„Jeder, der an seiner Psyche arbeiten möchte, ist willkommen“
Seit zehn Jahren gibt es in Ellwangen Emotions Anonymous, eine Selbsthilfegruppe für emotionale Gesundheit
– Egal, ob es Menschen mit Depressionen oder Ängsten sind. Egal, ob es um Mobbing am Arbeitsplatz oder in der Schule geht. Egal, ob es sich um Probleme in der Familie, zwischen Eheleuten oder zwischen Jugendlichen und Eltern handelt. Jeder, der ein Problem hat und an seiner Psyche arbeiten möchte, ist bei Emotions Anonymous (EA) willkommen, der Selbsthilfegruppe für emotionale Gesundheit.
Emotions Anonymous ist eine Gemeinschaft von Frauen und Männern aus allen Gesellschaftsschichten, die sich treffen, um ihre emotionalen, seelischen Probleme zu lösen. Voraussetzung ist der Wunsch, emotional gesund zu werden und diese Gesundheit zu erhalten. EA wurde 1964 in den USA gegründet. Seit mittlerweile zehn Jahren gibt es auch in Ellwangen eine Gruppe. Sie trifft sich jeden Montagabend im Konferenzraum der Sankt-Anna-Virngrund-Klinik.
Nach Schicksalsschlägen am Boden zerstört
Initiatorin der Selbsthilfegruppe in Ellwangen war Maria, eine heute Mittsechzigerin, die immer noch dabei ist. „Weil ich das Bedürfnis hatte, in so eine Gruppe zu gehen“, sagt die Ellwangerin zu ihrem Entschluss im Frühjahr 2008. Die nächsten Gruppen waren in Schwäbisch Gmünd und in Schwäbisch Hall, und das wäre Maria auf die Dauer zu weit zum Fahren gewesen.
Kennengelernt hat sie EA während eines Aufenthalts in einer psychosomatischen Klinik. „Die Meetings haben mir so gut getan“, erzählt sie. Damals war die Witwe, Mutter und Großmutter aufgrund verschiedener Schicksalsschläge am Boden zerstört: „Ich war mit meiner Psyche so weit unten, dass ich keine andere Möglichkeit mehr gesehen habe, als in eine psychosomatische Klinik zu gehen, um wieder Fuß zu fassen.“Und sie weiß: „So eine emotionale Störung baut sich nicht von heute auf morgen auf. Das hat einen ganz langen Schwanz. So wie sich die emotionale Störung aufgebaut hat, muss ich sie Schritt für Schritt abbauen. Für mich war es wichtig, Dinge, die mich belastet haben, zu ändern. Ich habe gelernt, das zu tun, was mir gut tut, und das zu meiden, was man tut. Ich habe jetzt eine andere Lebensqualität.“
„Jeder, der an seiner Psyche arbeiten möchte, ist willkommen. Egal wie alt er ist und weshalb die Psyche nicht mehr in Ordnung ist“, sagt Maria: „Viele kommen nicht regelmäßig, sondern sporadisch.“Im Laufe der vergangenen zehn Jahre gab es 16-Jährige ebenso in der Gruppe wie Personen um die 70. Sinn und Zweck der Meetings sei es, dass sich jeder das, was ihm auf dem Herzen liegt, ihn bedrückt und was die Ursache seiner emotionalen Erkrankung ist, von der Seele reden kann. „Unser Grundsatz lautet: Erfahrung, Kraft und Hoffnung miteinander teilen“, erklärt Maria und berichtet davon, dass sich bei den Meetings andere Personen mit ähnlichen Problemen melden und erzählen, wie sie mit diesen Problemen umgegangen sind. „Jeder spricht von sich selbst, wir sprechen nicht über andere. Es ist ein Erfahrungsaustausch, aus dem wir Kraft und Hoffnung schöpfen. So kann jeder von anderen etwas lernen und mitnehmen, und versuchen, das Gehörte für sich umzusetzen. Es spricht aber immer nur der, der möchte. Es wird keiner gezwungen, was zu sagen.“
Bei den Treffen sitzen die Teilnehmer im Kreis. In der Mitte befinden sich eine künstliche Kerze, ein Blümchen, je nach Jahreszeit, und EA-Literatur. „Wir reden uns nur mit den Vornamen an und sagen Du zueinander“, beschreibt Maria die Runden: „Keiner hat einen höheren Rang, jeder ist gleichwertig.“Man kennt untereinander weder den vollen Namen der Teilnehmer, noch ihre Adressen, es gibt keine Teilnehmerlisten, nichts wird registriert. Anonymität wird groß geschrieben, nichts wird nach außen getragen, es bleibt alles in der Runde. Auch einen ständigen Gruppenleiter gibt es nicht, man wechselt sich ab. „Wir ersetzen kein therapeutisches Gespräch“, so Maria: „Wir helfen uns untereinander. Denn das ist keine Therapiestunde. Im Meeting gibt es aber keinen Rat, denn Ratschläge können auch Schläge sein. Und Schläge haben diese Personen schon haufenweise gekriegt.“
Es werden bei den Treffen keine Fragen gestellt
„Wir sind keine religiöse Gemeinschaft“, betont Maria: „Lediglich der Glaube an eine höhere Macht ist gewünscht.“Ein Leitspruch von EA ist: „Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“Von den Anonymen Alkoholikern hat die Selbsthilfegruppe ein Zwölf-Schritte-Programm übernommen und dies für Menschen mit emotionalen Problemen abgewandelt. In den Meetings werden keine Fragen gestellt.