Als Ellwangen Eintritt kostete
Nach Einbruch der Dämmerung wurden die Stadttore geschlossen, wer heraus- oder hereinwollte, musste bezahlen
ELLWANGEN - 200 Jahre alt wird die Ipf- und Jagst-Zeitung in diesem Jahr. In dieser Zeit ist in der Stadt viel passiert und noch mehr hat sich verändert. In einer losen Serie erinnern wir an den Alltag von damals.
Na, abends noch Lust auf ein Bier in Ellwangen? Das hätte 1837 zwei Kreuzer Eintritt pro Person gekostet. Denn mit Einbruch der Dämmerung wurden die Stadttore geschlossen. Wer danach heraus oder herein wollte, musste bezahlen.
Die älteste Urkunde, die Stadtarchivar Christoph Remmele dazu gefunden hat, ist von 1639. Damals wurde auf zwei Seiten plus Anhang aufgelistet, wer wie viel zu bezahlen hatte. Eine Person kostete zwei Kreuzer, Pferde, Kühe und Ochsen auch je zwei Kreuzer, ein Kalb, Schwein oder Schaf ein Kreuzer, ein beladener Wagen stolze acht Kreuzer und ein einachsiger Karren vier Kreuzer. Ein teures Vergnügen, schließlich hat ein Handwerker zur damaligen Zeit nur rund 20 Kreuzer am Tag verdient. An diesen Preisen hat sich 200 Jahre lang nichts geändert. In einem anderen Schriftstück von 1837 werden die gleichen Gebühren genannt.
Wie so oft, mussten diejenigen, die eh genug Geld haben, gar nichts zahlen. Das waren die Herrschaften, die Geistlichkeit, Gerichtsherren, Chorherren und deren Bedienstete. Ausgenommen waren aber auch Briefboten, Jäger, Dorfschultheißen sowie Handwerker und Kaminkehrer, aber nur, wenn sie im Auftrag einer Herrschaft unterwegs waren.
Begeistert waren die Bürger und Reisenden von der Zahlungspflicht nicht, weiß Remmele. Es habe immer wieder Proteste gegeben, weil das Tor zu früh geschlossen wurde. 1720 wurden dann die meisten Ausnahmen abgeschafft, dafür musste jetzt aber auch tagsüber bezahlt werden, nämlich ein Kreuzer pro Person. Das war ärgerlich für alle, die morgens in die Stadt in die Kirche wollten. Die Entrüstung war groß, sagt Remmele. Wirte und Handwerker beschwerten sich, dass ihre Geschäfte schlecht gingen, weil die Kundschaft nach Crailsheim weiterziehe, wo sie nicht zahlen musste. Ob die Gebühr dann wieder abgeschafft wurde, ist unklar, darüber geben die Akten im Archiv keine Auskunft.
Gehütet wurden die Stadttore tagsüber von Soldaten, abends und nachts von den Torwarten, darunter war einmal eine Frau. Sie lebten mit ihren Familien im Stadttor. Dort waren auch die Gefängniszellen untergebracht. Gehalt gab’s keins, dafür durften die Torwarte die „Eintrittsgelder“behalten. Das war nicht unbedingt viel und in den Akten finden sich immer wieder bittere Klagen, dass das Geld nicht reiche.
Nicht jedes Tor wurde gleichstark frequentiert
Die Einnahmen variierten auch von Tor zu Tor. Wenig gefragt war das steinerne Tor an der Marienpflege. Weshalb der Stadtrat festlegte, dass die Torwarte von Jagsttor und steinernem Tor alle drei Jahre tauschen sollten. Was aber selten ohne Protest abging.
Später muss sich die Situation entspannt haben. Da wurden die Torwarte nämlich nicht mehr ernannt, sondern konnten sich bewerben. Sie mussten im Jahr 300 Gulden Pacht bezahlen, die Einnahmen mussten also entsprechend hoch gewesen sein. Aber auch darüber findet sich nichts Genaues.
Weshalb die Stadt auch Probleme hatte, nachzuweisen, welche Einnahmen ihr verloren gingen, als Württemberg dem Zollverein beitrat und damit alle Gebühren an den Toren abgeschafft wurden. Schließlich einigte man sich auf eine einmalige Entschädigung von 2700 Gulden.
Dem Zollverein ist das Königreich Württemberg 1834 beigetreten, bis dann die Gebühren an den Stadttoren endgültig abgeschafft waren, vergingen aber noch zwei, drei Jahre. Das weiß Remmele, weil sich im Jahr 1835 noch ein Bürger anonym über das „Blutgeld“beschwert. Was der Gemeinderat kühl konterte, dass der Beschwerdeführer die müßigen Stunden des Tages doch nützlicher gebrauchen sollte als für das Verfassen von Beschwerden.
Schon vor dem Beitritt zur Zollunion war die Stadtmauer immer löchriger geworden. Sie hätte modernen Waffen sowieso nicht mehr standgehalten, sagt Remmele. Um 1820 wurde der Schöne Graben aufgefüllt, um Krautgärten anzulegen. Um dort leichter hinzukommen, brachen die Besitzer selbst Löcher in die Stadtmauer und bauten Türen ein.
Wie viele Stadttore Ellwangen hatte, ist nicht ganz eindeutig. Neben den drei Stadttoren, die bewacht waren, damit nachts noch Leute ein- und ausgehen konnten, gab es weitere, die abends abgesperrt wurden. Ein solcher Zugang war am Priestertörle, ein anderer etwa dort, wo heute die Unterführung zum Drogeriemarkt Müller ist.
Die drei bewachten Stadttore waren
das Jagst- oder Schmiedtor am Ende der Schmiedgasse. Es wurde 1843 abgerissen.
das Schlosstor an der AOK-Kreuzung stand bis 1882.
das steinerne Tor oder Wilhelmstor bei der Marienpflege wurde 1824 durch einen Holzzaun samt Holztor und das Torhaus ersetzt, das bis heute steht.