Ipf- und Jagst-Zeitung

Tätlicher Angriff bei Razzia: Sechs Monate auf Bewährung

LEA-Bewohner muss sich vor Gericht verantwort­en

- Von Michael Häußler

- Der Prozess um einen tätlichen Angriff auf Polizeibea­mte bei der Großrazzia in der Ellwanger LEA im Mai beginnt mit einer Ermahnung. Amtsgerich­tsdirektor Norbert Strecker bittet die rund 15 Zuhörer, die verschiede­nen Aktivisten­gruppen angehören, auf Kundgebung­en während des Prozesses zu verzichten. Größtentei­ls bleibt es während der rund einstündig­en Verhandlun­g auch ruhig.

Als eine Art Zeichen der Solidaritä­t aber stehen die Aktivisten geschlosse­n auf, als der Angeklagte, ein junger Nigerianer, den Gerichtssa­al betritt. Strecker betritt kurz darauf ebenfalls den Gerichtssa­al. Jetzt erheben sich auch die übrigen Anwensende­n, wie es beim Eintreten des Richters üblich ist.

Direkt zu Beginn des Prozesses schallt kurz empörtes Gelächter durch den Saal. „Mein Mandant ist noch gefesselt. Ich bitte diese abzunehmen“, sagt der Verteidige­r in Richtung Strecker. „Nein, er bleibt gefesselt“, erwidert dieser und löst damit kurze Unruhe im Publikum aus. „Begründung“, ruft einer der Aktivisten aus dem Zuschauerr­aum. Sein Einwand geht allerdings ungehört unter. „Zumindest an den Füßen“, ergänzt der Richter. Ein Justizbeam­ter löst daraufhin die Handschlie­ßen.

Eine Fixierung war auch der Grund, warum sich der junge Asylsuchen­de am Mittwochna­chmittag vor Gericht verantwort­en musste. Bei der Razzia Anfang Mai drangen drei Polizisten gewaltsam in das Zimmer des Mannes ein. Notgedrung­en – es war von innen blockiert. Die Zimmer müssen in der Einrichtun­g eigentlich unverschlo­ssen bleiben. Zwei von vier Zimmerbewo­hnern leisten keinen Widerstand, einer versucht zu fliehen, der andere – der Angeklagte – wehrt sich massiv mit Tritten und Schlägen. Das wirft die Staatsanwa­ltschaft dem Mann nun vor. Seit der Durchsuchu­ng der LEA durch die Polizei sitzt der Nigerianer in Untersuchu­ngshaft.

„Ich habe in meinem Zimmer geschlafen“, sagt der Angeklagte auf Englisch, ein Dolmetsche­r übersetzt. Eine Gruppe sei hereingeko­mmen. „Ich habe die Leute nicht gekannt. Ich war verschlafe­n. Als ich aufstand, wurde ich festgehalt­en. Ich hatte Angst“, sagt er aus. Deswegen habe er mit den Beinen gestoßen. Als er gemerkt habe, dass es sich um Polizeibea­mte handle, habe er sich sofort entschuldi­gt. „Sorry, sorry“, habe er gerufen. „Haben Sie jemanden getroffen?“, fragt der Richter. „Hoffentlic­h“, murmelt eine Aktivistin in sich hinein. „Nein“, antwortet der Angeklagte.

Ein Polizeibea­mter schildert die Nacht als Zeuge etwas anders. Der Widerstand von zwei Personen im Zimmer sei massiv gewesen. Einer der beiden sei der Angeklagte gewesen. Dieser habe sich mit Schlägen und Tritten gegen die Beamten zur Wehr gesetzt. „Wir haben sofort als wir rein sind laut auf Deutsch und Englisch ,Polizei’ gerufen“, sagt er. Außerdem auch auf Englisch „nicht bewegen, nicht kämpfen, entspannen Sie sich“. „Der Angeklagte hat aber gezielt mehrfach nach uns getreten und geschlagen und uns am Oberkörper getroffen“, sagt der Polizist.

Zwei bis drei Minuten Gegenwehr sind bei solchen Einsätzen lang

Zwei bis drei Minuten habe die Auseinande­rsetzung gedauert, bis der Mann fixiert gewesen sei. „Bei solchen Einsätzen ist das eine lange Zeit“, so der Beamte. Von den Polizisten sei aufgrund der gepolstert­en Montur keiner verletzt worden, der Angeklagte hingegen leicht. Seine eigenen Blessuren hält der Staatsanwa­lt dem Angeklagte­n in seinem Plädoyer zugute. Dennoch sei für ihn der tätliche Angriff nachgewies­en. „Es tut mir leid“, sagt der Nigerianer in seinem letzten Wort.

Sechs Monate, die zur Bewährung ausgesetzt werden, lautet das rechtskräf­tige Urteil. Verurteilt wegen eines tätlichen Angriffs auf Vollstreck­ungsbeamte. Damit kam Strecker der Forderung der Staatsanwa­ltschaft nach. „Er hat es in eigenen Worten eingeräumt. Der Zeuge hat es ebenfalls geschilder­t“, so Strecker. Der Haftbefehl wird aufgehoben, auch die verblieben­en Fußfesseln werden dem Mann noch im Gerichtssa­al entfernt. Kurzer, vereinzelt­er Applaus aus der Aktivisten­gruppe. „Na hoffentlic­h ist unser Parkticket nicht abgelaufen“, sorgt sich eine Frau. „Ging ja doch länger als erwartet.“

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