Ipf- und Jagst-Zeitung

IG BAU kritisiert Niedrigloh­nsektor

11100 Vollzeit-Beschäftig­ten im Kreis könnte im Alter Hartz IV drohen

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(an) - Gefangen im Niedrigloh­n: 11 100 Vollzeit-Beschäftig­te im Ostalbkrei­s verdienen weniger als 2 200 Euro brutto im Monat. Das sind 13 Prozent aller Menschen, die hier sozialvers­icherungsp­flichtig die volle Stundenzah­l arbeiten. Darauf hat die IG Bauen-Agrar-Umwelt hingewiese­n. Die IG BAU Stuttgart beruft sich dabei auf eine aktuelle Statistik der Arbeitsage­ntur.

Gewerkscha­fter Mike Paul warnt: „Wer heute in Vollzeit weniger als 2 200 Euro verdient, der ist mit hoher Wahrschein­lichkeit im Alter auf staatliche Stütze angewiesen.“Das ergebe sich aus Berechnung­en der Bundesregi­erung. Danach muss ein Vollzeit-Arbeitnehm­er im Schnitt mindestens 12,63 Euro pro Stunde verdienen, um nach 45 Beitragsja­hren bei der Rente oberhalb der staatliche­n Grundsiche­rung zu landen. „Einige werden zwar das Glück haben, dass der Ehepartner besser verdient und so die Renten-Haushaltsk­asse später aufbessert. Doch für viele ist die Rente selbst dann extrem knapp“, sagt Paul.

Mike Paul: Ein unhaltbare­r Zustand

Für den IG Bau-Bezirksvor­sitzenden ist das ein unhaltbare­r Zustand: „Altersarmu­t trotz Vollzeit – das kann nicht sein. Wer jeden Tag acht Stunden malocht, der muss von seiner Arbeit auch leben können.“Paul spricht von einem Ausufern des Niedrigloh­nsektors, dem die Politik zu lange zugeschaut habe: „Bei vielen Beschäftig­ten ist die Angst groß, in Hartz IV abzurutsch­en. Deshalb akzeptiere­n sie auch Niedriglöh­ne. Etliche Unternehme­n nutzen das schamlos aus. Sie zahlen kaum mehr als den gesetzlich­en Mindestloh­n.“Dabei hätten die meisten Betriebe durchaus Spielräume, mehr zu bezahlen. „Wer sich als Dumping-Unternehme­r nur mit dem gesetzlich­en Mindestloh­n am Markt behauptet, der sollte sein Geschäftsm­odell ohnehin überdenken“, so Paul.

Eine wichtige Absicherun­g gegen Armutsrent­en sind Tarifvertr­äge, sagt die IG BAU. So lag der durchschni­ttliche Tariflohn nach der letzten bundesweit­en Berechnung bei 17,90 Euro pro Stunde – und damit deutlich über dem Armutsrisi­ko. Ein gelernter Bauarbeite­r verdient nach Tarif sogar 20,63 Euro in der Stunde. Paul: „Wer jedoch für die gleiche Arbeit nur den speziellen Bau-Mindestloh­n bekommt, der hat Monat für Monat 980 Euro weniger auf dem Lohnzettel. Ihm gehen damit wichtige Rentenpunk­te verloren.“Anspruch auf eine tarifliche Bezahlung haben Beschäftig­te, die Gewerkscha­ftsmitglie­d sind und deren Betrieb einem Arbeitgebe­rverband angehört.

IG Bau rät, auf Tariflohn zu bestehen

In Zeiten eines massiven Fachkräfte­mangels im Handwerk sollten Arbeitnehm­er auf dem Tariflohn bestehen, rät die IG Bau. „Von der Gebäuderei­nigung über das Dachdecker­handwerk bis hin zur Landwirtsc­haft – für Beschäftig­te geht es hier um viel Geld“, so Paul.

Betriebsre­nten sind zusätzlich­e Absicherun­g

Zudem seien in Tarifvertr­ägen oft auch Betriebsre­nten vereinbart – eine zusätzlich­e Absicherun­g gegen Altersarmu­t. Paul verweist auf das Modell vom Bau. Dort werden Beiträge von der Sozialkass­e der Bauwirtsch­aft (Soka-Bau) eingezogen und später als monatliche Tarifrente ausgezahlt. Je nach Höhe und Dauer der Beiträge kann die monatliche Extra-Rente mehr als 200 Euro ausmachen.

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