Wer Arbeit hat, soll bleiben dürfen
Die Debatte um einen Spurwechsel für abgelehnte Asylbewerber spaltet die Union
– Die Eckpunkte gibt es bereits – und im Herbst will die Bundesregierung ein Einwanderungsgesetz für Fachkräfte vorlegen, das zwischen Arbeitsministeirum, Wirtschaftsministerium und Innenministerium abgestimmt ist. Unstrittig zwischen den Koalitionspartnern ist, dass mit diesem Gesetz festgelegt werden soll, wer eine Chance hat, nach Deutschland einzuwandern. Da geht es um Alter, Fachkenntnisse, Deutschkenntnisse und ein vorliegendes konkretes Arbeitsangebot.
Doch was ist mit Flüchtlingen, die schon in Deutschland sind? Immer wieder machen sich Arbeitgeber dafür stark, dass sie „ihren“Flüchtling behalten dürfen. Der Anteil der Flüchtlinge mit abgeschlossener Berufsausbildung liegt bei rund 20 Prozent.
SPD und FDP halten es für richtig, einen „Spurwechsel“zwischen Asylverfahren und neuem Einwanderungsrecht vorzusehen. Auch der grüne Sozialminister Manfred Lucha aus Baden-Württemberg setzt sich für einen mit einer Stichtagsregelung verbundenen Spurwechsel ein. Das heißt, dass man jene Asylbewerber, die schon länger in Deutschland und gut integriert sind, eine Chance auf Einwanderung haben.
Kauder gegen Spurwechsel
In der Union ist der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) mit der Forderung nach einem Spurwechsel vorgeprescht. Viele Reaktionen darauf waren skeptisch, an vorderster Front von Unionsfraktionschef Volker Kauder. Es sei nicht zielführend, wenn abgelehnte Asylbwerber im Land bleiben könnten, die Arbeit haben. Auch die CSU sprach sich dagegen aus. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte der „Süddeutschen Zeitung“, er lehne es ab, abgelehnten Asylbewerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Sonderregelungen könne er sich nur für den Pflegebereich vorstellen. Und der Wirtschaftsrat der CDU warnt davor, es dürfe keine weiteren Anreize für irreguläre Zuwanderung geben.
Ganz anders hat sich die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz positioniert. Sie kommt aus Baden-Württemberg und kennt den Wunsch aus der Wirtschaft gut, keine gut integrierten Arbeitskräfte wieder abzuschieben. Trotzdem war es eine kleine Überraschung, dass sie klar Stellung bezieht und sich für einen möglichen Spurwechsel ausspricht. Man kann davon ausgehen, dass sie dies nicht ohne Rücksprache mit der Kanzlerin getan hat.
Widmann-Mauz sagt der „Schwäbischen Zeitung“: „Jeder versteht unter dem Schlagwort Spurwechsel etwas anderes. Es muss um Menschen mit Duldung gehen, die bereits hier arbeiten, Deutsch sprechen und sich nichts zu Schulden haben kommen lassen. Sonst schaffen wir einen neuen Einwanderungsweg über das Asylrecht. Wir müssen deshalb im Zuge des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes über eine Stichtagsregelung sprechen für diejenigen, die bereits hier sind.“
Auch Rainer Brüderle, heute Präsident des bpa-Arbeitgeberverbands, der für die privaten Anbieter in der Pflegebranche steht, und ehemals FDP-Vizechef, macht sich für einen Spurwechsel stark. „Wir brauchen diesen Spurwechsel. Denn niemand in Deutschland kann es sich leisten, auf Fachkräfte zu verzichten.“Für Brüderle ist es „ein Unding“, wenn Menschen mitten aus einer Altenpflegeausbildung heraus abgeschoben werden, obwohl überall in der Republik Altenpflegefachkräfte händeringend gesucht werden. „Wer nun weiterhin Menschen abschiebt, die sich in Ausbildung befinden oder hier bereits einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen, der handelt völlig gegen die Interessen unseres Landes.“
Vielleicht aber beruht die heftige Debatte um den sogenannten „Spurwechsel“auch nur auf einem Missverständnis. Schließlich soll nicht generell ermöglicht werden, dass jemand, der in Deutschland Asyl sucht und abgelehnt wird, einen zweiten Anlauf über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz nehmen kann. Sondern es geht nur um die, die schon da sind. Für die werde man über eine Stichtagsregelung reden, so Annette Widmann-Mauz.