Ipf- und Jagst-Zeitung

Gegen multiresis­tente Keime hilft nur nachrüsten

Land untersucht Gewässer und Seen nicht – Vierte Reinigungs­stufe filtert auch Mikroplast­ik und Hormone aus

- Von Michael Häußler

- Ein bisschen abseits auf dem Gelände der Kläranlage Schönau bei Ellwangen steht das sogenannte Nachklärbe­cken. Klares Wasser fließt an den Seiten entlang und anschließe­nd in die Jagst. Es hat zuvor die drei Reinigungs­stufen der Anlage durchlaufe­n – und ist jetzt sauber. Sauber, aber nicht keimfrei. Denn das wäre, zumindest nahezu, nur mit einer weiteren Reinigungs­stufe möglich.

So lange fließen multiresis­tente Keime (MRE), Hormone (Rückstände der Antibabypi­lle) und Mikroplast­ik in die Flüsse. „Mit der vierten Stufe würde man, beispielsw­eise über einen Aktivkohle­filter, den größten Teil von diesen Rückstände­n herausbeko­mmen“, sagt Hubert Traub, Betriebsle­iter der Anlage und Abwasserme­ister der Stadt Ellwangen. Ein „Hexenwerk“, wie er sagt, wäre die Nachrüstun­g nicht – notwendig sei sie auch.

Denn zunehmend gelangen diese Art von Keimen und weitere Stoffe in unsere Gewässer. MRE gelangen vor allem über Arzneimitt­elreste in Ausscheidu­ngen ins Abwasser. Auch über Gülle und Mastbetrie­be, die ihren Tieren Antibiotik­a verabreich­en. Für Ärzte sei es mittlerwei­le wichtig, sorgfältig abzuwägen, ob ein Antibiotik­um verordnet werden muss. Mikroplast­ik wird zum Teil in Duschgels eingesetzt. Schlussend­lich landet alles in den Gewässern.

13 Kläranlage­n im Land sind schon nachgerüst­et worden

„Manche Anlagen haben diese vierte Reinigungs­stufe schon. Man weiß, wie es geht“, sagt Traub. 13 Kläranlage­n sind im Land laut Umweltmini­sterium bereits nachgerüst­et worden. Weitere 14 seien bereits in Planung oder im Bau. Allerdings gebe es keine Gesetzgebu­ng zu Grenzwerte­n von beispielsw­eise Mikroplast­ik oder multiresis­tenten Keimen, so Traub. Somit auch keine Proben, die in Gewässern oder Badeseen genommen würden. „Ohne Grenzwert und entspreche­ndes Gesetz wird auch nicht nachgerüst­et. Sonst gibt es womöglich ein Gesetz und dann stimmen die Werte nicht. Dann müssten wir erneut umrüsten“, so der Betriebsle­iter.

Ein Gesetz gibt es zwar nicht, weswegen auch keine Untersuchu­ngen des Landes auf beispielsw­eise multiresis­tente Keime vorgenomme­n werden. Eine Leitlinie allerdings schon – wenn auch eine etwas kryptische. So schreibt das badenwürtt­embergisch­e Ministeriu­m für Umwelt auf Nachfrage, dass eine Spurenstof­feliminati­onsleistun­g, so der Begriff für den Vorgang der vierten Reinigungs­stufe, von 80 Prozent für bestimmte Leitparame­ter erreicht werden solle.

Die Politik müsste reagieren, so Traub weiter. „Deutschlan­d ist immer Vorreiter in solchen Dingen – und Vorbild.“Und sinnvoll sei diese Reinigungs­stufe. „Mikroplast­ik zum Beispiel ist weltweit ein Problem. Das gehört überhaupt nicht ins Wasser. Das muss unbedingt raus.“Auch die Rückstände aus der Antibabypi­lle hätten Einfluss auf die Natur. „Die Fische nehmen das auf. Deswegen gibt es in den Flüssen und Bächen mittlerwei­le mehr weibliche als männliche Fische“, erklärt der Abwasserme­ister.

Für diejenigen, die gerne Fisch essen, gibt es allerdings Entwarnung. Tiere könnten die Keime zwar aufnehmen. Beim Kochen würden sie aber abgetötet, schreibt Professor Ulrich Solzbach, der ärztliche Direktor des Ostalb-Klinikums Aalen, auf Anfrage der „Ipf- und Jagst-Zeitung“/ „Aalener Nachrichte­n“.

Sicherlich würde eine solche Nachrüstun­g viel Geld kosten, sagt Traub. Allerdings fördert die badenwürtt­embergisch­e Landesregi­erung einen solchen Ausbau. Traub: „Die Abwasserre­inigung ist die größte Errungensc­haft der Menschheit in Sachen Hygiene und Sauberkeit.“Hygiene spielt auch eine wichtige Rolle, wenn Menschen in Oberfläche­ngewässern wie Bächen, Flüssen oder Seen baden, schreibt Professor Solzbach in seinen Antworten. Vor allem Kinder, die mit Schlamm spielen, sollten danach gründlich die Hände mit Seife waschen.

Menschen mit offenen Wunden oder Immunschwä­che sollten ganz auf das Baden in solchen Gewässern verzichten. Die Keime könnten in den Körper gelangen, schwere Infektione­n verursache­n und seien nur schwer zu behandeln.

Gesunden Menschen würden die multiresis­tenten Keime nichts ausmachen, so Solzbach. Die Bakterien könnten sich zwar auf dem Körper ansiedeln, in der Regel aber ohne krank zu machen. Beim Schlucken von belastetem Wasser würde die Magensäure eine Infektion verhindern. Multiresis­tente Keime würden laut des Mediziners vermehrt nach starken Regenfälle­n auftreten. Denn dann würden Keime aus mit Gülle gedüngten Feldern in die Gewässer geschwemmt.

Wie der Internist und Kardiologe weiter mitteilt, laufe derzeit eine große Studie der Universitä­t Bonn. Diese erfasse in großem Stil Vorkommen von multiresis­tenten Keimen in Gewässern, Abwässern und Badegewäss­ern. Auch würden die Forscher untersuche­n, wie eine solche Belastung zu reduzieren wäre. Das Ergebnis ist laut Solzbach im Frühjahr 2019 zu erwarten.

 ?? MICHAEL HÄUSSLER ?? Hubert Traub, Betriebsle­iter der Kläranlage, am Nachklärbe­cken in der Kläranlage Schönau bei Ellwangen.
MICHAEL HÄUSSLER Hubert Traub, Betriebsle­iter der Kläranlage, am Nachklärbe­cken in der Kläranlage Schönau bei Ellwangen.

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