Ipf- und Jagst-Zeitung

Die Sprache ebnet den Weg in den Beruf

Berufsschu­le bereitet Flüchtling­e und Jugendlich­e aus Europa auf die Ausbildung vor

-

(ij) - Mühevoll ist der Weg, den Jugendlich­e ohne Deutschken­ntnisse hinter sich bringen, bis sie es in eine Berufsausb­ildung oder in eine weiterführ­ende Schule schaffen. Inzwischen haben über 100 dieser Schülerinn­en und Schüler das Kreisberuf­sschulzent­rum Ellwangen besucht. Inzwischen sind etliche schon in einer Ausbildung angekommen, überwiegen­d, aber nicht ausschließ­lich in Handwerksb­erufen und in Pflegeberu­fen.

Entscheide­nd für eine gelingende Schulkarri­ere ist die Sprache. Dafür brauchen diese Jugendlich­en Zeit, betont Peter Lehle, Schulleite­r am Kreisberuf­sschulzent­rum Ellwangen. Der Besuch einer Vabo-Klasse ist in der Regel der Einstieg ins deutsche Schulsyste­m für Jugendlich­e über 15, bevor eine Phase der intensiven berufliche­n Orientieru­ng folgt.

Zu den jungen Migranten ohne Deutschken­ntnisse zählen zum einen Flüchtling­e unterschie­dlicher Herkunft, zum Beispiel aus Syrien, Afghanista­n, dem Jemen, Eritrea, Somalia oder aus den Ländern Westafrika­s. Wegen ihrer Flucht oder der Kriege zu Hause waren sie oft schon längere Zeit nicht mehr in einer Schule.

Gezielt angeworben

Andere Jugendlich­e kommen aus den süd- und südosteuro­päischen EU-Ländern. Ihren Eltern wurde ein Arbeitspla­tz angeboten. Sobald klar ist, dass sie diese Stelle behalten können, werden die Kinder nachgeholt. Viele haben in ihren Heimatländ­ern weiterführ­ende Schulen besucht, aber kein Deutsch gelernt. Sie möchten schnell wieder eine ähnliche Schule besuchen können – und dafür müssen sie Deutsch lernen und eine Sprachprüf­ung bestehen.

Dann gibt es noch die Gruppe der Jugendlich­en, die in ihren Heimatländ­ern gezielt als Auszubilde­nde angeworben wurden, im Ostalbkrei­s eine Ausbildung aufgenomme­n haben und quasi nebenher Deutsch lernen sollen. In der Altenpfleg­ehilfe gibt es dafür eine spezielle Schulart, die ihnen das durch eine Verlängeru­ng der Ausbildung­szeit von einem auf zwei Jahre gut ermöglicht. In den meisten anderen Ausbildung­en wird das so noch nicht unterstütz­t. Deshalb wiederholt ein Teil das erste Schuljahr.

Sie alle treffen sich in der VaboKlasse. Vabo steht für Vorqualifi­zierungsja­hr Arbeit/Beruf. Der Schwerpunk­t in allen Fächern liegt darauf, Deutsch zu lernen. Die Schüler sind zwischen 15 und 21 Jahre alt. Im vergangene­n Schuljahr hat das Berufsschu­lzentrum 72 Schülerinn­en und Schüler in Vabo-Klassen aufgenomme­n. Für alle, die im laufenden Schuljahr ankommen, gibt es eine Auffangkla­sse. Bei guten Leistungen wechseln sie nach wenigen Monaten in eine Vabo-Klasse. 50 Schüler haben den Abschluss geschafft. Weshalb die Schulverwa­ltung, die im vergangene­n Schuljahr die Stunden für die Vabo-Schüler massiv gekürzt hatte, diese Kürzungen wieder teilweise zurücknimm­t.

Die Schüler lernen nicht nur Deutsch, der Unterricht in Religion und Sport hilft ihnen beim Ankommen im Alltag. Sie erfahren etwas über die verschiede­nen Religionen, zum Hintergrun­d christlich­er Feste und über Sitten und Bräuche in ihrer neuen Heimat. Sport vermittelt Fair Play, Regeln und gegenseiti­gen Respekt, schult aber schnell auch Vokabeln zur Anatomie. Im Fach berufliche Kompetenz arbeiten die Jugendlich­en in den Bereichen Ernährung und Gastronomi­e, Labortechn­ik, Verkauf, Pflege, Gestaltung, Metallund Holztechni­k. So bekommen sie einen Einblick in ganz unterschie­dliche Berufe. Das hilft auch bei der Wahl des richtigen Profilfach­s im nächsten Schritt.

Der nächste Schritt ist die Ausbildung­svorbereit­ung mit einer vertieften berufliche­n Orientieru­ng und dem Erwerb des Hauptschul­abschlusse­s. Hier haben die Schülerinn­en und Schüler die Wahl zwischen verschiede­nen Schwerpunk­tfächern wie Holzbearbe­itung, Metallbear­beitung, Hauswirtsc­haft, Gastronomi­e und Pflege. Im neuen Schuljahr werden voraussich­tlich wieder drei Klassen gebildet.

Massiver Nachholbed­arf

Problemfel­der bleiben trotzdem, sagt Lehle. Zum einen gibt es Jugendlich­e, die wegen des Kriegs in ihrer Heimat kaum oder gar nicht zur Schule gegangen sind. Da bestehe ein massiver Nachholbed­arf im Lesen, Schreiben und Rechnen. Im neuen Schuljahr starte deshalb eine Klasse, die intensiv auf die Arbeitswel­t vorbereite­t. Diese Schüler haben zweimal in der Woche berufsbegl­eitenden Unterricht, an drei weiteren Tagen besuchen sie ein Langzeitpr­aktikum in einem Betrieb.

Wenn Abschiebun­g oder Rückführun­g droht, demotivier­e das alle Beteiligte­n: Diese Angst zehrt am Leistungsv­ermögen, hat Lehle beobachtet. Und die Arbeitgebe­r, die viel in die Ausbildung investiert­en, verstünden nicht, wenn ihnen diese jungen Menschen vom einen auf den anderen Tag weggeholt werden. Ausbildung­sbetriebe und Schulen wünschten sich deshalb, dass zum Beispiel der zuverlässi­ge und regelmäßig­e Besuch der einjährige­n Berufsfach­schule vor Abschiebun­g schützt. Diese Schule muss im Handwerk oft besucht werden, bevor die eigentlich­e Ausbildung beginnt.

Für Lehle ist klar, Deutschlan­d ist ein Einwanderu­ngsland, ob man das gut findet oder nicht. Damit Altenpfleg­e und die Handwerksb­erufe um Bauen und Renovierun­g, Lagerhaltu­ng und Logistik genug Nachwuchs finden, brauche es Arbeitskrä­fte aus dem Ausland, die man schnell und gut integriere­n müsse. Wo das sein soll, ist für Lehle klar: an den Berufliche­n Schulen.

 ?? FOTO: SVEN HOPPE ?? Für Jugendlich­e ohne Deutschken­ntnisse ist der Weg in den Beruf schwer. Die Ellwanger Berufsschu­le nimmt sich diesen jungen Menschen in besonderer Weise an.
FOTO: SVEN HOPPE Für Jugendlich­e ohne Deutschken­ntnisse ist der Weg in den Beruf schwer. Die Ellwanger Berufsschu­le nimmt sich diesen jungen Menschen in besonderer Weise an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany