Der Schatzfund beflügelt die Fantasie
Beim Ellwanger Münzschatz schießen die Spekulationen ins Kraut
- Seit im Juni bekannt wurde, dass in Ellwangen ein Münzschatz gefunden wurde, wird über den Fundort spekuliert. Ob’s bei der Rinderburg war, oder doch bei der Eichkapelle? Eine Bestätigung für die Gerüchte gibt es nicht.
Direkt neben dem Schafhof liegen im Wald die Reste der Rinderburg, nicht mehr als ein paar Erdwälle im Gestrüpp. Zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert war sie eine der größten Wehranlagen im Umfeld von Stadt und Kloster. Nicht weit davon, im Jagsttal, steht seit über 500 Jahren die Wallfahrtskapelle Sankt Maria in der Eich neben einer angeblich heilkräftigen Quelle. Burg und Quellort soll einst ein geheimnisvoller unterirdischer Gang verbunden haben. Ein Platz, wie gemacht für Legenden.
Und ein Ort, der im Zusammenhang mit dem Schatzfund von Ellwangen offenbar die Fantasie beflügelt. In der Stadt geht das Gerücht, dass der Silberschatz aus dem 13. bis 14. Jahrhundert im Umfeld der Eichkapelle gefunden worden sein soll. Der Leiter des Alamannenmuseums Ellwangen, Andreas Gut, kennt die Gerüchte. Schätze, zumal in der Größenordnung der rund 10 000 mittelalterlichen Silbermünzen, die zwei Sondengänger vor Monaten auf der Gemarkung Ellwangen aufgespürt hatten, wirken wie Doping auf die Vorstellungskraft: Uralte Burgen, geheimnisvolle Quellen, ein Geheimgang und ein Schatz – irgendwie müsste das doch alles zusammenhängen.
Jede Münze soll 500 Euro wert sein
Auch der endgültige Handelswert der Münzen und des gefundenen Bronzerings laden zu Spekulationen ein. In der Sondengängerszene will man inzwischen wissen, dass der Marktwert des Fundes, der gleich nach seinem Bekanntwerden vom Ellwanger Pressestaatsanwalt Armin Burger mit „mehreren Hunderttausend Euro“angegeben wurde, deutlich über die erste Schätzung hinausweist. „Man spricht von bis zu 500 Euro pro Silbermünze.“Das würde bei rund 10 000 Münzen einen Batzen Geld ergeben.
Der das sagt, ist Axel Thiel von Kracht, Präsident der Deutschen Sondengänger Union und bestens vernetzt in der verschworenen Gemeinde der Schatzsucher. Die will inzwischen auch erfahren haben, dass die beiden Sondengänger, die die Münzen zunächst gesetzeswidrig für sich behalten haben, Monate nach der Grabung nicht freiwillig auf die Behörden zugegangen sein sollen. „Es heißt, es wäre Erpressung im Spiel“, so Thiel von Kracht. Demnach wollten die Finder, gegen die die Staatsanwaltschaft Ellwangen wegen Unterschlagung ermittelt, einen Käufer suchen, der ihnen die heiße Ware abnimmt. „Der drohte dann wohl, die Schatzsucher anzuzeigen“– vermutlich, um den Preis zu drücken. Aber auch hier gilt: vorerst nichts als Gerüchte. Pressestaatsanwalt Burger kann und will im laufenden Verfahren dazu keine Auskunft geben.
Sicher ist, dass die Ellwanger Stadtverwaltung, unterstützt vom Gemeinderat – in dem auch Burger sitzt –, ein großes Interesse hat, dass der Münzschatz in Ellwangen der Öffentlichkeit präsentiert wird. Andreas Gut bestätigt das: „Wir würden den Münzschatz gerne erst in einer Sonderausstellung im Alamannenmuseum zeigen, danach dauerhaft im Schlossmuseum.“Ein entsprechendes Schreiben von OB Karl Hilsenbek, in dem gleichzeitig angeregt wird, dass im Alamannenmuseum dann auch eine Sonderausstellung zu den Ausgrabungen am Marktplatz gezeigt werden sollte, ging dieser Tage an den Präsidenten des Landesamts für Denkmalpflege, Claus Wolf.
Sondengänger für Entkriminalisierung ihres Hobbys
Der dortige Referent für Mittelalterarchäologie, Jonathan Scheschkewitz, bei dem der Münzschatz auf dem Tisch liegt, lässt unterdessen alle Fragen zum Schatzfund ins Leere laufen. Offenbar will man sich im Landesdenkmalamt für einen Prozess gegen die Finder gut gerüstet wissen, bevor man mit Details an die Öffentlichkeit geht. Denn in der Vergangenheit verliefen vergleichbare Verfahren, wie zuletzt beim sogenannten Barbarenschatz von Rülzheim, meist nicht zur Zufriedenheit der Denkmalbehörden.
Die sind in der Regel nicht nur an einem abschreckenden Urteil interessiert, sondern auch an einer Eigentumszuweisung zu eigenen Gunsten: Stichwort Schatzregal. Damit das Land ein gefundenes Bodendenkmal in Besitz nehmen kann, muss der Fund laut baden-württembergischem Denkmalschutzgesetz „bei staatlichen Nachforschungen“(was in Ellwangen nicht der Fall war) oder in einem Grabungsschutzgebiet (die in Ellwangen, so ein Experte, äußert rar gesät sind) zutage gefördert worden sein oder einen „hervorragenden wissenschaftlichen Wert“aufweisen. Trifft nichts davon zu, gilt die Hadrianische Teilung zwischen Finder und Grundeigentümer. Das Land ginge leer aus.
Dass der Münzfund einen solchen „hervorragenden wissenschaftlichen Wert“hat, kann sich der Schatzsucher Thiel von Kracht indes beim besten Willen nicht vorstellen: „Bei Münzen kommen so gut wie nie neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Vorschein. “Ohnehin plädiert Thiel von Kracht, der in Hessen selbst etwa 150 Funde im Jahr anmeldet, für eine Entkriminalisierung der Sondengänger und für die Einrichtung einer elektronischen „Babyklappe“für gefundene Kulturdenkmäler. Also letztlich für eine Kooperation zwischen Sondengängern und Denkmalämtern.
In einer Datenbank würden Schatzsucher ihre Funde dann selbstständig eintragen und melden. Eine gute Idee – könnte man angesichts chronischer Engpässe der Grabungskapazitäten bei den Denkmalämtern meinen. Das Landesdenkmalamt will von einer solchen Annäherung aber nichts wissen: „Der eigentliche Aussagewert eines Fundes besteht nur in der Kombination von Fundort und -lage“, erklärt Jonathan Scheschkewitz. Diese Informationen gingen bei einer Babyklappe verloren.
Gleichzeitig muss der Experte einräumen, dass dem Amt lediglich zwei bis drei Funde im Jahr gemeldet werden, die nicht bei einer Beauftragung durch das Amt zutage kommen. Die Dunkelziffer, der man mit einer Babyklappe für Schatzfunde auf die Spur kommen könnte, dürfte enorm hoch sein.