Hinter den Kulissen der Bürgergarde
Ellwanger Bürgergarde feiert 60-jähriges Bestehen – Tradition reicht bis in die Zeiten der Fürstpröpste
Zum 60-jährigen Jubiläum blickt die Garde auf ihre Geschichte zurück.
- Die Ellwanger Bürgergarde ist aus dem öffentlichen Leben der Stadt nicht wegzudenken. Vor 60 Jahren ist die Garde neu gegründet worden. Die Ellwanger Truppe kann aber auf eine Geschichte zurückblicken, die bis ins Jahr 1756 reicht.
Eberhard Veit hat die Geschichte der Ellwanger Bürgergarde von Anfang an miterlebt. Die Initiative zur Wiedergründung der Wehr im Jahr 1958 sei vom damaligen Bürgermeister Alois Rothmaier ausgegangen, erinnert er sich. In Oberschwaben, woher Rothmaier stammte, habe es eine ungebrochene Tradition der Bürgergarden gegeben. Das Landestreffen der Bürgerwehren, das 1957 in Crailsheim stattfand, habe den Gedanken weiter befeuert.
Das stieß nicht überall auf Gegenliebe. Im Ellwanger Gemeinderat habe es Leute gegeben, die nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges nichts mehr mit Uniformen anfangen konnten, sagt Eberhard Veit. Bei der Ellwanger Schützengilde fiel der Gedanke jedoch auf fruchtbaren Boden. Vor allem Hans-Karl Stengle, „damals der Wortführer der jungen Schützen“, wie Veit weiß, setzte sich sehr für die Neugründung der Bürgergarde ein. Am 13. Oktober 1958 fand die Gründungsversammlung statt. Stengle wurde zum Kommandanten gewählt und behielt dieses Amt über 40 Jahre lang bis 1999. Beim Kalten Markt 1959 trat die Garde dann erstmals öffentlich in einer Stärke von 30 Mann auf.
Garde fand schnell Zulauf
In den Jahren nach der Gründung entwickelte sich die Garde sehr schnell. 1960 wurde die Fahne geweiht, 1964 kam die Reiterei unter der Leitung von Willy Müller, damals Lehrer beim Ellwanger Reit- und Fahrverein, hinzu. Mitte der 80er Jahre erhielt die Garde ihre Kanone als „letzten Baustein“, so der heutige Kommandant Hans Peter Schmidt. 1984 zog die Garde dann in ihr heutiges Domizil, das Türmle in der Aalener Straße.
Für die Gestaltung der Uniformen griff die junge Garde auf eine Zeichnung des Land- und Stadtbaumeisters Arnold Friedrich Prahl zurück, die heute im Stadtarchiv aufbewahrt wird. Die Farben Rot und Blau der Uniformen lehnen sich an die Farben des Ellwanger Stadtwappens an. Ungewöhnlich ist, dass auch die Infanteristen der Garde hohe Lederstiefel tragen – dies sei sonst den Reitern vorbehalten, sagt Veit. Das hätten die Gardisten dem Stadtobersekretär Willi Ihle zu verdanken, der aus der „Lederstadt“Backnang kam. Er habe das Leder für die Stiefel besorgt.
Die Bewaffnung der Bürgergarde besteht zumeist aus Steinschlossgewehren des frühen 19. Jahrhunderts. Damit sei es jedoch „außerordentlich schwierig“gewesen, Salut zu schießen, erinnert sich Eberhard Veit. Auf seinen Geschäftsreisen in den Orient fand Veit, der lange Jahre in Ellwangen ein Teppich- und Antiquitätengeschäft betrieb, die Lösung: In Afghanistan entdeckte er in den 70er Jahren einige Gewehre aus den Beständen der britischen Expeditionsarmee, die 1842 in der Schlacht am Khaiberpass von den Afghanen aufgerieben worden war. Veit erinnert sich, dass er einige Gewehre den Afghanen quasi „von der Schulter weggekauft“habe. Das Perkussionsschloss dieser Gewehre erlaubte eine vereinfachte Zündung. Somit kann die Garde seit Mitte der 70er Jahre auch Salut schießen. „Daran bin ich schuld“, bekennt Veit lachend.
Dem Fürstpropst zur Ehre
Die Tradition der Wehr bezieht sich auf die Bürgergarde, die 1756 zur Inthronisation von Fürstpropst Anton Ignaz Fugger (1711 bis 1787) aufgestellt wurde. Die Truppe bestand aus 80 Mann, allesamt „Söhne der städtischen Bürger“. Diese Wehr habe ausschließlich zu Repräsentationszwecken gedient, betont Veit.
1803, nach den Eroberungszügen Napoleons I., wurde das Gebiet der Fürstpropstei dem Königreich Württemberg zugeschlagen. Laut Eberhard Veit sollten die Bürger damals entwaffnet werden. Erst im Jahr 1824 wird die Wehr wieder im Tagebuch eines Ellwanger Bäckermeisters erwähnt. „Die Bürgerwehr ist wie früher an Fronleichnam mitmarschiert und hat ihre Salve geschossen“, heißt es. Zwei Jahre später gab sich die Garde ein neues Statut als bürgerliche Schützenkompanie. Sie erhielt auch eine neue Uniform. An die Stelle des Dreispitzes als Kopfbedeckung trat der damals modernere Tschako.
Die Unruhe des Revolutionsjahres 1848 brachte es mit sich, dass eine ausgebildete Bürgerwehr zunehmend die Garde in den Hintergrund drängte und auch ihre repräsentativen Aufgaben übernahm. Die Institution der Bürgergarde wurde immer weniger gepflegt und geriet langsam in Vergessenheit. Ihre Bewaffnung wurde allerdings aufbewahrt und überstand – versteckt in einem Stollen bei der heutigen Batteriefabrik Varta – auch den Zweiten Weltkrieg. Stolz sind sowohl Eberhard Veit als auch Kommandant Hans-Peter Schmidt darauf, dass die Garde nie an einem Gefecht beteiligt gewesen ist und auch nie Blut vergossen hat.