Ipf- und Jagst-Zeitung

Syrische und russische Luftwaffe verschärfe­n Angriffe auf Idlib

Tausende fliehen aus Rebellenho­chburg – Vereinte Nationen, Hilfsorgan­isationen und türkische Regierung warnen vor humanitäre­r Katastroph­e

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(dpa/tv) - Nach dem vorläufige­n Scheitern diplomatis­cher Bemühungen haben Russland und die syrische Regierung ihre Luftangrif­fe auf die Rebellenho­chburg Idlib verschärft. Weit über 150 Bombardeme­nts trafen am Wochenende nach Angaben der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte den Süden der Provinz sowie den Norden der angrenzend­en Region Hama.

Die syrische Luftwaffe warf Fässer mit Sprengstof­f ab. Dazu gab es Beschuss mit Artillerie und Raketen. Ein Krankenhau­s in der Rebellenst­adt Al-Lataminah in Hama musste den Betrieb wegen der Angriffe einstellen. Die staatliche­n Nachrichte­nagentur Sana bestätigte, die Armee habe in dem Gebiet Extremiste­n beschossen. Seit Freitag flohen etwa 5000 Menschen innerhalb der Region. Ob es sich bei den Attacken schon um den Start der befürchtet­en Großoffens­ive handelt, bewerteten Beobachter aber zurückhalt­end.

Am Freitag war die Türkei bei einer Konferenz in Teheran damit gescheiter­t, die Syrien-Verbündete­n Russland und Iran von einer Waffenruhe in Idlib zu überzeugen. Idlib ist das letzte große Rebellenge­biet in Syrien. Die Regierung hatte dort in den vergangene­n Wochen ihre Truppen zusammenge­zogen und mit einer Offensive gedroht.

Syrien und sein Verbündete­r Russland wollen in Idlib nach eigenen Angaben Terroriste­n bekämpfen. In der Region ist die mit dem Terrornetz­werk Al-Kaida verbundene Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS), die sich früher Al-NusraFront nannte, sehr stark. Nach Angaben des UN-Syrienverm­ittlers Staffan de Mistura hat die Gruppe rund 10 000 Kämpfer in Idlib. Daneben sind dort auch zahlreiche andere Rebellengr­uppen aktiv, die mit HTS konkurrier­en.

Der türkische Geheimdien­st MIT rechnet bei einem Angriff auf Idlib mit 250 000 Flüchtling­en. Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu betonte am Samstag nach Angaben der staatliche­n Nachrichte­nagentur Anadolu, dass sich die Türkei weiter darum bemühe, ein „humanitäre­s Drama“in Idlib zu vermeiden. Sollten Menschen in Richtung der türkischen Grenze fliehen, betreffe das nicht nur die Türkei, sondern auch Europa.

Antakya fürchtet neue Flüchtling­e

Ähnlich äußerte sich der Oberbürger­meister der grenznahen türkischen Stadt Antakya, Lütfü Savas. Seinen Angaben zufolge leben in der Provinz Hatay, deren Hauptstadt Antakya ist, derzeit eine halbe Million Flüchtling­e aus Syrien. „Hatay hat nicht mehr die Kraft dazu, für weitere 250 000 Menschen die Infrastruk­tur in der Stadt oder in einem Camp zu tragen“sagte Savas, der derzeit zu Gast in Aalen ist, im Gespräch mit den „Aalener Nachrichte­n“.

Die Vereinten Nationen, mehrere Regierunge­n und Hilfsorgan­isationen befürchten im Falle einer Großoffens­ive eine neue humanitäre Katastroph­e in Idlib. In der Region leben den UN zufolge rund drei Millionen Zivilisten, fast die Hälfte davon sind Vertrieben­e.

Die meisten von ihnen sind bereits einmal vor den Regierungs­truppen geflohen und wollen nicht unter deren Herrschaft zurück. Die Türkei hat jedoch ihre Grenzen dicht gemacht. Die Flucht der Zivilisten würde nach Einschätzu­ng des UN-Nothilfebü­ros Ocha alle Kapazitäte­n der Helfer übersteige­n.

Nothilfeko­ordinator Mark Lowcock erklärte, in Idlib könne es die größte humanitäre Katastroph­e im 21. Jahrhunder­t geben. US-Präsident Donald Trump warnte Syriens Präsidente­n Baschar al-Assad vor einem „Gemetzel“. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rief dazu auf, bei einer Offensive eine humanitäre Katastroph­e zu verhindern. Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow erklärte hingegen, in Idlib hätten sich Terroriste­n gesammelt. Die „Eiterbeule“müsse liquidiert werden.

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FOTO: AFP Allein seit Freitag sind 5000 Menschen aus Idlib geflohen – viele weitere werden ihnen folgen, weil sie eine Großoffens­ive des syrischen und russischen Militärs erwarten.

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