Unter Druck
Für (CDU) ist es die erste große Bewährungsprobe. Betroffen hatte der sächsische Innenminister nach den Vorkommnissen in Chemnitz zur Besonnenheit aufgerufen und Selbstjustiz verurteilt. Die Linkspartei fordert den Rücktritt des 48-Jährigen: Wöller habe „offensichtlich nicht dafür gesorgt, dass die Polizei entsprechend vorbereitet ist“.
Wöller ist noch kein Jahr im Amt, in der sächsischen Landespolitik aber schon lange ein bekanntes Gesicht. Er galt mal als der kommende Mann, der dem früheren Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) hätte gefährlich werden können. Tillich machte den promovierten Volkswirt 2008 zum Kultusminister, ließ ihn dann aber in der Auseinandersetzung um Lehrerstellen am langen Arm verhungern. 2012 warf Wöller als Minister hin und tauchte daraufhin in der Landtagsfraktion ab.
Mit seiner Rückkehr hatte kaum einer gerechnet, doch 2017 berief ihn sein alter Wegbegleiter aus JU-Tagen, Michael Kretschmer, zum Innenminister. Wöller hatte sich bis dahin nicht mit Innenpolitik hervorgetan. Der gebürtige Duisburger gilt als gut vernetzt, aber nicht als einer, der Land und Leute kennt. Nur einmal sorgte er als Sicherheitspolitiker für Aufsehen – durch Abwesenheit. Als im Juli 2015 in seinem Wahlkreis in Freital ein neues Flüchtlingsheim zu Tumulten bei Anwohnern führte, war von Wöller nichts zu hören. Als der damalige Innenminister Markus Ulbig (CDU) sich durch Bürgergespräche mit Hunderten wütenden Freitalern schlagen musste, blieb Wöller fern.
Jetzt gehört er zur Truppe um Kretschmer, die so vieles anders machen will als die vorherige Politik. Kretschmer hat einige seiner langjährigen Parteifreunde zu Ministern gemacht – Wöller gehört zu der Spezialtruppe, mit der Kretschmer die Landtagswahl 2019 gewinnen will. Plötzlich gibt es auch bestürzte Töne aus der Staatsregierung angesichts der Gewalt in Chemnitz, an der neben organisierten Neonazis auch viele Normalbürger beteiligt waren. Das zu sagen überließ Kretschmer freilich seinem Innenminister, während er selbst das Image Sachsens verteidigte. Christine Keilholz