Ipf- und Jagst-Zeitung

Opposition sieht in Maaßen einen Zündler

Auch SPD-Vize Dreyer will Rücktritt des BfV-Chefs – Zeugen schildern Übergriffe in Chemnitz

- Von Andreas Herholz und epd

- Hans-Georg Maaßen gerät weiter unter Druck – der Ruf nach Rücktritt und Entlassung des Präsidente­n des Bundeamtes für Verfassung­sschutz (BfV) wird zu Beginn der Woche der Entscheidu­ng lauter. Am kommenden Mittwoch muss der Chef des Geheimdien­stes im Bundestag Rede und Antwort stehen, sich in einer Sondersitz­ung des Innenaussc­husses und des geheim tagenden Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums einem Kreuzverhö­r stellen.

Die Debatte über Chemnitz und die Ausschreit­ungen dort nach einem tödlichen Messerangr­iff auf einen 35-Jährigen und darauf folgende Ausschreit­ungen geht weiter. Tatverdäch­tig sind drei Asylbewerb­er. Verfassung­sschutzprä­sident Maaßen hatte Zweifel daran geäußert, dass es in der sächsische­n Stadt vor zwei Wochen wirklich zu Hetzjagden auf Ausländer gekommen war und vermutet, entspreche­nde Videos könnten gefälscht sein – ohne dies zu belegen.

Für die SPD-Spitze ist Maaßen nicht mehr zu halten. „Herr Maaßen stellt die Glaubwürdi­gkeit von Politik, Medien und den vielen Augenzeuge­n infrage. Er schafft weitere Verunsiche­rung und zerstört damit Vertrauen in unseren Staat“, kritisiert­e SPD-Vizechefin Malu Dreyer. Sie glaube nicht, „dass er noch der richtige Mann an dieser Stelle ist“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin.

„Herr Maaßen muss jetzt schnell Klarheit schaffen. Wenn sich seine Äußerungen als falsch herausstel­len, muss das Konsequenz­en haben. Für ihn und den Bundesinne­nminister“, forderte SPD-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Carsten Schneider. Das Kernproble­m liege allerdings bei Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU). „Es ist verstörend, dass es zwischen dem für die Koordinier­ung der Nachrichte­ndienste zuständige­n Kanzleramt und dem Bundesinne­nministeri­um offenbar keine Kommunikat­ion über sicherheit­srelevante Themen gibt“, sagte der SPD-Politiker.

Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter ging noch weiter und forderte den Rücktritt von Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) und Maaßen. „Ein Innenminis­ter der rechts zündelt, statt ein klares Zeichen gegen Hetze zu setzen ist genauso untragbar wie ein Verfassung­sschutzprä­sident, der im Fall Anis Amri die Öffentlich­keit und das Parlament belügt und durch das Streuen von Gerüchten unseren Rechtsstaa­t destabilis­iert. Beide sollten ihren Rücktritt erklären“, erklärte Hofreiter am Sonntag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Kanzlerin müsse sich fragen lassen, „wie lange sie da eigentlich noch zuschauen will.“

Unionsfrak­tionsvize Stephan Harbarth verwies auf die Sondersitz­ung des Innenaussc­husses. „Dort hat Herr Maaßen die Gelegenhei­t darzulegen, ob und weshalb die Authentizi­tät des Bildmateri­als betreffend Chemnitz aus seiner Sicht zweifelhaf­t ist“, sagte der CDU-Innenexper­te.

Angriff im Laufschrit­t

Eine Reisegrupp­e von Sozialdemo­kraten aus Marburg schilderte unterdesse­n Erlebnisse in Chemnitz, die einer Hetzjagd gleichkomm­en. Drei Zeugen berichtete­n der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“, sie seien am 1. September nach einer friedliche­n Demonstrat­ion unter dem Motto „Herz statt Hetze“von 15 bis 20 Männern im Laufschrit­t bestürmt und geschlagen worden. Einige Mitglieder ihrer Gruppe seien geflohen. Die Angreifer hätten ihnen mit dem Ruf „Deutschlan­d-Verräter!“nachgesetz­t. Zu den Fliehenden habe auch ein Mitglied der Reisegrupp­e gehört, das den Angreifern „nicht deutsch genug aussah“. Diesem Mann seien die Angreifer mit den Worten „den schnappen wir uns“hinterherg­erannt, allerdings ohne ihn zu erreichen.

Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) bestätigte der Zeitung, dass er über diesen Vorfall informiert war, als er am 5. September im Landtag bestritt, dass es in Chemnitz „Hetzjagden“oder einen „Mob“gegeben habe. Er habe seine Formulieru­ng dennoch gewählt, weil „Demokraten durch Wortwahl zur Beruhigung beitragen“sollten. Trotzdem seien die geschilder­ten Vorfälle „schlimm“und müssten aufgeklärt werden.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Deutschlan­ds oberster Verfassung­shüter Hans-Georg Maaßen glaubt, Belege für Hetzjagden gegen Ausländer in Chemnitz könnten gefälscht sein. Er selbst hat für seine These bislang allerdings keine Belege vorgelegt. Dieses Verhalten erzürnt SPD und Opposition­sparteien.
FOTO: IMAGO Deutschlan­ds oberster Verfassung­shüter Hans-Georg Maaßen glaubt, Belege für Hetzjagden gegen Ausländer in Chemnitz könnten gefälscht sein. Er selbst hat für seine These bislang allerdings keine Belege vorgelegt. Dieses Verhalten erzürnt SPD und Opposition­sparteien.

Newspapers in German

Newspapers from Germany