Tätlicher Angriff bei Razzia: Sechs Monate auf Bewährung
LEA-Bewohner muss sich vor Gericht verantworten
- Der Prozess um einen tätlichen Angriff auf Polizeibeamte bei der Großrazzia in der Ellwanger LEA im Mai beginnt mit einer Ermahnung. Amtsgerichtsdirektor Norbert Strecker bittet die rund 15 Zuhörer, die verschiedenen Aktivistengruppen angehören, auf Kundgebungen während des Prozesses zu verzichten. Größtenteils bleibt es während der rund einstündigen Verhandlung auch ruhig.
Als eine Art Zeichen der Solidarität aber stehen die Aktivisten geschlossen auf, als der Angeklagte, ein junger Nigerianer, den Gerichtssaal betritt. Strecker betritt kurz darauf ebenfalls den Gerichtssaal. Jetzt erheben sich auch die übrigen Anwensenden, wie es beim Eintreten des Richters üblich ist.
Direkt zu Beginn des Prozesses schallt kurz empörtes Gelächter durch den Saal. „Mein Mandant ist noch gefesselt. Ich bitte diese abzunehmen“, sagt der Verteidiger in Richtung Strecker. „Nein, er bleibt gefesselt“, erwidert dieser und löst damit kurze Unruhe im Publikum aus. „Begründung“, ruft einer der Aktivisten aus dem Zuschauerraum. Sein Einwand geht allerdings ungehört unter. „Zumindest an den Füßen“, ergänzt der Richter. Ein Justizbeamter löst daraufhin die Handschließen.
Eine Fixierung war auch der Grund, warum sich der junge Asylsuchende am Mittwochnachmittag vor Gericht verantworten musste. Bei der Razzia Anfang Mai drangen drei Polizisten gewaltsam in das Zimmer des Mannes ein. Notgedrungen – es war von innen blockiert. Die Zimmer müssen in der Einrichtung eigentlich unverschlossen bleiben. Zwei von vier Zimmerbewohnern leisten keinen Widerstand, einer versucht zu fliehen, der andere – der Angeklagte – wehrt sich massiv mit Tritten und Schlägen. Das wirft die Staatsanwaltschaft dem Mann nun vor. Seit der Durchsuchung der LEA durch die Polizei sitzt der Nigerianer in Untersuchungshaft.
„Ich habe in meinem Zimmer geschlafen“, sagt der Angeklagte auf Englisch, ein Dolmetscher übersetzt. Eine Gruppe sei hereingekommen. „Ich habe die Leute nicht gekannt. Ich war verschlafen. Als ich aufstand, wurde ich festgehalten. Ich hatte Angst“, sagt er aus. Deswegen habe er mit den Beinen gestoßen. Als er gemerkt habe, dass es sich um Polizeibeamte handle, habe er sich sofort entschuldigt. „Sorry, sorry“, habe er gerufen. „Haben Sie jemanden getroffen?“, fragt der Richter. „Hoffentlich“, murmelt eine Aktivistin in sich hinein. „Nein“, antwortet der Angeklagte.
Ein Polizeibeamter schildert die Nacht als Zeuge etwas anders. Der Widerstand von zwei Personen im Zimmer sei massiv gewesen. Einer der beiden sei der Angeklagte gewesen. Dieser habe sich mit Schlägen und Tritten gegen die Beamten zur Wehr gesetzt. „Wir haben sofort als wir rein sind laut auf Deutsch und Englisch ,Polizei’ gerufen“, sagt er. Außerdem auch auf Englisch „nicht bewegen, nicht kämpfen, entspannen Sie sich“. „Der Angeklagte hat aber gezielt mehrfach nach uns getreten und geschlagen und uns am Oberkörper getroffen“, sagt der Polizist.
Zwei bis drei Minuten Gegenwehr sind bei solchen Einsätzen lang
Zwei bis drei Minuten habe die Auseinandersetzung gedauert, bis der Mann fixiert gewesen sei. „Bei solchen Einsätzen ist das eine lange Zeit“, so der Beamte. Von den Polizisten sei aufgrund der gepolsterten Montur keiner verletzt worden, der Angeklagte hingegen leicht. Seine eigenen Blessuren hält der Staatsanwalt dem Angeklagten in seinem Plädoyer zugute. Dennoch sei für ihn der tätliche Angriff nachgewiesen. „Es tut mir leid“, sagt der Nigerianer in seinem letzten Wort.
Sechs Monate, die zur Bewährung ausgesetzt werden, lautet das rechtskräftige Urteil. Verurteilt wegen eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte. Damit kam Strecker der Forderung der Staatsanwaltschaft nach. „Er hat es in eigenen Worten eingeräumt. Der Zeuge hat es ebenfalls geschildert“, so Strecker. Der Haftbefehl wird aufgehoben, auch die verbliebenen Fußfesseln werden dem Mann noch im Gerichtssaal entfernt. Kurzer, vereinzelter Applaus aus der Aktivistengruppe. „Na hoffentlich ist unser Parkticket nicht abgelaufen“, sorgt sich eine Frau. „Ging ja doch länger als erwartet.“