Das System Stroll
Bezahlfahrer sind nicht neu in der Formel 1 – für den Sohn ein Team zu kaufen schon
RAVENSBURG (SID/dpa) - Lance Stroll kann charmant plaudern. Aber wenn er zu seinem steinreichen Vater befragt wird, verfinstert sich die freundliche Miene des Rennfahrers meist. Dann zieht Stroll seine buschigen Augenbrauen zusammen, wittert Gefahr und presst nur noch knurrige Antworten heraus. „Ich habe mir diesen Weg nicht erkauft“, sagt Stroll dann oft über seine Karriere in der Formel 1. Stimmt. Es war sein Papa.
Spätestens seit der heute 19-Jährige 2017 bei Williams zum Formel-1Fahrer wurde, fragt sich die Szene, ob der junge Kanadier ohne die Millionen des Herrn Papa jemals eine Chance auf ein Renncockpit bekommen hätte. Dabei ist seine Ausbeute mit 44 Punkten aus 33 Rennen gar nicht so schlecht – und Fahrer, die für ihre Einsätze bezahlen mussten, hat es in der Formel 1 immer gegeben. Selbst Legenden wie Niki Lauda oder Michael Schumacher mussten in Vorkasse gehen, um den Sprung nach ganz oben zu schaffen. Doch der Fall Stroll treibt es auf die Spitze – und macht damit das ganze Dilemma der Formel 1 deutlich.
Wann wechselt Stroll zum Vater?
Das Vermögen von Lance’ Vater Lawrence Stroll wird von „Forbes“auf etwa 2,7 Milliarden Dollar geschätzt, 80 bis 100 Millionen Dollar steckte er dem Vernehmen nach in die Rennsportkarriere des Sohnes. Einst kaufte der Mode-Unternehmer etwa den Prema-Rennstall, damit sein Sohn in der Formel 3 beste Bedingungen haben konnte; auch bei Williams erwarb er Anteile. Nun kaufte Vater Stroll gleich ein ganzes Team: Eine Investorengruppe mit dem Kanadier an der Spitze übernahm zuletzt Force India und rettete den Rennstall so vor der Insolvenz.
„Force India ist von echtem Racer-Geist beseelt, und ich freue mich darauf, das Team auf die nächste Stufe zu heben“, sagt Stroll senior, dessen neues Spielzeug nun unter dem Namen „Racing Point Force India“firmiert. Und es gilt als offenes Geheimnis im Fahrerlager, dass der neue Boss bald seinen Sohn ans Lenkrad lässt. Die Frage ist nur, wann? Vielleicht sogar schon am kommenden Wochenende in Monza (Sonntag, 15.10 Uhr/RTL)?
„Eine Veränderung würde die Zustimmung vieler Seiten bedingen, aber unmöglich ist das nicht“, sagte Teamchef Otmar Szafnauer. Klar ist: Für Lance Stroll wäre ein Wechsel ein Schritt nach vorne – Force India, letzte Saison der beste Rennstall hinter Mercedes, Ferrari und Red Bull, ist auch in diesem Jahr erneut deutlich schneller unterwegs als Williams. „Wir werden sehen, was mein Vater entscheidet. Er ist ein netter Typ, hoffentlich nimmt er mich“, sagt er.
Ein Wechsel zu Force India würde den Fahrermarkt kräftig durcheinanderwirbeln, mit Esteban Ocon (Frankreich) stünde ein aufstrebender Pilot, dessen Talent von den allermeisten Experten als höher eingeschätzt wird als Strolls, dann womöglich plötzlich ohne Cockpit da. „Der Sitz ist vergeben“, verriet Ocon schon jüngst in Spa dem Ferrari-Kollegen Sebastian Vettel. „An wen?“,
„Mein Vater ist ein netter Typ. Hoffentlich nimmt er mich.“ Lance Stroll
fragte Vettel. „Rate mal. An den, der ihn gekauft hat“, entgegnete Ocon. Der Pole Robert Kubica, der seit seinem schweren Rallye-Unfall 2011 keinen Grand Prix mehr gefahren ist, könnte Stroll bei Williams ersetzen.
Das System Stroll stößt zunehmend auf Kritik. Spötter behaupten, die Formel 1 verkomme zu einer Luxus-Mietwagenfirma. „Geld kann kein Talent kaufen“, sagt Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve über seinen Landsmann. Aber es kann den Weg in die Formel 1 ebnen. Während Sebastian Vettel und Lewis Hamilton am Anfang in zugigen Zelten an der Kartstrecke schliefen, schnupperte der kleine Lance die erste PS-Luft auf der Rennstrecke von Mont-Tremblant bei Montreal. Sie gehört seinem Vater.