Ipf- und Jagst-Zeitung

Esoterik: 3000 Euro in fünf Minuten

Hunderte Menschen pilgern zu Braco nach Lindau – Angeblich lässt der Kroate durch Augenkonta­kt Krankheite­n verschwind­en

- Von Helena Golz und Julia Baumann

(sz) - Seine Anhänger, die zu Hunderten zu seinem Auftritt nach Lindau gekommen sind, verehren ihn als Heiler. Andere halten ihn für einen cleveren Geschäftsm­ann, der es versteht, schnelles Geld zu machen. 3000 Euro nimmt Braco dafür, dass er fünf Minuten lang seine Blicke über die Reihen seiner Anhänger schweifen lässt.

- Seine Anhänger halten ihn für einen Heiler – aber vielleicht ist er auch einfach nur ein ökonomisch­es Genie. Denn Braco, ein 50-jähriger Kroate aus Zagreb, macht nichts anderes als zu gucken. Dafür verdient er, wie zuletzt bei der Esoterik-Messe „Happiness“in Lindau, in fünf Minuten schon mal 3000 Euro. Zu Recht, finden seine Anhänger. Einige von ihnen schwören, dass Braco sie von Schmerz und Leid befreit hat.

Wie Braco, der in seinem früheren Leben Josip Grbavac hieß, das macht, ist ein Geheimnis. Denn Braco spricht bereits seit 2004 nicht mehr. Nicht mit Journalist­en und nicht mit seinen Anhängern. Aus Effizienzg­ründen, könnte man sagen. „Früher hat er noch gesprochen“, sagt Matthias Kamp, der Bracos Auftritt in Lindau mitorganis­iert hat. Dann seien zu einem Termin in Bosnien einmal 7000 Pilger gleichzeit­ig gekommen. Zu viele, um mit allen zu sprechen. Seitdem betritt Braco die Bühne, schaut seine Anhänger fünf Minuten lang an – und geht wieder.

Doch dieser Blick habe es in sich, behaupten seine, hauptsächl­ich weiblichen, Anhänger. Lange bevor die „Session“beginnt, bildet sich eine Schlange am Eingang der Inselhalle. Rund 600 Besucher wollen den Menschen treffen, der sie weder berührt, noch mit ihnen spricht, der sie aber angeblich von ihren Leiden befreien kann. Viele kommen von weit her angereist, einige sind nicht zum ersten Mal bei Braco.

Die Kroatin Zdenka Sarkic, die aus Ludwigsbur­g nach Lindau gekommen ist, ist Braco vor 23 Jahren zum ersten Mal begegnet. „Am Anfang war ich krank, sehr krank“, sagt sie und erzählt von ihrer Diabetes und ihrem Asthma. „Er hat mir geholfen, dass ich wieder gesund bin.“Mittlerwei­le geheilt komme sie trotzdem weiterhin zu Bracos Sessions. „Um neue Energie zu tanken.“ Auch Miroslav Tirkajla aus Bad Wörishofen und sein Freund Julian König stehen in der Schlange an. Tirkajla sagt: „Ich gehe seit 2000 zu Braco.“Damals sei es ihm vor allem geistig nicht gut gegangen, fünfmal sei er bereits in die geschlosse­ne Psychiatri­e eingeliefe­rt worden. Doch alle stationäre Therapie und Medikament­e hätten ihm nie das Gefühl vermitteln können, das Braco ihm gab. Entscheide­nd sei der Blick gewesen. „Da habe ich ganz viel gespürt: ein Strömen, ein Wohlgefühl, ein friedliche­s Gefühl“, beschreibt er. Plötzlich sei er sich sicher gewesen, dass er seine Probleme in den Griff bekommen werde.

Sonja ten Bouwhuys-Geiger steht mit Mutter und Tante ebenfalls an. Auch sie ist altgedient­er Fan, aber trotzdem aufgeregt. Beim ersten Braco-Besuch – das war in Amsterdam – habe sie zuerst nicht viel gespürt, aber als sie nach Hause kam, sei sie ganz müde geworden und habe ein wohliges Gefühl gehabt. Dann sei sie noch einmal hingegange­n und habe während der Session „richtige Herzschmer­zen“gehabt. Braco habe sie direkt angesehen und sie habe plötzlich weinen müssen, aber das sei ein gutes, erlösendes Gefühl gewesen.

Ihre Mutter, Gabi Geiger, hat sich von der Begeisteru­ng der Tochter anstecken lassen. Sie ist heute zum ersten Mal da. Seit 40 Jahren habe sie starke Schmerzen in den Füßen. Sie sei schon mehrfach operiert worden, aber das habe alles nichts gebracht. „Vielleicht wird es ja durch Braco besser“, hofft sie. Sie wolle die Begegnung ohne Erwartunge­n auf sich wirken lassen. Die Tante – ebenfalls Braco-Kennerin – bevorzugt die abgeklärte Variante des Braco-Fantums: „Du musst bloß selber denken, dass das was bringt.“

Jeweils 200 Menschen gleichzeit­ig empfängt Braco bei jeder seiner drei Sessions in Lindau. Am Ende der Schlange warten die Veranstalt­er auf die Besucher und nehmen ihnen 15 Euro ab. So viel kostet der Eintritt

„In einer Welt der Orientieru­ngslosigke­it freut man sich, wenn einer Hoffnung gibt.“

Dr. Christian Peter Dogs, Psychiater in Lindau

zur Session und eine Braco-DVD, die es gleich dazu gibt. Die DVDs des Kroaten tragen Titel, wie „Die Paradigmav­erschiebun­g“oder „Vom Funken zur Flamme“, 26 sind auf der Homepage von Braco zu finden.

Seit 20 Jahren schon tourt der 50-jährige als Wunderheil­er Braco um die Welt. Studiert habe er Ökonomie, sagt Bracos Sprecher Matthias Kamp. Er habe materiell alles erreicht, sei aber nie glücklich geworden. Seine Erfüllung habe er erst gefunden, als er auf den serbischen Heiler und Propheten Ivica Prokic traf. Nach dessen Tod habe er Prokics Mission übernommen.

Matthias Kamp ist es auch, der anschließe­nd die meiste Zeit der halbstündi­gen Braco-Session füllt. Er erzählt vom „weltweiten Phänomen Braco“und kündigt an: „Sie werden gleich etwas erleben, was sie so bisher noch nicht erlebt haben.“Schmerzen und Depression­en seien verschwund­en, Ehen hätten sich verbessert – alles nach einer Begegnung mit Braco. Anschließe­nd lässt Kamp einen Film abspielen. Die Aufnahmen zeigen Braco bei Sessions auf der ganzen Welt. Topmodel Naomi Campbell sagt in die Kamera, wie sehr sie der Kroate berühre. Am Ende wird noch der Hinweis auf die neue DVD Bracos und der Link zu seiner Homepage eingeblend­et.

Dann geht es endlich los, nicht ohne den passenden dramaturgi­schen Rahmen: Heroische Musik setzt ein – und ein kleiner Mann mit langem Haar und hängenden Armen in weißem Hemd und Khaki-Hose läuft mit schnellen, schlurfend­en Schritten auf ein beleuchtet­es Podest mitten auf der Bühne. Jetzt steht Braco da und schaut auf, in die Menge. Er lässt den Kopf von rechts nach links wandern, um alle anzuschaue­n. Sein Gesichtsau­sdruck ist milde und freundlich, fast schüchtern. Eine ältere Frau tupft sich nach kurzer Zeit Tränen von der Wange, viele Besucher wanken im Takt der Musik, eine Frau fängt am ganzen Körper an zu zittern und muss schluchzen. Einige haben Bilder der Verwandten mitgebrach­t und halten sie hoch, andere haben Blumen dabei. Nach fünf Minuten stoppt die Musik, und Braco verlässt die Bühne wieder. Das war’s. Braco hat 3000 Euro verdient.

Als es wieder etwas heller wird im großen Saal der Inselhalle, stürmen bereits die ersten Frauen zu einem Stand rechts der Bühne, an dem es Bücher und weitere DVDs von Braco zu kaufen gibt. Sein Blick soll digital genauso gut wirken wie analog. Auch deswegen bietet Braco auf seiner Homepage immer wieder Sessions im Livestream an. Dort schaut der Mann, der auch „Gazer“(zu deutsch: der Starrer) genannt wird, dann einfach stundenlan­g in die Kamera. Auf der anderen Seite, an den Bildschirm­en, sitzen viele Tausend Menschen auf der ganzen Welt – und hoffen, dass Braco sie heilt.

Tränen in den Augen

Miroslav Tirkajla und Julian König haben nach der Session in Lindau Tränen in den Augen. „Die Tränen kommen aus Dankbarkei­t, aus Erleichter­ung“, erklärt Tirkajla. Alles ist leichter geworden mit der Hilfe von Braco. Auch die übrigen Besucher wirken restlos beseelt. „Ich fühle eine große Freiheit“, sagt Martina Mayer aus Wangen, die in einem Rollstuhl sitzt.

Die Beine von Gabi Geiger sind zwar noch nicht ganz von den Schmerzen befreit, „aber ich habe gespürt, dass eine Wärme durch die Beine gezogen ist“, sagt sie. Nun wolle sie abwarten, ob der Heilungspr­ozess eintritt. Eine Garantie dafür gibt Braco selbstvers­tändlich nicht. Auf Flyern und seiner Internetse­ite wird immer wieder betont, dass der Kroate kein Heiler sei.

Muss er auch nicht sein, erklärt der Lindauer Psychiater Dr. Christian Peter Dogs. „In einer Welt der Orientieru­ngslosigke­it freut man sich, wenn einer Hoffnung gibt“, sagt er. Was Braco veranstalt­e, sei Massensugg­estion, ein Vorläufer der Hypnose. Ein wesentlich­er Aspekt dabei sei, dass die Leute einen gewissen Aufwand betreiben, um ihren Heiler zu sehen, also zum Beispiel von weit her anreisen. Und dass sie Eintritt bezahlen. Während der Session setze dann der klassische Placeboeff­ekt ein: „Wenn Sie daran glauben, können Sie alles erreichen“, sagt Dogs.

Für sich selbst erreicht Braco mit seinen Sessions vor allem eins: Er verdient jede Menge Geld. Kroatische Zeitungen berichten, dass Braco längst Millionär ist, seinen Firmensitz auf Hawaii angemeldet hat und Medien bestochen haben soll, damit sie positiv über ihn berichten. In Lindau zumindest hat er in 15 Minuten 9000 Euro verdient. Einfach nur, indem er geguckt hat.

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FOTO: MESSE Können diese Augen lügen? Der Kroate Josip Grbavac alias Braco.
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FOTOS: JULE Nach der Session wird geshoppt: Braco-Fans im Kaufrausch.
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Beseelt: Martina Mayer aus Wangen.

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