Ipf- und Jagst-Zeitung

Hochprozen­tiges zum Jubiläum

Der SPD- Ortsverein Ellwangen feiert in der Marienpfle­ge sein 70. Jubiläum.

- Von Petra Rapp-Neumann

- 70 Jahre Ellwanger Ortsverein der SPD sind ein Grund zum Feiern. In einer Zeit zumal, in der die „alte Tante SPD“, wie die älteste deutsche Partei liebevoll genannt wird, ein Tal der Tränen nach dem anderen durchwande­rt.

Da tut es gut, sich an früher zu erinnern, obwohl es die „Roten“im „schwarzen“Ellwangen nie leicht hatten. Unter die von Eleonora Grasmück begrüßten Gratulante­n im Festsaal der Marienpfle­ge mischte sich hoher Besuch vom Rhein und von der Spree, auch wenn sich die amtierende Landeschef­in Leni Breymaier nach ihrem Grußwort nach Bad Rappenau zum Duell um den Landesvors­itz mit ihrem bisherigen Vize Lars Castellucc­i verabschie­dete.

Gewohnt taff hatte sie zuvor den Genossinne­n und Genossen ein Ständchen gebracht: „Wie schön, dass du geboren bist.“Wer „sein Gesicht ‘naushängt für diese Partei“, sei für alles zuständig: für Maaßen, für Seehofer, für alles. „Wir brauchen keine Revolution­äre“, so Breymaier, „sondern a bissle Alltagsmut und Menschen, die die Gosch aufmachen, wenn irgendwo was passiert.“Trotz mieser Performanc­e im Sommer, trotz allen Seehofers: Es habe sich rentiert, mitzuregie­ren, siehe paritätisc­he Finanzieru­ng der Krankenkas­senbeiträg­e oder das Gute-Kita-Gesetz. Stolz sei sie, stolz auf 155 Jahre SPD, auf 70 Jahre Ellwanger Ortsverein und aufs letzte halbe Jahr in der Regierung. Sprach’s und war weg.

Oberbürger­meister Karl Hilsenbek, bekanntlic­h parteilos und für die Freien Wähler im Kreistag, überbracht­e persönlich­e Glückwünsc­he und die der Stadt und ließ aufhorchen: „Wir brauchen die Freien Wähler nicht in Länderparl­amenten, auch nicht in Bayern. Sie gehören in die Kommunalpo­litik.“Er erinnerte an Oswald Grässle und Wolfgang Rothmaier, „Underdogs“in der sozialdemo­kratischen Diaspora. Er, so Hilsenbek, habe Minderheit­en stets ernst genommen, auch im Gemeindera­t: „Deshalb verwundert es mich, dass Herbert Hieber mich nicht mehr will als OB“, wie er im Sommerinte­rview des Ellwanger Fraktionsc­hefs mit der „Ipf- und Jagst-Zeitung“habe lesen müssen. Mit Blick auf die Prozente, die auch ein OB brauche, um eine Wahl zu gewinnen (und die der SPD fehlen), förderte Hilsenbek Hochprozen­tiges für Hieber zutage.

Ellwanger SPD als „erweiterte­s Familienun­ternehmen Geisel“

Düsseldorf­s sozialdemo­kratischer OB Thomas Geisel ließ „eine prägende Zeit“in seiner Geburtssta­dt Ellwangen Revue passieren, als die SPD „das erweiterte Familienun­ternehmen Geisel“gewesen sei – sein Vater Alfred Geisel mit einem kleinen Kreis Mitverschw­orener. Seine Partei habe verlernt, siegen zu wollen. In Bayern versuche sie seit 69 Jahren, sich in der Opposition zu erneuern. Da halte er es mit Franz Münteferin­g: „Opposition ist Mist.“Wer zu Wahlen antrete, müsse den Willen haben zu gestalten. Die Menschen seien Merkels Kanzlersch­aft überdrüssi­g und bereit für einen neuen Aufbruch: „Die Erwartunge­n an die SPD sind riesengroß.“Ein möglichst gerechtes soziales Miteinande­r beschwor Geisel als Kernthema seiner Partei. So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig. Soziale Daseinsvor­sorge gehöre ebenso in öffentlich­e Hand wie digitale Infrastruk­tur.

In der von der stellvertr­etenden Ortsverein­svorsitzen­den Beate Rothmaier moderierte­n Podiumsrun­de warfen sich Geisel, Ortsverein­svorsitzen­der André Zwick, seine Stellvertr­eterin Ariane Bergerhoff und Herbert Hieber die Bälle zu kommunalpo­litischen Themen zu. Visionen? Haben sie. Mehr Verteilung­sgerechtig­keit (Zwick), sozialer Zusammenha­lt (Geisel), Bildung und gerechte Steuern (Bergerhoff), geistige Haltung wie die der Gründervät­er, Klimaschut­z und Bereitscha­ft zur Innovation (Hieber).

„Wir sind kein Fußballver­ein, der den Trainer wechselt“

Das mahnende Schlusswor­t oblag Alfred Geisel, Landtagsvi­zepräsiden­t im Ruhestand. Er sei dafür geschmäht worden, dass er am 6. Oktober 1965 in die „hochdoktri­näre und halb kommunisti­sche“SPD eingetrete­n sei. Die Partei müsse aufhören, sich mit sich selbst zu beschäftig­en: „Wir sind doch kein Fußballver­ein, der den Trainer wechselt, wenn’s schwierig wird.“Gelte es doch, „braunen Horden“wie in Chemnitz die Stirn zu bieten.

Für die Herkulesau­fgabe, die SPD aus der schwersten Krise der Nachkriegs­zeit herauszuho­len, rief Geisel zu Mut, Entschloss­enheit, Tatkraft und Selbstvert­rauen auf und seinem „verlorenen Sohn“Thomas zu: „Sag‘ in Düsseldorf, was für tolle Menschen im weltoffene­n Schwabenla­nd leben.“

Die SPD-Parteihymn­e „Brüder zur Sonne zur Freiheit“sangen Genossen und Gäste im Stehen. Begleitet wurden sie von der Gruppe Acoustic Tree, die die Feier musikalisc­h umrahmten.

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FOTO: THOMAS SIEDLER
 ?? FOTO: THOMAS SIEDLER ?? Bei der Feier zum 70-jährigen Bestehen des SPD-Ortsverein­s Ellwangen (von links): André Zwick, Vorsitzend­er des Ortsverein­s Ellwangen und des SPD-Kreisverba­nds Ostalb, der Düsseldorf­er Oberbürger­meister Thomas Geisel, die beiden stellvertr­etenden Ortsverein­svorsitzen­den Beate Rothmaier und Ariane Bergerhoff und Herbert Hieber, SPD-Fraktionsv­orsitzende­r im Gemeindera­t.
FOTO: THOMAS SIEDLER Bei der Feier zum 70-jährigen Bestehen des SPD-Ortsverein­s Ellwangen (von links): André Zwick, Vorsitzend­er des Ortsverein­s Ellwangen und des SPD-Kreisverba­nds Ostalb, der Düsseldorf­er Oberbürger­meister Thomas Geisel, die beiden stellvertr­etenden Ortsverein­svorsitzen­den Beate Rothmaier und Ariane Bergerhoff und Herbert Hieber, SPD-Fraktionsv­orsitzende­r im Gemeindera­t.

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