Experten werfen AfD-Politiker Antisemitismus vor
Film über jüdische Familie Rothschild ist nach Ansicht von Experten antisemitisch
(tja) - Auf dem Facebook-Account eines AfD-Politikers wurde ein Video geteilt, das mehrere Experten für antisemitisch halten. Der Film, der auf einer Facebook-Seite unter dem Namen des Abgeordneten Hans Peter Stauch geteilt wurde, enthält Verschwörungstheorien über die jüdische Familie Rothschild. „Das ist ein eindeutig antisemitisches Video. Es arbeitet mit den gängigen Klischees der jüdischen Weltverschwörung, wie sie Antisemiten immer wieder der Familie Rothschild anzuhängen versuchen“, sagte Professor Uffa Jensen vom Zentrum für Antisemitismusforschung. Zu diesem Schluss kommt auch Michael Blume, der Antisemitismusbeauftragte des Landes. Er sei entsetzt, dass ein Abgeordneter so etwas teile. Stauch wollte sich am Dienstag nicht äußern. Er sei auf der Klausurtagung der AfD-Fraktion und erst am Donnerstag wieder im Büro, teilte ein AfD-Sprecher mit.
- Neue Antisemitismus-Vorwürfe gegen die AfD im Landtag: Auf einer Facebook-Seite unter dem Namen des AfD-Abgeordneten Hans Peter Stauch wurde ein Video über die jüdische Familie Rothschild geteilt. Sowohl der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung, Michael Blume, als auch zwei renommierte Wissenschaftler halten den Film für antisemitisch. Weder Stauch noch AfD-Fraktionschef Bernd Gögel wollten sich am Dienstag zu den Vorwürfen äußern.
Am 20. Juli erscheint auf einer Facebook-Seite, die offensichtlich Stauchs privater Auftritt ist, ein Video. Es wurde kommentarlos geteilt. Der Titel: „Die Macht der Rothschilds“, vom Urheber versehen mit dem Begleittext „Die Rothschilds – eine schrecklich nette Familie“. Sechs Minuten lang schildert ein Sprecher vermeintliche Fakten über die Bankiersfamilie. Das Ganze ist mit historischen und aktuellen Fotos unterlegt, allerdings bleibt es dem Zuschauer überlassen zuzuordnen, was darauf zu sehen ist.
Was dort erzählt wird, ist nach Einschätzung mehrerer Experten eine klassische Verschwörungstheorie. „Über die Jahrhunderte haben Rothschilds ein enormes Vermögen angehäuft – unmoralisch, betrügerisch, spekulativ, teilweise verbrecherisch und das ohne jede Kontrolle und Offenlegung“, heißt es zum Beispiel. Die Familie habe „Nationen in den Bankrott getrieben, Kriege dirigiert und den Massenmord und die Verarmung von Millionen gefördert“. Zahlreiche Behauptungen werden aufgestellt, ohne Quellenangaben und Belege.
Bankiers als Feindbild
„In der Ideengeschichte des Antisemitismus ist die Familie Rothschild schon sehr früh zu einem Feindbild gemacht worden“, erklärt der Extremismusforscher Professor Armin Pfahl-Traughber, ehemaliges Mitglied im Expertenkreis Antisemitismus des Deutschen Bundestages.
Rein rechtlich macht sich Stauch die Inhalte des Films nicht zu eigen, sollte er diesen selbst lediglich geteilt haben, ohne ihn weiter zu kommentieren. „Hierbei handelt es sich lediglich um eine auf der Plattform bestehende Möglichkeit, auf private Inhalte anderer Nutzer hinzuweisen, ohne dass damit zugleich eine eigene Bewertung vorgenommen wird“, erläutert Martin Gerecke, Fachanwalt für Medienrecht.
Der Antisemitismusbeauftragte des Landes, Michael Blume, kommt dennoch zu einem eindeutigen Urteil. Ein Politiker wie Stauch dürfe solche Inhalte nicht verbreiten. „Die Verschwörungsmythen über eine angebliche Rothschild-Weltbankherrschaft werden seit Jahrzehnten von rechtsextremen, linksextremen und islamischen Antisemiten verbreitet. Besonders übel daran ist, dass auch in diesem Video der Zweite Weltkrieg und der Holocaust selbst als Ergebnisse der angeblichen, jüdischfreimaurerischen Rothschildverschwörung vorgestellt und damit die Lehren aus der Geschichte abgestritten werden“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“.
Scharfe Kritik
„Es ist besorgniserregend, dass die AfD Baden-Württemberg weiterhin nicht einmal glaubwürdig versucht, die antisemitische Radikalisierung in Teilen der Partei zu unterbinden. Es scheint, als hofften Teile der AfD, die Bevölkerung werde sich an den Judenhass wieder gewöhnen“, so Blume weiter.
Zu einem ähnlichen Schluss kommt Professor Uffe Jensen vom Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung: „Das ist ein eindeutig antisemitisches Video.“Zwar taucht das Wort „jüdisch“erst in der zweiten Hälfte des Videos kurz auf. Es gibt auch keine direkte Beleidigung jüdischer Menschen aufgrund ihres Glaubens. „Aber die Aussagen bewegen sich inhaltlich im Kontext eines sozialen Antisemitismus beziehungsweise sozioökonomischen Antisemitismus“, so Experte PfahlTraughber. Sein Kollege Jensen urteilt: „Die Kommentare zu dem Video bestätigen im Wesentlichen, dass Facebook-Nutzer auch in der Lage sind, dieses Video mit Juden in Verbindung zu bringen. Das Video ist also eindeutig antisemitisch und wirkt auch so auf das Publikum. Natürlich ist es inhaltlich kompletter Humbug.“Er fordert die AfD auf, sich davon zu distanzieren. Allerdings, so Jensen: „Die AfD-Fraktion hat ein erhebliches Problem mit Antisemitismus in ihren Reihen, ohne besonders gewillt zu sein, dagegen vorzugehen.“Das zeige etwa der Fall des Abgeordneten Wolfgang Gedeon.
AfD schweigt zu Vorwürfen
Der Singener Gedeon war 2016 im Streit um seine antisemitischen Publikationen aus der Fraktion ausgetreten. Der Fall führte zur zeitweisen Spaltung der Fraktion. Der damalige Vorsitzende Jörg Meuthen wollte Gedeon aus der Fraktion ausschließen, doch mehrere Abgeordnete waren dagegen – darunter der heutige Fraktionschef Bernd Gögel und Stauch. Als Grund führten sie vor allem an, dass Meuthen den Fall Gedeon im Alleingang habe regeln wollen. Nach dem Ende des Streits unterzeichneten die AfD-Abgeordneten ein Erklärung gegen Antisemitismus.
Zu den neuen Vorwürfen gab es aus der AfD zunächst keine Stellungnahme. Gögel ließ über einen Sprecher ausrichten, das sei alleinige Sache des Abgeordneten. Stauch sei auf der Fraktionsklausur bis Donnerstag gebunden, so der Sprecher.