Der Schnee von morgen
Bei einem kritischen Blick aus dem Fenster mag es derzeit ein wenig bizarr anmuten, nicht über den Sommer – der ja fast schon Schnee von gestern ist –, sondern über den Winter zu sprechen. Genauer gesagt handelt es sich um den Schnee von morgen, der nach dem Willen so manches Liftbesitzers doch bitte nicht mehr so wetterabhängig sein soll. Gewöhnliche Schneekanonen, zum Beispiel im schönen Tirol, müssen sich an eine Art Reinheitsgebot halten: Kunstschnee darf dort nur aus Trinkwasser gewonnen werden.
Aber weil die Winter warm und der so fabrizierte Schnee oft nicht kalt genug ist, um auch länger liegen zu bleiben, haben findige Chemiker schon vor Jahren Zusatzstoffe entwickelt, um die weiße Pracht auch bei höheren Temperaturen haltbarer zu machen. Die Rede ist nicht etwa von Kalk oder Gips – es geht um sogenanntes Snowmax. Dabei handelt es sich um Eiweißpulver, das von abgestorbenen Bakterien stammt. Ob dieser morbide Stoff das richtige Mittel ist, um der dauernd von Sommerlichkeit bedrohten Wintersportsaison neues Leben einzuhauchen? In Tirol jedenfalls will man das Zeug nicht auf den Pisten haben.
Auch bei uns gibt es ein Reinheitsgebot, nämlich jenes, das einst für Bier ersonnen wurde. Es verhindert in hiesigen Biergärten, dass jemand auf die Idee kommt, die Schaumkronen unserer Gerstensaftgetränke zu manipulieren – etwa damit sie auch bei hellem Sonnenschein steif und fluffig bleiben. Das Bier von morgen soll so sein wie der Schnee von gestern: kalt und vergänglich, wie das Leben selbst. (nyf) untermstrich@schwaebische.de