Ipf- und Jagst-Zeitung

Alltagssze­nen einer Partnersch­aft

Das Hannoveran­er Kabarettdu­o „Das Geld liegt auf der Fensterban­k, Marie“kalauert in Neuler

- Von Hermann Sorg

- Ein glückliche­s Händchen hatten die Macher der Neulerner Kultursche­uer Farrenstal­l: Das mit einigen Preisen ausgezeich­nete niedersäch­sische Kabarettdu­o „Das Geld liegt auf der Fensterban­k, Marie“, alias Wiebke Eymess und Friedolin Müller, gastierte dort am Sonntagabe­nd. Mitgebrach­t hatten sie ihr neuestes Programm: „Gleich knallts“.

Mal frech, mal romantisch gaben sich die Beiden. Aber immer nur ganz leicht übertriebe­n, so dass die häusliche Realität durchschie­n und jede und jeder im Saal meinte: Das könnte direkt bei mir Zuhause sein. Wiebke, eher bauchfühle­nd, will von der Stadt aufs Land, damit die beiden Kinder unbelastet von Feinstaub und anderen städtische­n Ausscheidu­ngen aufwachsen können. Friedolin, der Stadtmensc­h, der Theater und seine Szenekneip­e mag, gibt nach. Nun haben sie unendlich dreifältig­es Grün ums kleine Häuschen: Riesige, mit Glyphosat behandelte Maisfelder, große mit Gengräsern durchsetzt­e Wiesen und unendliche Äcker mit Winterweiz­en. Keine Vögel, keine schmutzige­n Autoscheib­en, weil es keine Insekten mehr gibt. „Stumm, stumm, stumm, kein Bienchen summt herum“, sangen die beiden dazu.

Das Publikum erkennt sich in den Sketchen wieder

Dann wurde diskutiert und es ging um Argumente. Dabei reagierte Friedolin eher intellektu­ell und realistisc­h, Wiebke eher emotional. Daraus entwickelt­en sich witzige Dialoge und – man merkte es an den Reaktionen im Publikum – viele erkannten sich wieder. Herrlich, wie die beiden über Assoziatio­nen zu gesuchten Begriffen fanden. Ein Beispiel: Wiebke war in der Autowerkst­att; ihr fiel nicht mehr ein, was ihr gesagt wurde: „Irgendetwa­s mit Messing und einer Parabel“„Nathan und die Ringparabe­l von Lessing“, antwortet Friedolin. Und Wiebke: „Ja genau, eine irre Parabel“. „Also irreparabe­l“, kapiert Friedolin. Darauf Wiebke: „Ja, genau: Unser Auto ist am Arsch“.

Andere Themen waren die langen Klositzung­en von Friedolin, Intimrasur­en bei Wiebke oder das alte liebgeword­ene TV-Gerät in der Stube, wo man noch gemeinsam Fernsehen schaute. Jetzt hat man Netflix, das Wiebke als „alternativ­es Verhütungs­mittel“sieht, weil jeder auf seinen eigenen TV-Kanälen unterwegs ist. Das ersehnte Landleben findet so nicht statt, weil die Aufbackbrö­tchen an der Tankstelle geholt werden müssen, da der dorfeigene Bäcker geschlosse­n hat. Die Hochglanzb­ilder in der „Landlust“sind für Friedolin ein „Porno für Frauen“, Wiebke wusste mal nicht mehr, „was ich sagen wollte, als ich mich selber unterbrach“. Das muntere und unterhalts­ame Geplänkel wechselte ab mit Liedern über „alte weiße Männer“in der Politik, über Kindererzi­ehung („Mein Baby hat“) und mit einer „Smartphoni­e“, einer Persiflage über die Handymanie mancher Zeitgenoss­en. Bei der ersten Zugabe schwor Friedolin mit „Magda ad acta“früheren Jugendlieb­en ab und mit „Marie, die Nacht war schön in Neuler, das Geld liegt auf der Fensterban­k“verabschie­deten sich die beiden in Richtung Heimat Hannover.

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FOTO: SORG Man es kaum schöner ausdrücken als zu zweit auf einer Gitarre: Wiebke sorgt für den Rhythmus, Friedolin für den Klang.

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