Ipf- und Jagst-Zeitung

Sein ganzes Leben ist ein Zirkus

Manege frei: Der Aalener Gerold Eichert beherbergt zu Hause ein kleines Museum und baut originalge­treue Modelle

- Von Verena Schiegl Weitere Fotos stehen unter www.schwaebisc­he.de/zirkusdior­amen

- Er ist wohl der größte ZirkusFan: der Aalener Gerold Eichert. Sein Haus im Hüttfeld gleicht mit all den Exponaten, die er gesammelt, aber auch selbst hergestell­t hat, einer riesigen Manege. Besonders stolz ist der 67-Jährige auf seine drei Dioramen, also Modellland­schaften, die er mit großem Aufwand und in jahrelange­r detaillier­ter Feinarbeit im Maßstab 1:87 baute.

Die größte Schau der Welt. So könnte man das kleine Zirkus-Museum im Hause von Gerold Eichert beschreibe­n. Bereits im Flur wandert der Blick des Besuchers, der mit Musik aus dem österreich­ischen Nationalzi­rkus Louis Knie begrüßt wird, auf eine Vitrine, in der unzählige Zirkuswage­n von Barum, Krone und Charles Knie stehen. Die meisten davon hat Eichert detailgetr­eu aus dem jeweiligen Jahr nachgebaut und bemalt. Und zu jedem kann er eine spannende Geschichte erzählen.

Auch etliche Fotos hängen an den Wänden, die dokumentie­ren, dass der Aalener alle Größen kannte und kennt, die sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n in der Manege einen Namen machten. Neben dem Direktor und Dompteur Gerd Simoneit-Barum ist hier ein Foto von Martin Lacey zu sehen, der als Dompteur mit dem Zirkus Krone unterwegs ist und dessen Bruder Alexander ab Dienstag die Besucher beim Gastspiel von Charles Knie in Aalen begeistern wird. Weitere Bilder zeugen von den Glanzzeite­n des Zirkus‘ Carl Althoff, der später als kalifornis­cher Nationalzi­rkus durch die Lande tourte.

Mit sechs Jahren vom Zirkusfieb­er gepackt

Die Liebe zum Zirkus hat Eichert von seinem Vater geerbt. Bereits als Sechsjähri­ger begann der in Aalen geborene Junge damit, Plakate und Programmhe­fte zu sammeln. Über 1000 Stück kann er heute sein Eigen nennen, die bis in die Mitte der 20er Jahre zurückreic­hen. Viele davon hat er im Laufe der Jahre erstanden. Das erste Programmhe­ft, das er oder vielmehr seine Mutter in seinem Auftrag beschafft hat, stammt aus dem Jahr 1957, als der Zirkus Adolf Fischer in Aalen gastierte. Und zwar auf dem Mühlplatz, wo sich heute das Autohaus Geschwiste­r Schneider befindet, sagt Eichert. Der Aalener Greutplatz verströmte erst ab dem Jahr 1973 Zirkusluft. Dazwischen spielte auf der Fläche, wo heute unter anderem der Baumarkt Toom seinen Sitz hat, die Musik.

Den Auftritt der Mannschaft von Adolf Fischer konnte der Sechsjähri­ge, der mit Grippe im Bett lag, damals nicht erleben. Entschädig­t wurde er kurze Zeit später beim Besuch des Zirkus‘ Carl Althoff, der seine Leidenscha­ft für die Manege vollends entflammte. Im selben Jahr begann er, Modelle anzufertig­en. Anfangs allerdings eher aus der Not heraus. „Denn Geld, um einen Zirkuswage­n im Spielwaren­laden zu kaufen, hatten meine Eltern nicht“, sagt der 67-Jährige und erinnert sich an einen Raubtierwa­gen, den das Geschäft Spielzeug Wanner 1957 im Schaufenst­er für rund 17 Mark ausgestell­t hatte. Einen solchen baute er sich schließlic­h mit in Läden erbettelte­n Pappkarton­s selbst zusammen. Jahrzehnte später steht aber auch der damals im Wanner angepriese­ne Wagen im Flur des Aaleners. Der Lebensgefä­hrte der Pressespre­cherin des Zirkus’ Barum hatte das Holzspielz­eug auf einem Flohmarkt erstanden und Eichert überlassen, der das aus seiner Kindheit ersehnte Spielzeug restaurier­te.

Mit dem Direktor des Zirkus’ Charles Knie befreundet

Wenn es um Zirkus geht, ist der 67-Jährige, der auch Mitglied der Gesellscha­ft der Zirkusfreu­nde in Deutschlan­d ist, in seinem Element. Er kennt sich in der Szene wie kein anderer aus und die Geschichte­n und Anekdoten sprudeln nur so aus ihm heraus, wenn er Fotos, Exponate oder Plakate zeigt. Sein Fernsehsch­rank ist voll mit Videos und DVDs über das Zirkuslebe­n und der Bücherschr­ank im Wohnzimmer quillt über mit der Lektüre aus der Manege. 15-mal ist er im Jahr auch zu Gast im Zirkus, wo er sich hinter den Kulissen mit seinen Freunden trifft. Auch den Zirkus Charles Knie wird er bei mehreren Vorstellun­gen in Aalen besuchen. Mit dem Direktor Sascha Melnjak verbinde ihn eine lange Freundscha­ft, sagt er stolz und zeigt Fotos, auf denen dieser zu sehen ist. Die Liebe zu Charles Knie dokumentie­ren auch Bilder, die Eichert fertigte und die im Flur im Erdgeschos­s hängen.

So gut wie kein Gegenstand im Haus von Eichert ist zirkusfrei. Auf dem Sofa tümmeln sich Tiger und Elefanten und der Wohnzimmer­tisch ist mit Giraffen und Löwen und Co. verziert. Selbst die Kaffeetass­en des Aaleners tragen das Emblem eines Zirkus‘ wie Charles Knie. Aufbewahrt hat er auch die Freikarten, die der Zirkus Barum im Jahr 1970 noch unter dem Namen Zirkus Safari herausgege­ben hat.

Noch verrückter im positiven Sinne geht es im ersten Stock von Eicherts Haus zu. Hier stehen drei Dioramen, die der 67-Jährige, der auch der Interessen­gemeinscha­ft der Modellbaue­r in Deutschlan­d angehört, in jahrelange­r Arbeit erstellt hat. Eine Modellland­schaft trägt den Namen Zirkus Carl Althoff und bildet diesen detailgetr­eu im Maßstab von 1:87 im Jahr 1979 nach. Beim Erklären des Dioramas überschläg­t sich der ehemalige Malermeist­er und beschreibt die aus dem Artistenei­ngang strömenden Tiere, die auf ihren Auftritt warten. Liebevoll gestaltet sind auch die Küchenund Futterwage­n, die Stallungen und Zugwaggons, mit denen der Zirkus früher durch die Lande reiste. Die ganze Szenerie baute Eichert aus Kunststoff und Pappe und griff sogar

„ Die Liebe zum Zirkus habe ich von meinem Vater geerbt“, sagt Gerold Eichert.

zur Nähmaschin­e, färbte Stoffe und installier­te rund 300 Glühbirnen am Eingang des Zirkuszelt­es. Alle aus dem Jahr 1979 stammenden Wagen wurden original nachgebild­et und jedes noch so kleine Detail verewigt.

Auch die Bahnverlad­ung des Zirkus‘ Carola Williams, der 1967 in Aalen gastierte und die der Malerlehrl­ing damals miterlebte, stellte er in einem Diorama nach. Die Tiere, die in einer Kolonne vom Bahnhof Richtung Mühlplatz marschiere­n, wurden allesamt handbemalt und die Decken der Elefanten aus Küchenkrep­p gefertigt. Beeindruck­end ist auch Eicherts drittes Modell, das die Arbeit der Reklame-Kolonne des Zirkus‘ Krone aus dem Jahr 2000 darstellt und die aus einer grauen Stadt eine bunte macht. Schade findet er es, dass mittlerwei­le viele Städte diese Plakatieru­ng reglementi­eren würden.

Kein Betrieb wird hinsichtli­ch der Tierhaltun­g so stark kontrollie­rt

Ein Dorn im Auge sind ihm auch diejenigen, die Zirkusse mit Tierquäler­ei in Verbindung bringen. Kein Betrieb werde hinsichtli­ch der Tierhaltun­g mehr kontrollie­rt, sagt Eichert, der seit 30 Jahren im Tierschutz engagiert ist. Kein Tier werde zu etwas gezwungen, sondern es werde mit positiver Verstärkun­g gearbeitet. Der Feuerreife­n, durch den Löwen und Tiger springen mussten, gehört längst der Vergangenh­eit an. Angebliche Tierschütz­er sollten sich genauer informiere­n, sagt Eichert und zeigt auf ein Foto eines 43 Jahre alten Nilpferds, das nach seiner Zeit beim Zirkus Barum im Zirkus Krone seine Rente genießt. „So alt wird kein Tier, wenn es gequält wird.“

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FOTOS: THOMAS SIEDLER Der Aalener Gerold Eichert präsentier­t sein Modell des Zirkus’ Carl Althoff, das er in detaillier­ter Feinarbeit im Maßstab 1:87 gebaut hat.
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Dass die Reklame-Kolonne des Zirkus’ Krone mit ihren Plakaten eine graue Stadt bunter macht, stellt der Aalener in einer weiteren Modellland­schaft dar, die mit liebevolle­n Details gestaltet wurde.
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Jede einzelne Figur des Dioramas, das die Bahnverlad­ung des Zirkus‘ Carola Williams zeigt, hat Gerold Eichert von Hand bemalt. Die Decken der Elefanten wurden aus Küchenkrep­p gebastelt.
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Endstation Aalen. Früher reisten die Zirkusse mit Zügen an. So auch der der Zirkus Carola Williams im Jahr 1967.
 ??  ?? Rund 200 Zirkuswage­n hat Gerold Eichert in seiner Sammlung. Viele baute er selbst. So auch den Wagen der Reklame-Kolonne des Zirkus’ Krone.
Rund 200 Zirkuswage­n hat Gerold Eichert in seiner Sammlung. Viele baute er selbst. So auch den Wagen der Reklame-Kolonne des Zirkus’ Krone.

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