Faszinierende Klangcollagen in der Stadtkirche
Frankfurter Vokalensemble Belcanto singt Werke zeitgenössischer Komponistinnen
(R.) - Dass sich nur wenige Zuhörer zum Konzert des Ensembles Belcanto in der Stadtkirche eingefunden haben, mag dem traumhaften Spätsommerwetter geschuldet sein. An den fünf großartigen Interpretinnen kann es nicht gelegen haben. Deren Darbietung von Werken zeitgenössischer Komponistinnen war allerdings anspruchsvoll und nicht ex und hopp zu konsumieren. Die da waren, erlebten eine faszinierende und intensive Stunde mit hochspezialisierten Sängerinnen, wie sie nicht alle Tage zu hören ist.
Zugegeben, man musste sich hineinhören in diese meditativen Klangcollagen, ab und an jäh unterbrochen von eindringlichen Dissonanzen und dramatischen Steigerungen bis zum heftigen Stakkato. Dabei glitten die Sängerinnen um Ensemblegründerin und Sopranistin Dietburg Spohr nie ins Affektierte oder gar Hysterische ab. Zum Ensemble gehören noch die Sopranistinnen Gretha Hyunjoo Park und Martina Scharstein, Altistin Rica Rauch und Mezzosopranistin Edith Murasova. Sie setzten die Komposition „An Ancient Silence“von Hagar Kadimas um in lautmalerischen Sprechgesang, der bei allem Ernst der religiösen Thematik federleicht anmutete.
Die Anstrengung, sich Werke wie diese zu erarbeiten, war zu keinem Zeitpunkt spürbar. Silvia Alvarez de la Fuentes „La Muerte“, der Tod, und „El Dolor“, der Schmerz, machten die Kirche zum Klangraum aus der Tiefe. Susanne Erding-Swiridoffs Raumpoem „Topoi Varieté“weckte Anklänge ans Theater und zitierte mit Wortfetzen wie „Springt ihr auf hartes Gestein“ein venezianisches Epigramm von Goethe.
Monolog für eine Sängerin mit Pauke
Zum Kabinettstück wurde Adriana Hölszkys „Monolog für eine Sängerin mit Pauke“, für Dietburg Spohr geschrieben. Spohr glänzte als Zeitung lesende Sängerin, die auf das Gelesene stimmlich reagiert. Sie gurrte kehlig und trillerte in höchsten Tönen, lachte laut und murmelte leise, erwies sich als Meisterin des Beatboxens, haute buchstäblich auf die Pauke, zerknüllte Seiten und zerriss sie fein säuberlich in Streifen, die sich zu ihren Füßen mit den Gaben zum Erntedank zu einer vokal-instrumental-theatralischen Performance verbanden. Großartig.
Mutig überschreitet Belcanto Grenzen musikalischer Genres und spielt mit den Möglichkeiten innovativen Musiktheaters und vielfältiger Kunstklangproduktionen. So auch mit Tsippi Fleischers „Appeal to the Stars“mit Percussion-Instrumenten wie Ocean Drums. Belcanto heißt schöner Gesang und meint in diesem Fall die Farbigkeit und Lebendigkeit zeitgenössischen gesanglichen Ausdrucks ohne Scheu vor Extremen.