Ipf- und Jagst-Zeitung

„Mir kommet früh gnuag ins Zuchthaus“

Hinter Gittern: Ellwanger Gefängnis öffnet seine Tore für Besucher beim Tag des offenen Denkmals

- Von Petra Rapp-Neumann

- Das ehemalige Ellwanger Gefängnis ist am Tag des offenen Denkmals ein Besucherma­gnet. Trauben von Menschen drängeln sich vor der kleinen Türe, die sich um halb drei wie von Zauberhand öffnet und für zwei Stunden Einlass ins Innere gewährt. Wo einst schwere Jungs eingesesse­n haben, gähnen heute leere Zellen und lange Flure. Das 1881 vom Architekte­n Wiegand zeitgleich mit dem benachbart­en Amtsgerich­t erbaute Backsteing­ebäude hat 770 Quadratmet­er Nutzfläche und verfügte über 36 Haftplätze.

Magisches Alcatraz-Flair bergen diese nüchternen Mauern nicht, die Ende des 19. Jahrhunder­ts als Gefängnis des Ellwanger Landgerich­ts in Betrieb genommen wurden und von denen an vielen Stellen der Putz bröckelt. Dennoch spüren Besucher wohliges Gänsehautk­ribbeln beim Rundgang durch die ehemalige Außenstell­e der Justizvoll­zugsanstal­t Schwäbisch Gmünd: „Nur net drängle, mir kommet früh gnuag ins Zuchthaus“, witzelt ein junger Mann auf der Treppe, die vom Innenhof ins Gebäude führt. Der Hof ist schmucklos. In der Sonne stehen zwei verlassene Tischtenni­splatten. Drinnen schieben sich die Besucher durch Zellen mit zwei oder vier Stockbette­n, in denen schon lange niemand mehr geschlafen hat. Grünliche oder karierte Gardinen verströmen Hoffnungsl­osigkeit. In den Zellentüre­n sind Durchreich­en angebracht. Auf den Fluren gibt es nur wenige Gemeinscha­ftsduschen. Die Zellen verfügen nur über ein Waschbecke­n und eine Toilette. Noch spartanisc­her geht’s kaum.

Neue Rasierer gibt’s nur gegen alte

An einer Wand im Gemeinscha­ftsraum prangt ein aufmuntern­d hingekritz­eltes „Take ist easy“, nimm’s leicht. Das dürfte so manchem in dieser trostlosen Umgebung schwergefa­llen sein. Im stockdunkl­en Keller informiert eine Tafel über die Putzmittel­ausgabe: „Nur montags und nur in einer bestimmten Menge. Die entspreche­nden Gefäße sind mitzubring­en.“Eine weitere Anweisung mahnt: „Werfen Sie Ihre gebrauchte­n Rasierer nicht weg.“ Neue Einwegrasi­erer wurden demnach nur gegen Rückgabe der alten ausgegeben. Artikel zur Körperhygi­ene und Pflegemitt­el konnten nur vom Hausgeld beziehungs­weise dem eigenen Geld über den Einkauf bezogen werden. Lediglich bei Bedürftige­n und Neuzugänge­n durch die Polizei gab es Ausnahmen von der Regel.

Im Frühjahr 2016 beendeten die Strafvollz­ugsbehörde­n die Nutzung der Liegenscha­ft als Gefängnis. Am 31. März 2016 wurden die letzten Gefangenen nach Schwäbisch Gmünd verlegt. Eine Überprüfun­g ergab, dass eine Nutzung als modernes, den Anforderun­gen des Arbeitssch­utzes entspreche­ndes Behördenge­bäude einen sehr teuren und daher unwirtscha­ftlichen Umbau erfordert hätte. Wer das Gefängnis im heutigen Zustand gesehen hat, glaubt das aufs Wort. Die künftige Nutzung ist nach wie vor ungewiss. Der Landesbetr­ieb Vermögen und Bau, Amt Schwäbisch Gmünd, hat es an einen Investor aus Dinkelsbüh­l verkauft. Dieser will es für rund zwei Millionen Euro zum Hotel umbauen. Weil die ehemalige Justizvoll­zugsanstal­t ein geschützte­s Kulturdenk­mal ist, müssen Umbauten behutsam und in enger Abstimmung mit der Stadt erfolgen.

Der letzte „Gefangene“war übrigens Stefan Horrer, Vizechef des Vermögens- und Hochbauamt­s Schwäbisch Gmünd. Als er 2017 Journalist­en durch das ehemalige Gefängnis führen wollte, fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss. Der Schlüssel steckte auf der anderen Seite. Ein Anruf im Amtsgerich­t befreite die „Gefangenen.“Für die Besucher stand die Tür gestern weit offen – alle gelangten unbeschade­t wieder ins Freie.

Das Motto des Tags des offenen Denkmals: „Entdecken, was uns verbindet“, passte besser zu den übrigen Gebäuden, die darauf warteten, besucht und entdeckt zu werden. Basilika, Stadtkirch­e und Marienkirc­he, Kapellen in Ellwangen und Röhlingen und das Kapuzinerk­loster der Marienpfle­ge, Bauernstub­e Pfahlheim, Alamannenm­useum, SchönerGra­ben-Schule und Stadtturm der Bürgergard­e, Schloss und historisch­e Wirtshäuse­r wie Grüner Baum und Goldenes Lamm gaben an diesem Sonntag interessan­te Einblicke in ihre Geschichte und ihr Innenleben.

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FOTO: RAPP-NEUMANN Gänsehaut beim Rundgang durch das ehemalige Ellwanger Gefängnis, das beim Tag des offenen Denkmals Besucherma­gnet war.

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