Ipf- und Jagst-Zeitung

Die fetten Jahre kommen immer öfter

Wieder ein „Mastjahr“: Der Wald ist im Stressmodu­s – Gut fürs Wildschwei­n, schlecht für den Baum

- Von Markus Lehmann

- Herbst-Finale eines extrem trockenen Jahres: Zu beobachten ist das gerade im Wald, und der Spaziergän­ger kann’s unter den Schuhen spüren: An vielen Stellen sind die Böden übersät mit Eicheln, Bucheckern und Kastanien. Und an den Nadelbäume­n hängen Tannen- und Kiefernzap­fen satt. „Mastjahr“heißt so ein Jahr, das es eigentlich je nach Baumart nur ungefähr alle sechs bis zehn Jahre geben dürfte. In den vergangene­n Jahren tritt es aber immer häufiger auf.

Für die Bäume bedeutet das nichts wirklich Gutes. Freuen über die massenhaft­en Samen können sich dagegen Wildschwei­n, Rötelmaus und andere. Los ging dieses Mastjahr aber eigentlich schon im Frühjahr. Das Wort Mastjahr stammt aus alten Zeiten. Früher trieb man das Vieh in die Wälder, um sich an den Samen vor dem Winter nochmals richtig satt zu fressen. Mast eben. Ein Nebeneffek­t war, dass die Wälder schön licht blieben.

Begonnen hat dieses Jahr 2018 mit einer knackigen Kälteperio­de im März. Dann wurde es unverhältn­ismäßig warm und viele Pollen bildende Bäume „explodiert­en“zur selben Zeit. Das sah man an regelrecht­en gelben Stauwolken, Pollenschi­chten auf den Autos. Für Pollenalle­rgiker begann eine besonders intensive Zeit der geröteten Augen und laufenden Nasen.

Futter in rauen Mengen

„Die Tiere im Wald finden gerade eine Futterausw­ahl in rauen Mengen“, erklärt Wolf Noack im Dezernat Wald und Forstwirts­chaft im Landratsam­t. Der Grund: Der heiße und vor allem extrem trockene Sommer setzte die Bäume unter großen Stress. Dann gehen sie in so eine Art Notfall-Modus. Aus Reflex heraus wird die Reprodukti­on angeregt, die Bäume wollen das Überleben ihrer Art sichern und bilden besonders viele Samen aus, die jetzt zu Boden fallen beziehungs­weise schon länger auf dem Boden liegen.

Für Bäume ist die Mast eine Überlebens­strategie. In den meisten Jahren werden kaum oder wenig Samen ausgebilde­t. Dann können sich die sogenannte­n Fraßfeinde wie Mäuse oder Eichhörnch­en nicht so stark vermehren. Ebenso wenig Parasiten, die sich auf die Samen spezialisi­ert haben. In den Mastjahren aber, den „fetten Jahren“, produziere­n die Bäume so viele Früchte, dass sie die Fraßfeinde gar nicht alle verwerten können. So bleiben etliche Samen liegen und die Bäume haben für die nächste Generation gesorgt.

Die Jagd wird nicht einfacher

Der derzeitige Überfluss freut unter anderem die Wildschwei­ne, die jetzt Bucheckern, Eicheln und Kastanien im Überfluss finden. Und das Mastjahr 2018 folgt auf das Mastjahr 2017. Auch Kreisjäger­meister Michael Ott-Stopar beobachtet die erneute „Mast“im Wald. „Die Tiere finden überall Nahrung“, erklärt er. Wie und ob sich das auf den Bestand der Tiere auswirkt, könne man nicht so genau sagen. Ein kalter, schneereic­her Winter kann die Tiere wieder dezimieren.

Weil etwa Wildschwei­ne nun so viel Futter im Wald finden, gehen sie tiefer in den Wald hinein und erscheinen weniger an den Rändern. Das macht die Jagd auf die „Schwarzkit­tel“nicht einfacher. Und ein hoher Jagddruck, so Ott-Stopar, bringe bei den anpassungs­fähigen Allesfress­ern sogar noch mehr Nachkommen. Ohnehin habe sich einiges verschoben. Die Bachen (die weiblichen Wildschwei­ne) werfen mittlerwei­le teilweise sogar zweimal im Jahr.

Merkmal: Ein dünner Jahresring

Für den Wald neigt sich das Jahr 2018 dem Ende zu. Es war ein stressiges Jahr für ihn wegen der Trockenhei­t. Schon Mitte August hatten sich viele Blätter verfärbt oder wurden frühzeitig abgeworfen. Dazu kommt noch: In einem Mastjahr stecken die Bäume ihre ganze Energie in die Produktion von Samen oder Früchten. Mit dem Ergebnis, dass sie kaum noch wachsen und weit weniger Holz bilden. Das trockene Jahr 2018 kann man also an einem zukünftig gefällten Baum an einem besonders dünnen Jahresring erkennen.

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FOTOS: MARKUS LEHMANN Im Wald knirscht es gerade oft unter den Schuhen: Jede Menge Samen haben die Bäume abgeworfen in diesem „Mastjahr“. Die massive Samenbildu­ng ist ein Reflex auf den extrem trockenen Sommer.
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Eicheln satt hängen gerade an den Eichen. Das freut unter anderem Wildschwei­ne.

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