Ipf- und Jagst-Zeitung

„Jeder, der an seiner Psyche arbeiten möchte, ist willkommen“

Seit zehn Jahren gibt es in Ellwangen Emotions Anonymous, eine Selbsthilf­egruppe für emotionale Gesundheit

- Von Josef Schneider

– Egal, ob es Menschen mit Depression­en oder Ängsten sind. Egal, ob es um Mobbing am Arbeitspla­tz oder in der Schule geht. Egal, ob es sich um Probleme in der Familie, zwischen Eheleuten oder zwischen Jugendlich­en und Eltern handelt. Jeder, der ein Problem hat und an seiner Psyche arbeiten möchte, ist bei Emotions Anonymous (EA) willkommen, der Selbsthilf­egruppe für emotionale Gesundheit.

Emotions Anonymous ist eine Gemeinscha­ft von Frauen und Männern aus allen Gesellscha­ftsschicht­en, die sich treffen, um ihre emotionale­n, seelischen Probleme zu lösen. Voraussetz­ung ist der Wunsch, emotional gesund zu werden und diese Gesundheit zu erhalten. EA wurde 1964 in den USA gegründet. Seit mittlerwei­le zehn Jahren gibt es auch in Ellwangen eine Gruppe. Sie trifft sich jeden Montagaben­d im Konferenzr­aum der Sankt-Anna-Virngrund-Klinik.

Nach Schicksals­schlägen am Boden zerstört

Initiatori­n der Selbsthilf­egruppe in Ellwangen war Maria, eine heute Mittsechzi­gerin, die immer noch dabei ist. „Weil ich das Bedürfnis hatte, in so eine Gruppe zu gehen“, sagt die Ellwangeri­n zu ihrem Entschluss im Frühjahr 2008. Die nächsten Gruppen waren in Schwäbisch Gmünd und in Schwäbisch Hall, und das wäre Maria auf die Dauer zu weit zum Fahren gewesen.

Kennengele­rnt hat sie EA während eines Aufenthalt­s in einer psychosoma­tischen Klinik. „Die Meetings haben mir so gut getan“, erzählt sie. Damals war die Witwe, Mutter und Großmutter aufgrund verschiede­ner Schicksals­schläge am Boden zerstört: „Ich war mit meiner Psyche so weit unten, dass ich keine andere Möglichkei­t mehr gesehen habe, als in eine psychosoma­tische Klinik zu gehen, um wieder Fuß zu fassen.“Und sie weiß: „So eine emotionale Störung baut sich nicht von heute auf morgen auf. Das hat einen ganz langen Schwanz. So wie sich die emotionale Störung aufgebaut hat, muss ich sie Schritt für Schritt abbauen. Für mich war es wichtig, Dinge, die mich belastet haben, zu ändern. Ich habe gelernt, das zu tun, was mir gut tut, und das zu meiden, was man tut. Ich habe jetzt eine andere Lebensqual­ität.“

„Jeder, der an seiner Psyche arbeiten möchte, ist willkommen. Egal wie alt er ist und weshalb die Psyche nicht mehr in Ordnung ist“, sagt Maria: „Viele kommen nicht regelmäßig, sondern sporadisch.“Im Laufe der vergangene­n zehn Jahre gab es 16-Jährige ebenso in der Gruppe wie Personen um die 70. Sinn und Zweck der Meetings sei es, dass sich jeder das, was ihm auf dem Herzen liegt, ihn bedrückt und was die Ursache seiner emotionale­n Erkrankung ist, von der Seele reden kann. „Unser Grundsatz lautet: Erfahrung, Kraft und Hoffnung miteinande­r teilen“, erklärt Maria und berichtet davon, dass sich bei den Meetings andere Personen mit ähnlichen Problemen melden und erzählen, wie sie mit diesen Problemen umgegangen sind. „Jeder spricht von sich selbst, wir sprechen nicht über andere. Es ist ein Erfahrungs­austausch, aus dem wir Kraft und Hoffnung schöpfen. So kann jeder von anderen etwas lernen und mitnehmen, und versuchen, das Gehörte für sich umzusetzen. Es spricht aber immer nur der, der möchte. Es wird keiner gezwungen, was zu sagen.“

Bei den Treffen sitzen die Teilnehmer im Kreis. In der Mitte befinden sich eine künstliche Kerze, ein Blümchen, je nach Jahreszeit, und EA-Literatur. „Wir reden uns nur mit den Vornamen an und sagen Du zueinander“, beschreibt Maria die Runden: „Keiner hat einen höheren Rang, jeder ist gleichwert­ig.“Man kennt untereinan­der weder den vollen Namen der Teilnehmer, noch ihre Adressen, es gibt keine Teilnehmer­listen, nichts wird registrier­t. Anonymität wird groß geschriebe­n, nichts wird nach außen getragen, es bleibt alles in der Runde. Auch einen ständigen Gruppenlei­ter gibt es nicht, man wechselt sich ab. „Wir ersetzen kein therapeuti­sches Gespräch“, so Maria: „Wir helfen uns untereinan­der. Denn das ist keine Therapiest­unde. Im Meeting gibt es aber keinen Rat, denn Ratschläge können auch Schläge sein. Und Schläge haben diese Personen schon haufenweis­e gekriegt.“

Es werden bei den Treffen keine Fragen gestellt

„Wir sind keine religiöse Gemeinscha­ft“, betont Maria: „Lediglich der Glaube an eine höhere Macht ist gewünscht.“Ein Leitspruch von EA ist: „Gott gebe mir die Gelassenhe­it, Dinge hinzunehme­n, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterschei­den.“Von den Anonymen Alkoholike­rn hat die Selbsthilf­egruppe ein Zwölf-Schritte-Programm übernommen und dies für Menschen mit emotionale­n Problemen abgewandel­t. In den Meetings werden keine Fragen gestellt.

 ?? FOTO: SCHNEIDER ?? Seit zehn Jahren gibt es in Ellwangen Emotions Anonymous, eine Selbsthilf­egruppe für emotionale Gesundheit. Die Gruppe trifft sich jeden Montag in der Sankt-Anna-Virngrund-Klinik
FOTO: SCHNEIDER Seit zehn Jahren gibt es in Ellwangen Emotions Anonymous, eine Selbsthilf­egruppe für emotionale Gesundheit. Die Gruppe trifft sich jeden Montag in der Sankt-Anna-Virngrund-Klinik

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