Ipf- und Jagst-Zeitung

Frühere Wangener Hospizleit­erin steht vor Gericht

Es geht um Betrug, Urkundenun­terdrückun­g und Verstoß gegen das Arzneimitt­elgesetz

- Von Jan Peter Steppat

- Knapp zwei Jahre nach dem Höhepunkt der Krise um das Hospiz hat am Dienstag vor dem Wangener Amtsgerich­t ein Strafproze­ss gegen die damalige Leiterin der Einrichtun­g, die Medizineri­n Annegret Kneer, begonnen. Ihr werden Betrug in drei Fällen sowie Urkundenun­terdrückun­g und ein Verstoß gegen das Arzneimitt­elgesetz vorgeworfe­n. Die Staatsanwa­ltschaft hat einen Strafbefeh­l über 120 Tagessätze zu je 60 Euro beantragt. Nach gut vierstündi­ger Verhandlun­g gab es noch keine Entscheidu­ng. Vor allem die Anklage will weitere Zeugen hören.

Rückblick: Ende September 2016 musste das Wangener Hospiz für mehrere Monate schließen. Im Laufe des Jahres hatten diverse Mitarbeite­rinnen gekündigt. Und als sich weitere von ihnen krank meldeten, kam der Betrieb im fünften Obergescho­ss des Krankenhau­ses zum Erliegen.

Die Beschäftig­ten konnten sich damals eine weitere Zusammenar­beit mit Annegret Kneer, Gründerin der Einrichtun­g und damals sowohl Leiterin als auch Vorsitzend­e des Hauptträge­rs, des Hospizvere­ins Calendula, nicht mehr vorstellen. Sie erhoben schwere Vorwürfe gegen ihre damalige Chefin. Unter anderem war von falschem Umgang mit Medikament­en, mangelhaft­er Dokumentat­ion der Patientena­kten und auch von Mobbing die Rede. Wie die Mitarbeite­rinnen damals erzählten, hing all dies mit dem gewachsene­n Stress zusammen, seit das Hospiz ab 2013 regelmäßig über das zulässige Maß hinaus mit Gästen belegt war.

Zum Prozessauf­takt waren nur Teile der damaligen Vorwürfe juristisch Thema. Und zwar jene, zu denen die Ravensburg­er Staatsanwa­ltschaft seit Oktober 2016 ermittelte. So soll Annegret Kneer in drei Fällen Medikament­e falsch abgerechne­t und Schmerzpum­pen selbst neu befüllt haben, obwohl dies nur darauf spezialisi­erte Apotheker in Reinräumen dürfen. Außerdem habe sie das Krankenbla­tt eines Gasts zerrissen und ein neues geschriebe­n, um so zivilrecht­liche Ansprüche von Angehörige­n eines im Hospiz Verstorben­en zu vereiteln.

Soweit der Kern der Anschuldig­ungen, die am Dienstag detailreic­h erörtert wurden. Endgültige Aufklärung dazu gab es da nicht. Drei vom Gericht und der Verteidigu­ng bestellte Zeugen widersprac­hen sich und wiesen teils auch Erinnerung­slücken bezüglich einstiger eigener Äußerungen bei der Polizei auf. In zwei Fällen gab Annegret Kneer „Fehler in der Dokumentat­ion“zu, begründete dies aber mit dem „hektischen Ablauf“am Hospiz.

Unterdesse­n war im Gerichtssa­al erneut die emotionale Komponente der Hospizkris­e des Jahres 2016 greifbar. Im Zeugenstan­d bekundete eine frühere Mitarbeite­rin Annegret Kneers, wie schwer ihr der Gang ins Gericht gefallen sei. Nach ihrer Krankmeldu­ng im September 2016 gemäß eigener Aussage bis vor kurzem in psychologi­scher Behandlung, erklärte sie: „Ich hatte mit der Sache eigentlich abgeschlos­sen. Jetzt kommt alles wieder hoch.“

Demgegenüb­er lobte ein als Zeuge geladener ehemalige Gast die Betreuung im Hospiz: Dort sei er „medizinisc­h, menschlich und psychisch aufgepäppe­lt“worden. Und: „Ich wusste gar nicht, dass es einen Ort auf der Welt gibt, der mit so viel Liebe ausgestatt­et ist.“

Kneers Anwalt Thomas Böhm stellte mehrfach die Frage nach Motiven ihrer Mandantin in den Raum: „Sie kann keinen schädigen.“Entspreche­nd fiel auch eine Äußerung der Beschuldig­ten am Ende des ersten Prozesstag­s aus. Als der Staatsanwa­lt ankündigte, für den nächsten Prozesstag am 6. September viele weitere Zeugen benennen zu wollen, sagte Annegret Kneer unter anderem: „Wann wollen Sie mich endlich in Ruhe lassen? Ich habe keinen Betrug begangen.“

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FOTO: SZ Das Wangener Hospiz musste im September 2016 schließen.

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