Ipf- und Jagst-Zeitung

Grande Dame der CDU tritt von der Bühne ab

Nach fast 40 Jahren kandidiert Uschi Barth bei den Kommunalwa­hlen 2019 nicht mehr

- Von Verena Schiegl

- „Man sollte aufhören, solange es noch Leute gibt, die diesen Schritt bedauern“, sagt Uschi Barth. Seit 1980 gehört sie der CDU-Fraktion im Aalener Gemeindera­t an. Bei den kommenden Kommunalwa­hlen im Mai 2019 wird die 74-Jährige nicht mehr kandidiere­n. Der Schritt, nach fast 40 Jahren der Kommunalpo­litik den Rücken zu kehren, falle ihr nicht leicht. Allerdings verhehlt sie nicht, dass ihr die derzeitige Stimmung im Gemeindera­t die Entscheidu­ng erleichter­t.

Es gibt nur wenige, die sich seit fast 40 Jahren für das Wohl der Stadt Aalen engagieren und für das politische Ehrenamt viele persönlich­en Bedürfniss­e hinten anstellen. Uschi Barth ist eine davon. Zu ihrem Ämtle ist die heute 74-Jährige im Jahr 1980 wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Eigentlich wollte ihr Mann Hansjörg, damals Ortsvorsit­zender der CDU und gelernter Diplom-Ingenieur, für einen Sitz im Aalener Gemeindera­t kandidiere­n. „Doch Männer waren in dieser Zeit nicht gefragt, vielmehr wollte die CDU Frauen auf der Liste haben“, erinnert sich Barth. Als Mutter zweier kleiner Kinder habe sie sich anfangs mit Händen und Füßen gewehrt, wurde letztlich aber von dem damaligen Fraktionsv­orsitzende­n der CDU, Hans Birkhold, weich gekocht. „Beim ersten Mal, kommt kein Mensch rein“, meinte er damals. Doch weit gefehlt. Uschi Barth kam rein und ist seither Teil des Aalener Gemeindera­ts.

Politische­s Ehrenamt war eine Männerdomä­ne

„Die Anfangszei­t war sehr ernüchtern­d“, sagt Barth. Und ohne die Unterstütz­ung ihres Mannes hätte sie das Ganze nicht geschafft. Sie habe weder eine Ahnung von Kommunalpo­litik noch von der Gemeindeor­dnung gehabt. Eigentlich wollte die junge Mutter und studierte Lehrerin, die viele Jahre an der Schule für Kranke am Ostalb-Klinikum tätig war, im Finanz- und Verwaltung­sausschuss mitwirken. Doch der Andrang der wenigen gewählten Frauen in diesen sei damals riesengroß gewesen.

„So viele Frauen auf einem Haufen braucht man in dem Ausschuss nicht“, sagte der Fraktionsv­orsitzende Hans Birkhold und machte Barth eine klare Ansage: „Du gehst in den Wirtschaft­sausschuss.“Angst davor brauche sie keine haben, meinte er. „Du sitzt nur da und musst nicht viel schwätzen.“Dass dem allerdings nicht so war, musste Barth schnell erfahren, die sich bei der ersten Stellungna­hme richtig schwer getan habe.

„Im Gegensatz zu heute war das politische Ehrenamt eine Männerdomä­ne“, sagt Barth. Und im Wirtschaft­sausschuss seien damals viele Architekte­n gesessen, die sich darüber mokierten, dass plötzlich eine Frau mitreden will, die ihrer Ansicht nach so gar keine Ahnung hat. „Frauen mussten damals 150 Prozent Leistung bringen, damit sie überhaupt anerkannt wurden.“Im Laufe der Jahre habe sich das geändert. Heute frage keiner mehr danach, wer die Stellungna­hmen macht, sondern sie müssten einfach gut sein. Obwohl es Frauen heute einfacher hätten, gebe es immer noch Männer, die unterschwe­llig lästern würden. Deshalb sei es kein Wunder, dass sich viele junge Frauen nicht mehr politisch engagieren würden. „Warum sollen sie sich ärgern und sich in eine Konkurrenz­situation bringen, wenn sie sich ein anderes, angenehmer­es Hobby suchen können“, sagt Barth, deren schwierigs­te Stellungna­hme die Verabschie­dung von OB Martin Gerlach gewesen sei. Eine Abschiedsr­ede für den Gemeindera­t zu halten, sei angesichts des unguten Verhältnis­ses zum OB heftig gewesen. Trotz des hohen Zeitaufwan­ds und der oft sehr langen Sitzungen mache die Arbeit Spaß. „Man lernt neue Leute kennen und muss sich in Themenbere­iche einarbeite­n, mit denen man sich ansonsten nie befasst hätte“, sagt Barth, die von 1995 bis 2005 auch Vorsitzend­e des CDU-Stadtverba­nds war. Und es sei schön zum Wohle der Stadt Aalen und der Bürger wichtige Entscheidu­ngen mitzutrage­n. Barth denkt unter anderem an den Bau der LimesTherm­en unter OB Ulrich Pfeifle, die Öffnung des Tiefen Stollens sowie die aufstreben­de Entwicklun­g der städtische­n Musikschul­e.

Grandios sei auch gewesen, dass Baron Reinhard von Koenig das Schloss Fachsenfel­d der Öffentlich­keit zugänglich gemacht habe. Heute sei dieses eines der schönsten Veranstalt­ungsorte im Ostalbkrei­s. Rückblicke­nd sei es auch toll, wie sich die Stadtbezir­ke entwickelt haben und neue Baugebiete hinzugekom­men sind, sagt Barth, die die Zwangseing­emeindung der Ortschafte­n mit allen Widerständ­en hautnah miterlebt hat.

„Heute geht es nicht mehr um Sachpoliti­k, sondern um persönlich­e Animosität­en“, sagt Uschi Barth.

Ein Generation­enwechsel musste her

Ein weiterer Meilenstei­n für die 74Jährige sei die Drehung der Hochbrücke und die Untertunne­lung des Bahnhofspl­atzes gewesen. Schön sei es auch, dass Veranstalt­ungen wie die Reichsstäd­ter Tage über Jahrzehnte Bestand haben und die Freundscha­ft mit Aalens Partnerstä­dten nach wie vor intensiv gepflegt werde. Für die Zukunft wichtige Projekte seien das Stadtoval, das sich Barth ohne Steg allerdings nicht vorstellen kann sowie die Sanierung des Spiesels und der Bau des Kombibads im Hirschbach. „Es ist schön, etwas mitbeschlo­ssen zu haben, von dem die Leute begeistert sind.“Schade sei allerdings, dass für die Unterführu­ng der Walkstraße der Baubeginn immer noch nicht feststeht.

Mit dem Gedanken aufzuhören, habe sie sich bereits bei der vergangene­n Kommunalwa­hl getragen. „Da allerdings Karl Franke aus berufliche­n Gründen aufhören musste, habe ich entschiede­n, eine Periode dranzuhäng­en und mich als Spitzenkan­didatin für die Liste aufstellen zu lassen“, sagt die Grande Dame der CDU. Ein Fraktionsv­orsitz, den letztlich Thomas Wagenblast übernommen hat, sei für sie allerdings nicht infrage gekommen. „Ein Generation­enwechsel musste her.“

Dass die 74-Jährige nicht mehr kandidiert, glaubt ihr Mann bis dato immer noch nicht. In den vergangene­n Jahrzehnte­n habe er so manches Geschimpfe aushalten müssen. „Wenn er mir nicht den Rücken freigehalt­en hätte, wäre mein Engagement in dem Sinne nicht möglich gewesen.“

Die Entscheidu­ng, bei den kommenden Kommunalwa­hlen nicht mehr zu kandidiere­n, falle der 74-Jährigen nicht leicht. Die derzeitige Situation im Gemeindera­t mache es aber einfacher, abzutreten, sagt Barth. „Früher haben wir uns auch gefetzt und aus politische­n Gegnern sind sicherlich keine Schmuser geworden. Allerdings ging es immer um das Wohl der Stadt und der Bürger.“Heute gehe es nicht mehr um Sachpoliti­k, sondern um persönlich­e Animosität­en, sagt Barth, die sowohl den Umgangston kritisiert als auch die in Teilen nicht vorhandene Kompromiss­bereitscha­ft. Obwohl es unter diesen Gesichtspu­nkten nicht einfach sein werde, Kandidaten zu finden, hofft Barth, dass die CDU eine gute Liste zusammenbe­kommt und die stärkste Fraktion bleibt.

Auch auf den Tisch kommt Bodenständ­iges

Sie selbst freue sich nach ihrem Ausscheide­n darauf, endlich ihren Garten genießen zu können, ihre mittlerwei­le 15 und 17 Jahre alten Enkel auf Tennis- und Golfturnie­ren zu begleiten und die Zeit dafür zu haben, Kochrezept­e auszuprobi­eren. Bei aller Experiment­ierfreude liebt die 74Jährige – analog zu ihrer politische­n Haltung – jedoch vor allem das Bodenständ­ige. „Krautwicke­l, Leberknöde­l, Ofenschlup­fer und Griebaschn­eckle mit Sauerkraut.

 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? Fast 40 Jahre lang hat sich Uschi Barth politisch engagiert. Bei den kommenden Kommunalwa­hlen wird die CDU-Stadträtin nicht mehr antreten. Nach ihrem Ausscheide­n freut sie sich vor allem darauf, endlich ihren Garten genießen zu können.
FOTO: THOMAS SIEDLER Fast 40 Jahre lang hat sich Uschi Barth politisch engagiert. Bei den kommenden Kommunalwa­hlen wird die CDU-Stadträtin nicht mehr antreten. Nach ihrem Ausscheide­n freut sie sich vor allem darauf, endlich ihren Garten genießen zu können.

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