Chaostage nach dem Urlaub vermeiden
Klare Vertretungsregelungen helfen, die Abwesenheit zu überbrücken und garantieren echte Erholung
Sommer, Sonne und dann der Schock: Den erleben manche Mitarbeiter, wenn sie aus dem Urlaub zurückkommen. Das E-MailFach ist am Überquellen und auf dem Schreibtisch häufen sich Telefonnotizen von Kollegen. Auf jedem zweiten steht ‚dringend‘ und fast alle EMails sind mit dem Hinweis ‚hohe Priorität‘ gekennzeichnet. Bei einer solchen Rückkehr ist es schnell vorbei mit der Erholung. Das muss nicht sein, denn es geht auch anders, wenn die Vertretung gewissenhaft organisiert ist.
Ausschalten und abschalten
Früher war das normal, heute nicht mehr, weil die meisten denken: wenn etwas ist, bin ich ja am Handy erreichbar. „Statt ausschalten können sie dann nicht abschalten“, sagt Dr. Tim Hagemann, Professor für Arbeits-, Organisations- und Gesundheitspsychologie an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld. Dabei ist die Studienlage eindeutig. Bei Menschen, die weniger Urlaub machen und sich nicht erholen, ist das Risiko eines Herzinfarkts viel höher als bei Arbeitnehmern, die regelmäßig und gründlich ausspannen. „Dabei hilft eine Urlaubsvertretung, denn die entlastet von der Arbeit und macht die Rückkehr einfacher“, sagt Hagemann. Und dazwischen kann man sich erholen.
Es gibt Berufe, in denen Vertretungsregelungen schon aufgrund der Tätigkeit notwendig sind – etwa in der Medizin oder Pflege. In anderen Berufen ist es eine Frage der Unternehmenskultur, ob man sich gegenseitig hilft. „Ich rate generell zu gegenseitigen Vertretungsregelungen, denn das entlastet die Mitarbeiter, weil sie ruhigen Gewissens weg sein können“, so Hagemann. Eine eindeutige Vertretungsorganisation bringt zudem extern Vorteile, weil dann Kunden stets kompetente Ansprechpartner haben und nicht vom unwissenden Hinz zum ratlosen Kunz verbunden werden. Selbstverständlich sollten die Mitarbeiter, die sich vertreten, ähnliche Aufgaben haben.
Vertretung bedeutet Mehrarbeit. Einen Anspruch auf Bezahlung dieser Zeit gibt es üblicherweise nicht. „Es ist eine menschliche Form der Gegenseitigkeit, dass man sich unterstützt“, sagt Hagemann. Dabei sind jedoch formelle Regeln zu beachten: Es ist zum Beispiel unangemessen, seinem Kollegen unbearbeitete Arbeitspakete auf den Tisch zu knallen und dann in den Urlaub zu verschwinden.
Vertretung ist eine Frage der Fairness und bedeutet inhaltlich, gegenüber Dritten auskunftsfähig zu sein. Etwa Kunden über den Stand eines Projektes zu informieren. Meistens funktioniert das, manchmal nicht. Der Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes kann nicht sagen, dass der Ausgeschlossene drei Wochen warten soll, bis der zuständige Kollege aus dem Urlaub zurück ist.
Dass Menschen unterschiedlich sind – der eine penibel, der andere chaotisch – ist kein Problem, wenn sie sich gegenseitig vertreten sollen. „Denn es geht nicht darum, wie einer den anderen vertritt, sondern dass er ihn vertritt“, stellt Hagemann klar. Am besten, man schafft eindeutige Strukturen, besser noch, sie sind Teil der Unternehmenskultur. Die kann beinhalten, dass Kundenanfragen via E-Mail innerhalb von 24 Stunden beantwortet werden. Wie die Vertretung dann antwortet, ist allein deren Sache, denn vorschreiben funktioniert unter Kollegen nicht. Das macht nur miese Stimmung.
Abwesenheit ankündigen
Hagemann rät dazu, seine Übergabe so zu organisieren, als wenn man während seiner Abwesenheit nicht erreichbar wäre. So, als ob es weder Handy noch E-Mail gäbe. Die Vorbereitungen sollten etwa zwei Wochen davor beginnen, indem wichtige externe Ansprechpartner informiert werden. Checklisten helfen dabei, dass man möglichst nichts vergisst, und sie erinnern einen daran, dies oder jenes termingerecht zu erledigen. „Man sollte sich aber nichts vormachen und im Klaren darüber sein, dass man nicht alles erledigen kann“, so Hagemann. Anhand der Listen weiß man allerdings, wie weit man gekommen ist. Diesen Status notiert man sich und kann mithilfe der Notizen nach dem Urlaub den Faden wieder aufnehmen, ohne sich zeitaufwendig einzuarbeiten. Zwei Tage vor dem Urlaub macht man das Übergabegespräch mit dem Kollegen.
Und falls der doch nach einer Handynummer fragt, nur für den Notfall? Hagemann kennt eine Antwort: „Man sollte sich und seine Arbeit nicht so wichtig nehmen, denn jeder ist zu ersetzen.“Das zeige sich immer dann, wenn jemand wegen Krankheit ausfällt. „Dann läuft auch alles weiter, ohne dass man beim Kranken nachfragen kann.“
Hagemann hofft, dass wir die Möglichkeiten der neuen Kommunikationstechnologien nicht als unabdingbar hinnehmen und bald Regeln finden, mit ihnen vernünftig umzugehen. Denn Erholung ist für Gesundheit und Leistung wichtig. Wer aber ständig erreichbar ist, lebt gefährlich.