Gegen multiresistente Keime hilft nur nachrüsten
Land untersucht Gewässer und Seen nicht – Vierte Reinigungsstufe filtert auch Mikroplastik und Hormone aus
- Ein bisschen abseits auf dem Gelände der Kläranlage Schönau bei Ellwangen steht das sogenannte Nachklärbecken. Klares Wasser fließt an den Seiten entlang und anschließend in die Jagst. Es hat zuvor die drei Reinigungsstufen der Anlage durchlaufen – und ist jetzt sauber. Sauber, aber nicht keimfrei. Denn das wäre, zumindest nahezu, nur mit einer weiteren Reinigungsstufe möglich.
So lange fließen multiresistente Keime (MRE), Hormone (Rückstände der Antibabypille) und Mikroplastik in die Flüsse. „Mit der vierten Stufe würde man, beispielsweise über einen Aktivkohlefilter, den größten Teil von diesen Rückständen herausbekommen“, sagt Hubert Traub, Betriebsleiter der Anlage und Abwassermeister der Stadt Ellwangen. Ein „Hexenwerk“, wie er sagt, wäre die Nachrüstung nicht – notwendig sei sie auch.
Denn zunehmend gelangen diese Art von Keimen und weitere Stoffe in unsere Gewässer. MRE gelangen vor allem über Arzneimittelreste in Ausscheidungen ins Abwasser. Auch über Gülle und Mastbetriebe, die ihren Tieren Antibiotika verabreichen. Für Ärzte sei es mittlerweile wichtig, sorgfältig abzuwägen, ob ein Antibiotikum verordnet werden muss. Mikroplastik wird zum Teil in Duschgels eingesetzt. Schlussendlich landet alles in den Gewässern.
13 Kläranlagen im Land sind schon nachgerüstet worden
„Manche Anlagen haben diese vierte Reinigungsstufe schon. Man weiß, wie es geht“, sagt Traub. 13 Kläranlagen sind im Land laut Umweltministerium bereits nachgerüstet worden. Weitere 14 seien bereits in Planung oder im Bau. Allerdings gebe es keine Gesetzgebung zu Grenzwerten von beispielsweise Mikroplastik oder multiresistenten Keimen, so Traub. Somit auch keine Proben, die in Gewässern oder Badeseen genommen würden. „Ohne Grenzwert und entsprechendes Gesetz wird auch nicht nachgerüstet. Sonst gibt es womöglich ein Gesetz und dann stimmen die Werte nicht. Dann müssten wir erneut umrüsten“, so der Betriebsleiter.
Ein Gesetz gibt es zwar nicht, weswegen auch keine Untersuchungen des Landes auf beispielsweise multiresistente Keime vorgenommen werden. Eine Leitlinie allerdings schon – wenn auch eine etwas kryptische. So schreibt das badenwürttembergische Ministerium für Umwelt auf Nachfrage, dass eine Spurenstoffeliminationsleistung, so der Begriff für den Vorgang der vierten Reinigungsstufe, von 80 Prozent für bestimmte Leitparameter erreicht werden solle.
Die Politik müsste reagieren, so Traub weiter. „Deutschland ist immer Vorreiter in solchen Dingen – und Vorbild.“Und sinnvoll sei diese Reinigungsstufe. „Mikroplastik zum Beispiel ist weltweit ein Problem. Das gehört überhaupt nicht ins Wasser. Das muss unbedingt raus.“Auch die Rückstände aus der Antibabypille hätten Einfluss auf die Natur. „Die Fische nehmen das auf. Deswegen gibt es in den Flüssen und Bächen mittlerweile mehr weibliche als männliche Fische“, erklärt der Abwassermeister.
Für diejenigen, die gerne Fisch essen, gibt es allerdings Entwarnung. Tiere könnten die Keime zwar aufnehmen. Beim Kochen würden sie aber abgetötet, schreibt Professor Ulrich Solzbach, der ärztliche Direktor des Ostalb-Klinikums Aalen, auf Anfrage der „Ipf- und Jagst-Zeitung“/ „Aalener Nachrichten“.
Sicherlich würde eine solche Nachrüstung viel Geld kosten, sagt Traub. Allerdings fördert die badenwürttembergische Landesregierung einen solchen Ausbau. Traub: „Die Abwasserreinigung ist die größte Errungenschaft der Menschheit in Sachen Hygiene und Sauberkeit.“Hygiene spielt auch eine wichtige Rolle, wenn Menschen in Oberflächengewässern wie Bächen, Flüssen oder Seen baden, schreibt Professor Solzbach in seinen Antworten. Vor allem Kinder, die mit Schlamm spielen, sollten danach gründlich die Hände mit Seife waschen.
Menschen mit offenen Wunden oder Immunschwäche sollten ganz auf das Baden in solchen Gewässern verzichten. Die Keime könnten in den Körper gelangen, schwere Infektionen verursachen und seien nur schwer zu behandeln.
Gesunden Menschen würden die multiresistenten Keime nichts ausmachen, so Solzbach. Die Bakterien könnten sich zwar auf dem Körper ansiedeln, in der Regel aber ohne krank zu machen. Beim Schlucken von belastetem Wasser würde die Magensäure eine Infektion verhindern. Multiresistente Keime würden laut des Mediziners vermehrt nach starken Regenfällen auftreten. Denn dann würden Keime aus mit Gülle gedüngten Feldern in die Gewässer geschwemmt.
Wie der Internist und Kardiologe weiter mitteilt, laufe derzeit eine große Studie der Universität Bonn. Diese erfasse in großem Stil Vorkommen von multiresistenten Keimen in Gewässern, Abwässern und Badegewässern. Auch würden die Forscher untersuchen, wie eine solche Belastung zu reduzieren wäre. Das Ergebnis ist laut Solzbach im Frühjahr 2019 zu erwarten.