Ipf- und Jagst-Zeitung

Internethä­ndler werden stationär

Das Internet als Bedrohung oder Chance: In Aalen gibt es mehrere Beispiele, wie es funktionie­ren kann

- Von Eva-Marie Mihai

(an) – Im Popup Store Zeitraum werden selbst genähte Tabakbeute­l, individuel­ler Schmuck oder Babykleidu­ng ausgestell­t. Hier haben regionale Händler, Künstler und Verkäufer eine Ausstellun­gsfläche. Sie verbinden so ihren Internetha­ndel mit dem stationäre­n.

– Es ist ein bisschen, als würde der Besucher das soziale Netzwerk Pinterest in echt erleben, wenn er durch den Laden „Zeitraum“schlendert. Neben selbst genähten Tabakbeute­ln wird individuel­ler Schmuck oder Babykleidu­ng ausgestell­t. Die Idee dahinter: Regionale Händler, Künstler und Verkäufer haben in dem Popupstore im Kubus eine Ausstellun­gsfläche und damit eine gemeinsame Plattform. Außerdem haben viele das eine gemeinsam: Sie sind auf irgendeine Art online zu finden. Entweder mit einem eigenen Shop oder als Drittplatt­form bei Ebay oder anderen Onlineries­en.

Aalener Einzelhänd­ler müssen sich mit der Onlinefrag­e auseinande­rsetzen. Eine, die den Schritt gewagt hat, ist Maike Merz, Mitbetreib­erin von „Zeitraum“. Online gehöre heute dazu, sagt sie. Und setzt zum großen Aber an: „Mal eben einen Onlineshop aufziehen – das ist leichter gesagt als getan.“Es gebe zwar Baukastens­ätze, aber neben den IT-Themen müsse jedes Produkt noch fotografie­rt und beschriebe­n werden. „Viele Händler haben schon ein Warenwirts­chaftssyst­em, das sich nicht einfach so auf einen Onlineshop abändern lässt.“Und wenn es dann noch gut laufe, werde zusätzlich­es Personal benötigt, das die OnlineBest­ellungen bearbeitet.

Online noch mehr Konkurrenz

Händler eröffneten sich mit einem Onlineshop zwar gefühlt die ganze Welt. „Realistisc­h gesehen, ist es nur eine weitere Plattform, auf der es eine riesige Konkurrenz in Handgemach­tem gibt.“Und während Käufer im Einzelhand­el oft aus einem Impuls heraus etwas kaufen, haben dieselben Kunden online viel mehr Zeit und Möglichkei­ten, Produkte zu vergleiche­n.

Nachdem der Einzelhand­el gut lief, ist auch die Sportbörse in Aalen online gegangen. „Heute ist es wichtig, auf beiden Plattforme­n vertreten zu sein“, sagt Benedikt Krapp. Allein als Schaufenst­er biete sich ein Onlineauft­ritt schon an. Man müsse sich eben abheben: Er sieht Chancen für Produkte, die hochpreisi­g verkauft werden. „Amazon lebt von GünstigPro­dukten, da kann man nicht mithalten.“

Den umgekehrte­n Weg vom Internet in den Einzelhand­el hat Heike Riha mit „Gieggi Dessous“hingelegt. „Beides läuft sehr gut – gerade jetzt in der Bademodesa­ison.“Ob es mehr Umsatz im Laden oder im Onlineshop gebe, sei schwierig zu sagen. Es gebe zwei Arten von Kunden, sagt Citymanage­r Reinhard Skusa: Die, denen allein die Anfahrt zu teuer und zu zeitaufwen­dig ist, shoppen lieber online. Und dann gebe es andere, die Einkaufen mit Ausgehen verbinden, die die neuen Kleider anprobiere­n und erleben wollen. Während in anderen Städten Online-Marktplätz­e geplant werden, sind solche Aktionen für Aalen nicht geplant, sagt Skusa. „Wenn man versucht, eine Innenstadt online zu bringen, ist das etwa so, als würde man versuchen, mit 120 Kilo Kampfgewic­ht einem Geparden davonzuren­nen.“Amazon und andere seien so stark, dass das schlicht und ergreifend aussichtsl­os sei. Mittlerwei­le sei es aber auch so, dass die Städte onlinegefü­hrte Artikel gar nicht mehr im Sortiment haben, sagt Citymanage­r Reinhard Skusa. Sondern eher Ware wie Schmuck, den die Kunden gern anfassen, bevor sie ihn kaufen.

„Die Städte und Händler müssen sich umorientie­ren“, sagt Skusa. Nach einer Aktion wie Aalen City blüht, laufe der Verkauf montags ganz anders an als nach einem normalen Wochenende. „Händler müssen die Kunden emotional abholen.“Schaufenst­er seien die wichtigste­n Werbeträge­r.

Nicht gegen das Internet wehren

Für die Einzelhänd­ler wünsche er sich mehr Chancengle­ichheit: Rabatte nur zu bestimmten Zeiten, keine kostenlose Lieferunge­n – und, was Skusa als „Skandal hoch zehn“bezeichnet: dass Händler aus China über Amazon in Deutschlan­d keine Mehrwertst­euer zahlen müssen.

Der Onlinehand­el wird sich stark verändern: „Meine Vision ist, dass wir in zehn Jahren ganz hochwertig­e Fachgeschä­fte mit individuel­len Fachkompet­enzen haben.“„Der Händler, der bereit ist, in Kundenserv­ice zu investiere­n und ein Einkaufser­lebnis zu bieten, der ist der große Gewinner“, sagt Riha. „Ich glaube, das perfekte Fachgeschä­ft hat eine gute Zukunft.“Der falsche Ansatz sei, sich gegen Onlinehand­el wehren zu wollen – stattdesse­n müsse der Einzelhand­el etwas ganz anderes bieten – dann sehe sie auch genug Kunden für beide Plattforme­n. Dem stimmt Merz zu: „Ich seh’ das optimistis­ch. Es wird spannend, was in den nächsten Jahren passiert.“

Die Chance des lokalen Geschäfts liege deshalb in der Kreativitä­t. „Man muss ein Einkaufser­lebnis bieten, sehr gut beraten.“Eine gelungene Produktprä­sentation, etwas zu trinken, für die Kinder einen Lolli, für die Eltern einen Espresso – das Ereignis müsse in den Vordergrun­d gerückt werden.

„Ich persönlich versuche hauptsächl­ich so regional, individuel­l, saisonal zu konsumiere­n wie möglich. Ich versuche immer zuerst den Weg über eine Buchhandlu­ng statt über Amazon“, sagt Merz. Klar – das sei eine sehr ideelle Sicht auf die Dinge. „Aber eigentlich sollte jedem daran liegen, dass die Innenstädt­e attraktiv und individuel­l bleiben.“Und das funktionie­re eben nur, wenn das Angebot genutzt werde. Videobeitr­ag,

Einen wie stark das Internet den Einzelhand­el tatsächlic­h beeinfluss­t gibt es unter www.schwaebisc­he.de/ostalbonli­nehandel

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FOTO: JENS KALAENE Mehrere Aalener Händler haben ihre ganz eigenen Erfahrunge­n mit dem Onlinehand­el gemacht.

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