Hochprozentiges zum Jubiläum
Der SPD- Ortsverein Ellwangen feiert in der Marienpflege sein 70. Jubiläum.
- 70 Jahre Ellwanger Ortsverein der SPD sind ein Grund zum Feiern. In einer Zeit zumal, in der die „alte Tante SPD“, wie die älteste deutsche Partei liebevoll genannt wird, ein Tal der Tränen nach dem anderen durchwandert.
Da tut es gut, sich an früher zu erinnern, obwohl es die „Roten“im „schwarzen“Ellwangen nie leicht hatten. Unter die von Eleonora Grasmück begrüßten Gratulanten im Festsaal der Marienpflege mischte sich hoher Besuch vom Rhein und von der Spree, auch wenn sich die amtierende Landeschefin Leni Breymaier nach ihrem Grußwort nach Bad Rappenau zum Duell um den Landesvorsitz mit ihrem bisherigen Vize Lars Castellucci verabschiedete.
Gewohnt taff hatte sie zuvor den Genossinnen und Genossen ein Ständchen gebracht: „Wie schön, dass du geboren bist.“Wer „sein Gesicht ‘naushängt für diese Partei“, sei für alles zuständig: für Maaßen, für Seehofer, für alles. „Wir brauchen keine Revolutionäre“, so Breymaier, „sondern a bissle Alltagsmut und Menschen, die die Gosch aufmachen, wenn irgendwo was passiert.“Trotz mieser Performance im Sommer, trotz allen Seehofers: Es habe sich rentiert, mitzuregieren, siehe paritätische Finanzierung der Krankenkassenbeiträge oder das Gute-Kita-Gesetz. Stolz sei sie, stolz auf 155 Jahre SPD, auf 70 Jahre Ellwanger Ortsverein und aufs letzte halbe Jahr in der Regierung. Sprach’s und war weg.
Oberbürgermeister Karl Hilsenbek, bekanntlich parteilos und für die Freien Wähler im Kreistag, überbrachte persönliche Glückwünsche und die der Stadt und ließ aufhorchen: „Wir brauchen die Freien Wähler nicht in Länderparlamenten, auch nicht in Bayern. Sie gehören in die Kommunalpolitik.“Er erinnerte an Oswald Grässle und Wolfgang Rothmaier, „Underdogs“in der sozialdemokratischen Diaspora. Er, so Hilsenbek, habe Minderheiten stets ernst genommen, auch im Gemeinderat: „Deshalb verwundert es mich, dass Herbert Hieber mich nicht mehr will als OB“, wie er im Sommerinterview des Ellwanger Fraktionschefs mit der „Ipf- und Jagst-Zeitung“habe lesen müssen. Mit Blick auf die Prozente, die auch ein OB brauche, um eine Wahl zu gewinnen (und die der SPD fehlen), förderte Hilsenbek Hochprozentiges für Hieber zutage.
Ellwanger SPD als „erweitertes Familienunternehmen Geisel“
Düsseldorfs sozialdemokratischer OB Thomas Geisel ließ „eine prägende Zeit“in seiner Geburtsstadt Ellwangen Revue passieren, als die SPD „das erweiterte Familienunternehmen Geisel“gewesen sei – sein Vater Alfred Geisel mit einem kleinen Kreis Mitverschworener. Seine Partei habe verlernt, siegen zu wollen. In Bayern versuche sie seit 69 Jahren, sich in der Opposition zu erneuern. Da halte er es mit Franz Müntefering: „Opposition ist Mist.“Wer zu Wahlen antrete, müsse den Willen haben zu gestalten. Die Menschen seien Merkels Kanzlerschaft überdrüssig und bereit für einen neuen Aufbruch: „Die Erwartungen an die SPD sind riesengroß.“Ein möglichst gerechtes soziales Miteinander beschwor Geisel als Kernthema seiner Partei. So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig. Soziale Daseinsvorsorge gehöre ebenso in öffentliche Hand wie digitale Infrastruktur.
In der von der stellvertretenden Ortsvereinsvorsitzenden Beate Rothmaier moderierten Podiumsrunde warfen sich Geisel, Ortsvereinsvorsitzender André Zwick, seine Stellvertreterin Ariane Bergerhoff und Herbert Hieber die Bälle zu kommunalpolitischen Themen zu. Visionen? Haben sie. Mehr Verteilungsgerechtigkeit (Zwick), sozialer Zusammenhalt (Geisel), Bildung und gerechte Steuern (Bergerhoff), geistige Haltung wie die der Gründerväter, Klimaschutz und Bereitschaft zur Innovation (Hieber).
„Wir sind kein Fußballverein, der den Trainer wechselt“
Das mahnende Schlusswort oblag Alfred Geisel, Landtagsvizepräsident im Ruhestand. Er sei dafür geschmäht worden, dass er am 6. Oktober 1965 in die „hochdoktrinäre und halb kommunistische“SPD eingetreten sei. Die Partei müsse aufhören, sich mit sich selbst zu beschäftigen: „Wir sind doch kein Fußballverein, der den Trainer wechselt, wenn’s schwierig wird.“Gelte es doch, „braunen Horden“wie in Chemnitz die Stirn zu bieten.
Für die Herkulesaufgabe, die SPD aus der schwersten Krise der Nachkriegszeit herauszuholen, rief Geisel zu Mut, Entschlossenheit, Tatkraft und Selbstvertrauen auf und seinem „verlorenen Sohn“Thomas zu: „Sag‘ in Düsseldorf, was für tolle Menschen im weltoffenen Schwabenland leben.“
Die SPD-Parteihymne „Brüder zur Sonne zur Freiheit“sangen Genossen und Gäste im Stehen. Begleitet wurden sie von der Gruppe Acoustic Tree, die die Feier musikalisch umrahmten.