Einzelhandel: Kompass neu einstellen
Ausschuss soll am Donnerstag über Fortschreibung der Konzeption für Aalen entscheiden
- Seit 2009 bildet sie den festen Rahmen für Handel und Wandel in der Stadt: die vom renommierten Stadtentwicklungsexperten Donato Accocella damals verfasste Einzelhandelskonzeption für Aalen. Die Entwicklung ist seitdem allerdings nicht stehengeblieben – bei den Händlern und im Verhalten der Kunden nicht – Stichwort Internet – und auch nicht bei der Entwicklung der Kernstadt. An diesem Donnerstag soll der Ausschuss für Umwelt und Stadtentwicklung des Gemeinderats deshalb über eine Überprüfung und gegebenenfalls Fortschreibung der Konzeption entscheiden.
Welche Sortimente gehören zu einem zentrenrelevanten Einzelhandel, wie sind diese zentralen Versorgungsbereiche überhaupt abgegrenzt? Was darf auf der „grünen Wiese“verkauft werden und in welchem Umfang, was nicht? Wo ist großflächiger Einzelhandel zulässig und gewünscht, wo nicht? Diese und noch viel mehr Fragen beantwortet die Accocella-Konzeption für Aalen seit nunmehr zehn Jahren.
Mehr Frequenz als Stärkungsmittel
Eine Fortschreibung der Konzeption sei klarer Wunsch „aus den Tiefen des Gemeinderats“und vom Innenstadtverein ACA gewesen, sagt Oberbürgermeister Thilo Rentschler. Verweist aber zunächst darauf, die Stadt tue schon jetzt alles in ihrer Macht Stehende, um die Innenstadt zu stärken. Dazu gehöre das prognostizierte Einwohnerwachstum für die Kernstadt von 2000 Menschen in den nächsten vier Jahren ebenso wie die Ertüchtigung und Neuansiedlung von Frequenzbringern. Zu ihnen zählt Rentschler das Limesmuseum, Explorhino und den Kulturbahnhof, aber auch das künftige Stadtoval-Hotel, die Ertüchtigung der Limesthermen oder den Bau eines neuen Komibads. Das alles seien keine direkten Konkurrenten für den Einzelhandel, aber so nah an der Innenstadt dran, dass sie deren Einzelhandel befruchten könnten.
Keine ausgewogene Balance mehr
Rentschler sagt aber auch dies: „Wir haben derzeit keine ausgewogene Balance mehr zwischen Innenstadt und ,grüner Wiese’.“Deren weitere Ausdehnung sei für ihn absolut tabu, vielmehr müsse man versuchen, wenn möglich, innenstadtrelevante Sortimente wieder dorthin oder in die Nähe zurückzuholen. Dabei denke aber niemand daran, kleinflächigen innenstadtrelevanten Einzelhandel in einem durch die Fortentwicklung der Kernstadt entstehenden „zweiten Ring“um sie herum anzusiedeln.
Für Rentschler ist aber auch klar: Wenn der Status quo so bliebe, würde der Einzelhandel weiter Kaufkraft ans Internet verlieren. Dies sei nur aufzufangen, „indem ich für mehr potenzielle Käufer und für mehr Frequenz in der Innenstadt sorge“. Eine Fortschreibung der Einzelhandelskonzeption müsse am Ende also eine ganzheitliche Arbeit unter Berücksichtigung der Entwicklung der letzten fünf bis zehn Jahre und mit einer Prognose der Entwicklung der kommenden fünf bis zehn Jahre sein.
„Es gibt Befürchtungen“
„Wir stehen voll hinter einer Fortschreibung der Einzelhandelskonzeption“, sagt der ACA-Vorsitzende Eberhardt Schwerdtner. Warum? Weil sich die Innenstadt beispielsweise auch Richtung Süden entwickeln solle „und es die Befürchtung gibt, dass die Kern-Innenstadt dadurch beschädigt wird“, so die Antwort. Vor zehn Jahren, so Schwerdtner, sei das Accocella -Gutachten die Antwort auf Entwicklungen und Wünsche auf der „grünen Wiese“gewesen, „dort ist damals sehr viel passiert“. Und es sei damals dringend geboten gewesen, klären zu lassen, was kann und muss die „grüne Wiese“bieten und was die Innenstadt.
„Einiges aus dem Ruder gelaufen“
Viele seiner Kollegen, so sagt Citymanager Reinhard Skusa, hätten ihn bislang stets darum beneidet, „dass in Aalen alles geklärt ist“. Und dass die vorhandene Einzelhandelskonzeption hier so konsequent gelebt werde. Jetzt aber müsse man, so Skusa, „Mega-Veränderungen“feststellen, allein schon durch den OnlineHandel. Zudem sei auch bei den Sortimenten inzwischen „einiges aus dem Ruder gelaufen“. Wenn man nur die Angebote von Aldi und Lidl außerhalb des Lebensmittelbereichs betrachte. Weshalb es gelte, mit einer möglichen Fortschreibung der Konzeption den Kompass neu einzustellen. Und dabei auch neu zu definieren, was künftig Sortiment für die Innenstadt und was für die „grüne Wiese“sein solle. „Wir brauchen wieder einen klaren Fahrplan, ein klares Regelwerk, das aber auf die vielen Veränderungen, Verschiebungen und Entwicklungen reagiert“, so Skusa.
„Wir wollen nichts verhindern“
Die Fortschreibung der Einzelhandelskonzeption solle auch künftig nichts verhindern, sagt Claus Albrecht, ACA-Vize und Vorsitzender des Bundes der Selbstständigen. Sie solle aber aufs Neue deutlich machen, wo zentrenrelevante Sortimente möglich und nötig sind und wo nicht. Albrecht verweist auf etliche Veränderungen seit Erstellung des Accocella-Gutachtens vor zehn Jahren. Mercatura und Kubus habe es damals noch nicht gegeben, und der wachsende Internet-Handel beutle den stationären Einzelhandel inzwischen schwer. All dies müsse in eine Fortschreibung der Konzeption mit einfließen. Von ihr erhofft sich Albrecht eine neue und repräsentative Grundlage dafür, wohin die Reise in Aalen künftig gehen soll. Dafür müsse man den Ist-Zustand mit den aktuell angebotenen Sortimenten betrachten, er erwarte sich am Ende aber auch eine Antwort auf die Frage, wo man künftig was zulassen müsse, weil es entsprechende städtebauliche Entwicklungen gebe. „Wir müssen ein attraktives Angebot dort ermöglichen, wo es der Mensch heute erwartet“, sagt Albrecht. Die Innenstadt gehöre für ihn eindeutig dazu. OB Rentschler drückt es so aus: „Die Multifunktionalität einer Innenstadt wird ein Zukunftstrend sein.“