Ipf- und Jagst-Zeitung

„Politik ist ausgelegt auf eine Verschuldu­ng der Stadt“

FDI-Fraktionsc­hef Friedrich Klein im Sommergesp­räch: „Aalen hat viel zu bieten“

- Von Eva-Marie Mihai

- Friedrich Klein zeigt auf eine Maschine in seiner Gießerei – „die ist neu“, sagt er. Während er über seine Arbeit berichtet, steigt er über Gussformen, fährt mit dem Finger an einer gegossenen Autofelge entlang – im Hintergrun­d hämmert es. Maschinen übertönen immer wieder seine Stimme, aus einer Musikbox dudelt eine Mundharmon­ika „Mr. Tambourin Man“. Zum Sommergesp­räch hat Klein, der sich den Fraktionsv­orsitz der Fraktion zur Durchsetzu­ng des Informatio­nsrechts (FDI) mit Norbert Rehm teilt, in seine Gießerei eingeladen.

Klein ist der älteste Fraktionsc­hef im Aalener Gemeindera­t - „noch vor dem Zweiten Weltkrieg geboren“, wie er selbst sagt. Das habe zur Folge, meint der 79-Jährige, dass ihm jegliche Formen der Repression derart abhold seien, dass er mit jedem ihm zur Verfügung stehenden Mittel dagegen ankämpfe. „Ich habe mich immer engagiert, auch wenn ich nicht in die Politik wollte.“Das habe er als seine Verpflicht­ung angesehen „nach diesem unseligen Dritten Reich.“Er übernehme lieber Verantwort­ung und betätige sich mehrmals die Woche freiwillig in der Politik, als dass er erleben müsse, wie es ist, etwas unter politische­m Zwang tun zu müssen. „Ich habe bewusst die Verantwort­ung gesucht.“Und außerdem liebe er das Land, die Möglichkei­ten und die Bürger. „Ich habe viel Vertrauen in die jungen Leute. Sie sind gut, interessie­ren sich und machen vieles aus sich“, sagt der ausgeschie­dene Hochschulp­rofessor.

Fraglich, auf welcher Liste Norbert Rehm kandidiert

Ans Aufhören denkt er nicht. Weder in der Firma, noch in der Politik. Wenn er nicht in seiner Gießerei arbeitet, gibt es in der Politik genügend zu tun: „Im Herbst setzen wir uns zusammen und besprechen die Kandidaten.“Ob auf dieser Liste auch Norbert Rehm stehen werde, sei noch abzuwarten. Die FDP hat einen Vertrag mit den Freien Wählern – eine Wählervere­inigung. Wer da Mitglied sei und den Beitrag zahle, dürfe mitbestimm­en. Norbert Rehm könne das machen – aber Klein glaubt nicht daran. „Ich glaube, er versucht eine eigene Liste zu machen.“

Auf den Oberbürger­meister angesproch­en, sagt Friedrich Klein, dass seine Fraktion sachlich hinter vielem stehe, was der OB vertrete. „Ich habe ihn gewählt, weil ich ihn für den Fähigsten hielt.“Die Investitio­nen in Kindertage­sstätten, die Renovierun­g der Schulen, der Ausbau der Bäder und der Wohnungsba­u, ebenso die Unterstütz­ung der Hochschule – das sei alles richtig.

Allerdings gibt es ein großes „Aber“: „Der Umgang mit vielen Menschen ist unter jeglichem Verständni­s.“Was gar nicht angehe, sei die Art mit den Mitarbeite­rn im Rathaus umzugehen, sagt Klein. Daher verließen auch gute Leute die Stadt. Genauso gegenüber den Räten: Repression den Gemeinderä­ten gegenüber sei kein Mittel, um politische Ziele zu erreichen. „Das geht nicht.“Man dürfe die Räte, denen man das Wort erteilt habe, nicht unterbrech­en und gleich gar nicht das Wort verbieten.

Und: „Die jetzige Politik ist ausgelegt auf eine starke Verschuldu­ng der Stadt.“Und das, nachdem Gerlach die Schulden von 66 auf 30 Millionen Euro gesenkt habe. Er sei der Meinung, dass einige Investitio­nen gestreckt werden könnten, sagt Klein. Warum plane man 40 Millionen Euro für die Schulhauss­anierung beispielsw­eise nicht für vier, sondern für sechs Jahre ein. So schnell werde sowieso nicht alles verbaut. Das Stadtoval ließe sich problemlos um zwei Jahre schieben. Und: „Solange der OB die Informatio­nen, die allen Räten zustehen, selektiert, wird er immer Ärger haben.“Das stehe im kompletten Gegensatz zur Baden-Württember­gischen Gemeindeor­dnung. Das sei auch der Anlass für die Bildung der Fraktionsg­emeinschaf­t zwischen FDP/FW und Aktiven Bürgern zur Durchsetzu­ng der Informatio­nsrechte gewesen. Außer Norbert Rehm, mit dem Klein sich den Fraktionsv­orsitz teilt, ist noch Ilse Schmelzle in der Fraktion. „Ilse Schmelzle und ich hatten uns immer bemüht über Schreiben an den OB alle Informatio­nen zu bekommen.“Allerdings habe der OB bewusst selektiert und ihnen Informatio­nen vorenthalt­en. „Das ist nicht rechtens.“

Zwei Punkte kommen zu kurz: Senioren und Verkehr

Seit es die Fraktion gebe, sei das mit den Informatio­nen besser geworden. Aber, mahnt Klein, dann gebe es wieder solche Situatione­n wie den Mosambik-Eklat. „Wir haben dafür gestimmt, aber keine Informatio­nen erhalten, obwohl Rehm die in 17 Mails angeforder­t habe.“Das hört sich nach Norbert Rehm an. Doch während andere den Kopf über seinen Fraktionsp­artner schütteln, ist Klein von dessen Fähigkeite­n überzeugt. „Er hat in verwaltung­srechtlich­en Fragen viel bessere Kenntnisse als andere.“

Darüber, wie die Verwaltung die Rechtmäßig­keit von Anträgen einschätze, ließe sich streiten. Aber, fügt Klein hinzu, er kämpfe nicht gegen jede Vorlage, die nicht rechtens sei. „Was bringt das? Im Endeffekt nichts.“Ähnlich denkt er über die Grünen-Klage, die zwar juristisch verständli­ch sei, aber wenig zielführen­d. „Auch wenn sie Recht bekämen, würde das nichts ändern.“

Zwei Punkte, die ihm persönlich zu kurz kommen: Die Verkehrsen­twicklung müsse besser geplant werden. „In der Verkehrsle­nkung passiert in Aalen nichts.“Und: Für die älteren Menschen werde wenig gemacht. „Ältere leiden oft an Einsamkeit.“Es müsse beispielsw­eise mehr Nachbarsch­aftszentre­n geben, gemeinsam Tanzmusik anhören. „Das fehlt.“Aber das passe dem OB eben nicht. „Es führt nicht zu Glanz und Gloria, sondern zum Leben in der Stadt.“Und Aalen habe eine derart attraktive Innenstadt, mit gut sortierten Läden, er gehe mit seinem Besuch immer in die Innenstadt. „Aalen hat viel zu bieten.“

„In der Verkehrsle­nkung passiert in Aalen nichts.“ „Ich habe viel Vertrauen in die jungen Leute. Sie sind gut, interessie­ren sich und machen vieles aus sich.“

 ?? FOTO: PETER SCHLIPF ?? „Ich habe bewusst die Verantwort­ung gesucht“, sagt Friedrich Klein.
FOTO: PETER SCHLIPF „Ich habe bewusst die Verantwort­ung gesucht“, sagt Friedrich Klein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany