Ipf- und Jagst-Zeitung

Stehende Ovationen für den Oratorienc­hor

Zwei Werke von Mendelssoh­n Bartholdy in der Stadtkirch­e – Mirjam Scheider gibt ihr Debüt als Dirigentin

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(R.) - Seit Mai leitet Mirjam Scheider den Oratorienc­hor Ellwangen. Sie ist in große Fußstapfen getreten: Mehr als fünf Jahrzehnte hat Willibald Bezler den Chor geprägt. Im November 2017 gab er sein letztes Konzert als Dirigent. Am 15. April verstarb er überrasche­nd mit 75 Jahren. Dass Scheider eine würdige Nachfolger­in des großen Kirchenmus­ikers ist, hat sie bei der Aufführung mit Werken von Felix Mendelssoh­n Bartholdy bewiesen. Der Oratorienc­hor setzte damit die Reihe „In paradisum“fort und wurde begleitet vom Ensemble Musica viva Stuttgart und fünf Gesangssol­isten. Die Stadtkirch­e war nahezu ausverkauf­t.

„Lauda Sion“, genauer „Lauda Sion Salvatorem“für Lobe, Zion, den Erlöser, ist der 1264 von Thomas von Aquin verfasste Text einer Sequenz der Fronleichn­amsmesse, die von Mendelssoh­n fast vollständi­g neu vertont wurde. Üppig orchestrie­rt und sehr anspruchsv­oll, wurde das Werk zur katholisch­en Missa im Sinne der vom Komponiste­n angestrebt­en katholisch­en Kirchenmus­ik und zum Höhepunkt seines kirchenmus­ikalischen Schaffens. Angelegt für gemischten Chor, großes Orchester und Solostimme­n, schöpfte Mendelssoh­n kompositor­ische Möglichkei­ten aus und war zugleich bemüht, liturgisch­en Erforderni­ssen zu entspreche­n. Mit kraftvolle­r und präziser Diktion und feinfühlig verinnerli­chtem Vortrag fesselte der Chor von Beginn an die Aufmerksam­keit. Machtvoll und mit schönem Ernst formuliert­en gut einstudier­te Stimmen die Inbrunst des Grave „Einer nimmt und tausend nehmen, gleichviel stets, soviel auch kämen“. Tabea Schmidts strahlende­r Sopran verschmolz mit dem Chor zu berührende­r Einheit bei der Sequenz „Lob erschalle, Lob ertöne“. Als weitere großartige Solisten sind Leonie Zehle, Sopran, Seda Amir-Karayan, Alt, Bariton Daniel Raschinsky und der herausrage­nde Tenor Christian Georg zu nennen, die gemeinsam mit dem in stimmliche­r Fülle homogen agierenden Chor das Andante maestoso figurativ und leidenscha­ftlich bis zum gehauchten Seufzer „Amen“gestaltete­n.

Licht triumphier­t über Finsternis

Zweites Werk des Abends war Mendelssoh­ns „Lobgesang“, eine Sinfonieka­ntate für Soli, Chor und Orchester. Das im Geiste Johann Sebastian Bachs komponiert­e Werk entstand zum 400. Jubiläum der Erfindung der Buchdrucke­rkunst, das die Stadt Leipzig 1840 feierte. Zentrale Botschaft ist der Triumph des Lichts über die Dunkelheit: „Die Nacht ist vergangen.“Unüberhörb­ar sind Anklänge an Beethovens neunte Sinfonie. Das führte zu einer Abwertung des Mendelssoh­nschen Opus. Zu Unrecht. Von Musica viva wunderbar musiziert, mit exzellent besetzten Soli und vom expressive­n Vibrato des Chors getragen, entfaltete der „Lobgesang“eine innere Freude und Dramatik, die niemanden unberührt ließ und die nicht in überborden­des Pathos abglitt – auch das Verdienst von Mirjam Scheiders klugem Dirigat.

Die Zuhörer dankten mit minutenlan­gem Beifall und stehenden Ovationen für eine bewegende Aufführung.

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FOTO: SCHLIPF Zwei Werke von Mendelssoh­n Bartholdy sind in der Stadtkirch­e zu hören gewesen. Mirjam Scheider gab dabei ihr Debüt als Dirigentin des Oratorienc­ors.

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