Europa muss neu gedacht werden
Der ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel hält leidenschaftliches Plädoyer für Europa
- Ein leidenschaftliches Plädoyer für Europa hat der ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel in der „Neresheimer Runde“der CDU gehalten. Gemeint hat er allerdings nicht das Europa, wie es jetzt organisiert ist. Vielmehr müsse es vom Kopf auf die Füße gestellt werden, man müsse also wieder von unten nach oben denken und nicht umgekehrt.
Dabei wurde Teufel durchaus konkret: Wenn die Landkreise für den Wasserschutz zuständig seien, sei es absurd, wenn der Vogelschutz in Europa angesiedelt sei. Teufel sprach in freier Rede, Zahlen, Daten und Fakten sprudelten nur so aus dem 79-Jährigen heraus. In der Fragerunde wandte er sich jedem Debattenredner persönlich zu und hörte aufmerksam und konzentriert zu.
Europa darf den Menschen nicht übergestülpt werden
Der ehemalige Landesvater nahm seine zahlreichen Zuhörer in der Mensa der Härtsfeldhalle mit auf eine Reise in die europäische Geschichte und erinnerte sie daran, dass es auf dem Kontinent seit dem Westfälischen Frieden von 1648 nach dem Dreißigjährigen Krieg 48 Kriege mit Millionen und Abermillionen Toten gegeben habe. Die Geschichte sei daher der Grund, dass die große Mehrheit der Deutschen und sogar fast jeder zweite AfD-Anhänger die europäische Einigung für dringend notwendig hielten.
Und die EU sei ja auch eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Jetzt wachse schon die dritte Generation heran, die keinen Krieg kenne und die im Vergleich zu früher unglaubliche Chancen habe. Teufel: „Wer bei Verstand ist und die Geschichte kennt, der weiß, dass dies fortgesetzt werden muss!“
Bei den gleichen Menschen gebe es jedoch wie die zweite Seite einer Medaille eine gewisse Grundskepsis gegen Europa und die Europäische Union, fuhr der Redner fort. Sie hätten Sorge vor einem zentralistischen Gebilde und nähmen viele Streitigkeiten und Schwierigkeiten wahr. „Sie sehen nicht, was dieses Europa bringt.“
Diese Grundskepsis ist nach Teufels Überzeugung nur zu beseitigen, wenn Europa den Menschen nicht übergestülpt werde und das Subsidiaritätsprinzip gelte. Dies bedeute, Europa von unten zu denken, dass also die wichtigste Ebene die Gemeinde oder Stadt sei, die zuständig sei und die jeder überschauen könne. Was über die Kraft einer Ebene gehe, sei Sache der nächsten Ebene. Und nur wenn etwas über das Vermögen eines Nationalstaates gehe, dürfe sich Europa darum kümmern.
In Wirklichkeit sei es jedoch so, dass Europa unglaublich viele Kompetenzen an sich gezogen habe. Zu 90 Prozent liegt dies laut Teufel an den Nationalstaaten, die Europa diese Aufgaben regelrecht angedient hätten. Deswegen könnte man nach seiner Überzeugung viele Aufgaben zurückverlagern, zum Teil bis auf die kommunale Ebene.
Verständnis für Grundskepsis der Bürger
Die Grundskepsis der Bürger, so Teufel, speise sich auch daraus, dass sie viele Entscheidungen der Europäischen Zentralbank nicht verstünden, die Staaten Schuldenmachen in großem Umfang ermöglichten. Die Bürger spürten die Risiken und zweifelten, ob sie bewältigt werden könnten. Das Fazit des Politikers: „Die Bürger sehen, was sie an Europa haben, aber sie sehen auch die Risiken. Sie können erwarten, dass die Führung aus Krisen lernt. Aber es geht nicht ohne Europa, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben und neue Technologien unterstützen wollen.“
Zu Beginn seines Vortrags hatte Teufel unterstrichen, er habe großen Respekt vor dem, was auf dem kargen Härtsfeld geleistet worden sei und schätze die Menschen dieser Landschaft. Der stellvertretende CDU-Stadtverbandsvorsitzende Holger Fedyna und Bürgermeister Thomas Häfele hatten den Gast in Neresheim begrüßt. Häfele sagte, es sei wichtig, das Thema aufzugreifen, denn Europa sei Garant für Frieden und Freiheit. Auch Neresheim lebe mit seinen drei Partnerstädten den europäischen Gedanken. Im kommenden Jahr feiere man das 25-jährige Bestehen der Partnerschaft mit Bagnacavallo.