„Menschenwürde ist wichtiger als Geld“
Wohnungslosenhilfe hilft Menschen, die durch Löcher des sozialen Netzes fallen
– Die Frauen und Männer, die in das Haus an der Düsseldorfer Straße – früher hieß dieses Teilstück noch Braunenstraße – kommen, sind bereits durch einige Löcher des sozialen Netzes gerutscht. Sie sind unten angekommen, auf der Straße gelandet. Bei der Wohnsitzlosenhilfe der Caritas können sie nicht nur dringende menschliche Bedürfnisse befriedigen. Sie haben die Chance, hier ihr Leben – zumindest in einem bescheidenden Umfang – wieder auf die Reihe zu bekommen. Die Wohnungslosenhilfe ist ein Bereich der Caritas Ost-Württemberg, die in diesem Sommer ihr 100jähriges Bestehen feiert und die wir aus diesem Grund in einer Serie vorstellen.
Es gibt viele Gründe, warum ein Mensch auf der Straße landen kann, weiß Wolfgang Lohner, der seit 22 Jahren für die Wohnungslosenhilfe in Ostwürttemberg verantwortlich ist. Mietrückstände können dazu führen, dass ein Mensch seine Bleibe verliert, Spannungen in der Familie, Suchtprobleme. Lohners Schützlinge sind zu zwei Dritteln Männer, es sind kaum Migranten unter ihnen. Im Steigen begriffen ist die Zahl der unter 25-Jährigen.
Bei der Wohnungslosenhilfe in Aalen – 150 bis 200 Personen suchen sie im Jahr auf – können sie für zwei Wochen ein Dach über dem Kopf bekommen, um zur Ruhe zu kommen und sich zu sortieren. Wenn sie in Aalen bleiben wollen, können sie für ein Jahr ins betreute Wohnen wechseln. Dort legen sie jedoch nicht die Hände in den Schoß. Sie werden sozialpädagogisch betreut, können die weiteren Ziele abklären, checken, wie ihre Möglichkeiten auf dem Wohnungs- und auf dem Arbeitsmarkt sind.
Erfolgserlebnisse schaffen
Die Hauptaufgabe aber ist, heißt es im Jahresbericht der Wohnungslosenhilfe, die Verhaltensmuster zu durchbrechen, die zum Verlust der Wohnung geführt haben und sie zu ersetzen durch Erfolgserlebnisse in der Alltagsbewältigung, in der Schuldenregulierung, bei der Wohnungssuche oder bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Dadurch lerne der Klient wieder, dass Probleme auch für ihn lösbar seien, wenn er sich ihnen stellt. Lohner schätzt: „Mindestens die Hälfte schafft mit unserer Hilfe eine Verbesserung ihrer Situation!“
Mitten im reichen Deutschland
Dabei klaffen das Bild, das man sich landläufig von einem Wohnungslosen macht, und die Realität weit auseinander. „80 Prozent von ihnen würden Sie auf der Straße gar nicht erkennen“, sagt Lohner, „denn sie sind gepflegt. Nur denen, die das Gefühl für die Körperhygiene verloren haben, sieht man es an.“
Er selbst erlebt seine Klienten als freundlich und entgegenkommend, dankbar dafür, dass man sich ihrer annimmt. Lohner: „Sie sind froh, dass wir uns um sie kümmern!“Sie seien auch nicht aggressiv, denn sie hätten ihre Grenzen bereits ausgetestet. „Aber die haben es richtig nötig. Mitten im reichen Deutschland!“
Ihr größtes Problem sei auch nicht das Geld, hat Lohner beobachtet. „Das sind genügsame, bescheidene Leute.“Was ihnen aber sehr zu schaffen mache, sei die Verachtung, die die Gesellschaft ihnen entgegenbringe, wie sie mit ihnen umgehe.
Arme Menschen, heißt es im Jahresbericht der Wohnungslosenhilfe, seien oft auch psychisch so schwer angeschlagen, dass sie den Spielregeln einer neoliberalen Leistungsgesellschaft nicht mehr folgen könnten.
Sie haben aber auch selbstlose Unterstützer: Seit über 20 Jahren gibt es in Aalen den Freundeskreis für Wohnsitzlose, der das Heim und seine Bewohner tatkräftig unterstützt, bei Anschaffungen etwa oder durch einen Entschuldungsfonds, der beim Aufbau einer neuen Existenz hilft.