„Mir kommet früh gnuag ins Zuchthaus“
Hinter Gittern: Ellwanger Gefängnis öffnet seine Tore für Besucher beim Tag des offenen Denkmals
- Das ehemalige Ellwanger Gefängnis ist am Tag des offenen Denkmals ein Besuchermagnet. Trauben von Menschen drängeln sich vor der kleinen Türe, die sich um halb drei wie von Zauberhand öffnet und für zwei Stunden Einlass ins Innere gewährt. Wo einst schwere Jungs eingesessen haben, gähnen heute leere Zellen und lange Flure. Das 1881 vom Architekten Wiegand zeitgleich mit dem benachbarten Amtsgericht erbaute Backsteingebäude hat 770 Quadratmeter Nutzfläche und verfügte über 36 Haftplätze.
Magisches Alcatraz-Flair bergen diese nüchternen Mauern nicht, die Ende des 19. Jahrhunderts als Gefängnis des Ellwanger Landgerichts in Betrieb genommen wurden und von denen an vielen Stellen der Putz bröckelt. Dennoch spüren Besucher wohliges Gänsehautkribbeln beim Rundgang durch die ehemalige Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd: „Nur net drängle, mir kommet früh gnuag ins Zuchthaus“, witzelt ein junger Mann auf der Treppe, die vom Innenhof ins Gebäude führt. Der Hof ist schmucklos. In der Sonne stehen zwei verlassene Tischtennisplatten. Drinnen schieben sich die Besucher durch Zellen mit zwei oder vier Stockbetten, in denen schon lange niemand mehr geschlafen hat. Grünliche oder karierte Gardinen verströmen Hoffnungslosigkeit. In den Zellentüren sind Durchreichen angebracht. Auf den Fluren gibt es nur wenige Gemeinschaftsduschen. Die Zellen verfügen nur über ein Waschbecken und eine Toilette. Noch spartanischer geht’s kaum.
Neue Rasierer gibt’s nur gegen alte
An einer Wand im Gemeinschaftsraum prangt ein aufmunternd hingekritzeltes „Take ist easy“, nimm’s leicht. Das dürfte so manchem in dieser trostlosen Umgebung schwergefallen sein. Im stockdunklen Keller informiert eine Tafel über die Putzmittelausgabe: „Nur montags und nur in einer bestimmten Menge. Die entsprechenden Gefäße sind mitzubringen.“Eine weitere Anweisung mahnt: „Werfen Sie Ihre gebrauchten Rasierer nicht weg.“ Neue Einwegrasierer wurden demnach nur gegen Rückgabe der alten ausgegeben. Artikel zur Körperhygiene und Pflegemittel konnten nur vom Hausgeld beziehungsweise dem eigenen Geld über den Einkauf bezogen werden. Lediglich bei Bedürftigen und Neuzugängen durch die Polizei gab es Ausnahmen von der Regel.
Im Frühjahr 2016 beendeten die Strafvollzugsbehörden die Nutzung der Liegenschaft als Gefängnis. Am 31. März 2016 wurden die letzten Gefangenen nach Schwäbisch Gmünd verlegt. Eine Überprüfung ergab, dass eine Nutzung als modernes, den Anforderungen des Arbeitsschutzes entsprechendes Behördengebäude einen sehr teuren und daher unwirtschaftlichen Umbau erfordert hätte. Wer das Gefängnis im heutigen Zustand gesehen hat, glaubt das aufs Wort. Die künftige Nutzung ist nach wie vor ungewiss. Der Landesbetrieb Vermögen und Bau, Amt Schwäbisch Gmünd, hat es an einen Investor aus Dinkelsbühl verkauft. Dieser will es für rund zwei Millionen Euro zum Hotel umbauen. Weil die ehemalige Justizvollzugsanstalt ein geschütztes Kulturdenkmal ist, müssen Umbauten behutsam und in enger Abstimmung mit der Stadt erfolgen.
Der letzte „Gefangene“war übrigens Stefan Horrer, Vizechef des Vermögens- und Hochbauamts Schwäbisch Gmünd. Als er 2017 Journalisten durch das ehemalige Gefängnis führen wollte, fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss. Der Schlüssel steckte auf der anderen Seite. Ein Anruf im Amtsgericht befreite die „Gefangenen.“Für die Besucher stand die Tür gestern weit offen – alle gelangten unbeschadet wieder ins Freie.
Das Motto des Tags des offenen Denkmals: „Entdecken, was uns verbindet“, passte besser zu den übrigen Gebäuden, die darauf warteten, besucht und entdeckt zu werden. Basilika, Stadtkirche und Marienkirche, Kapellen in Ellwangen und Röhlingen und das Kapuzinerkloster der Marienpflege, Bauernstube Pfahlheim, Alamannenmuseum, SchönerGraben-Schule und Stadtturm der Bürgergarde, Schloss und historische Wirtshäuser wie Grüner Baum und Goldenes Lamm gaben an diesem Sonntag interessante Einblicke in ihre Geschichte und ihr Innenleben.