Auf zwei Rädern über die Schiene
Radfahrer nehmen gerne auch den Zug – Nicht immer läuft das reibungslos
- Dass sich Radler, Autofahrer und Fußgänger auf den Straßen nicht immer ganz grün sind, ist bekannt. Doch auch auf der Schiene kommt es zu Konflikten. Denn in Zügen geht es um Sitzplätze, Rettungswege, Kinderwagen und Rollstühle.
„Fahrrad einladen, losfahren und dort aussteigen, wo die Radtour beginnt“, heißt es auf der Webseite der Deutschen Bahn (DB) zum Zugreisen mit dem Fahrrad. So einfach ist es dann aber doch nicht immer. In den Regionalzügen ist die Fahrradmitnahme zwar meist kostenlos möglich, viele Züge haben Mehrzweckabteile mit dem großen Fahrradsymbol an der Seite.
In der Praxis kann es aber durchaus vorkommen, dass Radfahrer am Bahnsteig stehen bleiben. Zur Mitnahme des Drahtesels gibt es nämlich gewisse Einschränkungen. „Die Fahrradmitnahme hängt generell von den zur Verfügung stehenden Kapazitäten ab“, heißt es bei der Bahn. Eine Mitnahmegarantie für Fahrräder gebe es leider nicht.
Der Grund: Bei der Suche nach einem Platz fürs Bike müssen Radfahrer anderen den Vortritt lassen. Kinderwagen oder Rollstühle haben absolute Priorität. Der Landtagsabgeordnete Erik Schweickert (FDP) begrüßt das grundsätzlich. „Ich frage mich, wie es in der Realität aussieht, wenn eine mobilitätseingeschränkte Person oder jemand mit Kinderwagen vor dem Zug voller E-Bike-Touristen steht. Am Ende sind die Reisenden weiterhin auf sich allein gestellt. Ich wünsche mir hier Offenheit für neue Konzepte und mehr Flexibilität für die Anbieter, dass auch andere Zugmodelle erprobt und eingesetzt werden können.“
Kinderwagen hat Vorrang
Das Stuttgarter Verkehrsministerium verweist dagegen auf seine laufenden Anstrengungen. Neuerdings kauft das Land die Züge für den Regionalverkehr und stellt sie den Betreibern wie der Deutschen Bahn oder Abellio zur Verfügung. „Die vom Land bestellten neuen modernen Züge sind alle mit Mehrzweckabteilen ausgestattet, sodass die Beförderung von Fahrrädern, Kinderwagen, Rollstühlen und Gepäck möglich ist“, betont das Ministerium auf eine entsprechende Anfrage der FDP. Auf Betreiben des Landes könnten Räder werktags ab 9 Uhr und am Wochenende ganztags kostenlos mitreisen. Dennoch müsse es dabei bleiben: Vorrang für Kinderwagen und Menschen mit Behinderungen. Für betroffene Radfahrer ärgerlich, aus der Sicht anderer Fahrgäste aber verständlich. „Es gibt da immer zwei Perspektiven“, sagt Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn. Wenn sich im Sommer die Fahrräder in den Zügen stapelten, sei das „schön für die Radfahrer, aber unter Umständen belästigend für die Nichtradfahrer“. Was Beschwerden über die Plätze für Fahrräder angehe, die den Verband erreichen, gebe es deshalb immer wieder unterschiedliche Argumentationen: „Ein Radler wird sagen: zu wenig. Ein Pendler wird sagen: zu viel.“
Am Ravensburger Bahnhof ist die Situation relativ entspannt. „Hier und in Bayern ist es bequem, mit dem Fahrrad im Zug zu fahren“, sagt ein Fahrgast. Gerade in der Urlaubszeit könne es aber schon vorkommen, dass viele Fahrräder und gleichzeitig Pendler im Zug seien. Eine andere Passagierin kennt das, aber: „Sie stören mich nicht, auch wenn es im Sommer viele sind.“
Zehn Radexpress-Linien
Die Krux bei dem Angebot von Plätzen für die Drahtesel liege im Timing. „Fahrradausflügler, zum Beispiel in Richtung Bodensee, kommen in Kolonnen und sind schwer kalkulierbar“, sagt Naumann. Wenn die Kolonnen mit Pendlern zusammenträfen, könne es zu Platzschwierigkeiten kommen. Deswegen verkehren im Land zehn Radexpress-Linien, unter anderem in Oberschwaben und von Stuttgart zum Bodensee. Sie bieten Platz für bis zu 100 Fahrräder und führen zu beliebten Ausflugszielen für Radler.
Wo Einzelne in den regulären Zügen vielleicht noch ein Plätzchen finden, sind Ausflugsgruppen aufgeschmissen. Ihnen empfiehlt die Bahn in jedem Fall eine Reservierung. Bei Gruppen von mehr als fünf Personen ist die Anmeldung Pflicht. Die DB Reisezentren, DB Agenturen oder das Servicecenter Gruppenreisen nehmen diese bis spätestens sieben Tage vor der Reise entgegen. Die Mitnahme ist damit aber nicht garantiert.
Aufgrund der nur eingeschränkt möglichen Planung wünscht sich Karl-Peter Naumann von Pro Bahn alternative Konzepte, an denen sich auch die Politik beteiligen sollte. „Ich denke da an Möglichkeiten zum Fahrradmieten oder auch Abstellen von Rädern an den Bahnhöfen.“Es gebe bereits Fahrradhäuser, bei denen Pendler ihr Fahrrad über den Tag abstellen könnten. „Bis zum Abend werden die dann gewartet und gereinigt.“In Holland sei es sehr verbreitet, dass Pendler sich ein zweites Fahrrad zulegen, sodass am Abfahrts- und Zielbahnhof jeweils eines steht.