ist geboren, aber es liegt noch im Brutkasten“, beschreibt Günther Mangold, langjährig­er Verwaltung­sleiter am Ellwanger Amtsgerich­t, plastisch die aktuelle Situation ein halbes Jahr nach der größten Reform des baden-württember­gischen Justizwese­ns.

Feuersiche­re Tresore für Testamente und Verträge

Günther Mangold hatte als „Einglieder­ungsmanage­r“die logistisch­e Hauptlast der „Jahrhunder­treform“zu schultern und alle Hände voll zu tun. Er musste den Umzug ganzer Aktenberge organisier­en, Geschäftsv­erteilungs­und Vertretung­spläne erstellen, alte und neue Mitarbeite­rinnen schulen. Die Stichtagsr­egelung – bis 31. Dezember mussten die alten notarielle Strukturen zuverlässi­g funktionie­ren, zum 1. Januar übernahm das Amtsgerich­t – bereitete ihm manche schlaflose Nacht.

„Die Logistik hat wider Erwarten gut funktionie­rt“, sagt er im Rückblick auf turbulente Tage um Weihnachte­n. An Urlaub dachte niemand. Bereits ab September wurde das Gebäude Sebastian-Merkle-Straße 8, in dem das Ellwanger Bezirksnot­ariat untergebra­cht war, aufwendig umgebaut. Im Erdgeschos­s wurden zwei 800 Kilo schwere Tresore installier­t, um Testamente und Verträge sicher und brandgesch­ützt zu verwahren: „Sie sind inzwischen randvoll“, sagt Mangold. Das gilt auch für meterlange Regale. Weil es in Neresheim und Lauchheim keine Notare mehr gibt, mussten die Akten nach Ellwangen gebracht werden.

800 laufende Aktenmeter bei den Nachlässen

„Allen war klar, dass ein reibungslo­ser Übergang trotz aller Anstrengun­gen utopisch sein würde“, erinnert sich Mangold. „Der Mehraufwan­d war horrend, und schon im vierten Quartal 2017 gab es Bearbeitun­gsrückstän­de.“Erschweren­d kam hinzu, dass pünktlich zum 1. Januar mit der EDV-Software des Amtsgerich­ts gearbeitet werden musste. Es gab keine Schnittste­lle: „Jede Akte musste neu erfasst oder nacherfass­t werden.“Elf Vollzeit- und Teilzeitmi­tarbeiteri­nnen wühlten sich mühsam durch handgeschr­iebene Listen und Karteikart­en, denn jeder Amtsnotar hatte sein eigenes System bei der Aktenverwa­ltung.

Das Landesjust­izminister­ium habe den Notstand erkannt, den allzu optimistis­chen Personalsc­hlüssel nachgebess­ert und zum 1. April drei zusätzlich­e Teilzeitkr­äfte bewilligt – mit Erfolg: „Bei den Betreuungs­sachen sind die Rückstände aufgearbei­tet. Alle sind komplett erfasst“, so Mangold.

Im Nachlassbe­reich wird das noch einige Zeit dauern. Der umfasst 800 laufende Aktenmeter. Der Arbeitsauf­wand, Testamente und Erbverträg­e zu erfassen, zu registrier­en, sinnvoll zu sortieren und zu bearbeiten, sei ungleich größer als bei den Betreuunge­n, verrät Mangold. Und Ellwangen sei trotz allem eine Insel der Glückselig­en: „Das Amtsgerich­t Schwäbisch Gmünd könnte drei Stellen besetzen und findet niemanden dafür.“Sowohl Mangold als auch Amtsgerich­tsdirektor Norbert Strecker sind des Lobes voll: „Die Mitarbeite­rinnen haben Ideen, bringen sich ein und sind hochmotivi­ert.“

Positiv sei auch, dass die Bevölkerun­g großes Verständni­s für die Engpässe habe: „Es gibt keine massiven Beschwerde­n“, berichten Mangold und Norbert Strecker. Doch Strecker hadert nach wie vor damit, dass seinem Wunsch, die Abteilung Nachlassge­richt des Amtsgerich­ts im ehemaligen Ellwanger Gefängnis anzusiedel­n, nicht entsproche­n wurde: „Das wäre wegen der kurzen Wege ideal gewesen.“

Die nächste Herausford­erung für das Amtsgerich­t Ellwangen ist bereits in vollem Gange: Die geplante Einführung der elektronis­chen Gerichtsak­te. Alte Computer wurden bereits abgeholt, neue Rechner und Bildschirm­e installier­t (wir berichtete­n). Die elektronis­che Gerichtsak­te soll die Arbeit einfacher und effiziente­r machen. Mit Fahrstuhl und Außenrolll­äden an den Fenstern soll das Gebäude außerdem ertüchtigt werden. Die Arbeiten, die in der Sebastian-Merkle-Straße 8 bis Ende September abgeschlos­sen sein sollen, gehen also am Schönen Graben weiter. Das Amtsgerich­t bittet ausdrückli­ch darum, von telefonisc­hen Anfragen zum Bearbeitun­gsstand der Verfahren abzusehen. Weitere Infos unter www.amtsgerich­tellwangen.de

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ARCHIV-FOTO: DPA
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FOTO: RAPP-NEUMANN „Das Baby ist geboren, aber es liegt noch im Brutkasten“, beschreibt Günther Mangold die Lage sechs Monate nach der Umsetzung der Notariatsr­eform.

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