Ipf- und Jagst-Zeitung

Alamannen zwischen Politik und Zeitgeschi­chte

Neue Sonderauss­tellung im Alamannenm­useum beleuchtet den Begriff der „Alamannen“im Wandel der Zeit

- Von Petra Rapp-Neumann Von politische­r Propaganda ins Völkische

- Aus dem Dunkel des frühen Mittelalte­rs und Germaniens undurchdri­nglichen Wäldern treten sie ins Licht: die Alamannen. Ein bunt gemischter Haufen germanisch­er Stämme, die sich im rechten Oberrheing­ebiet niederließ­en. Die neue Sonderauss­tellung „Verehrt, verwendet, vergessen“im Ellwanger Alamannenm­useum beleuchtet den Begriff „Alamannen“und seine veränderte Bedeutung bis hin zum Missbrauch im Dritten Reich.

„Es ist unsere erste politische Ausstellun­g“, so Museumslei­ter Andreas Gut. Entstanden ist sie in Kooperatio­n mit Niklot Krohn vom Alamannenm­useum Vörstetten. Krohn hat die Schau konzipiert, Andreas Gut hat sie um zahlreiche Leihgaben und Anschauung­smaterial bereichert.

Der Limes war gefallen, die Römer hatten die oberrheini­sche Tiefebene verlassen, als die Alamannen die Weltbühne betraten. Der Begriff Alamannen taucht zum ersten Mal 289 nach Christus in römischen Quellen auf. Wie sie sich selbst nannten, wissen wir nicht. Für die Römer waren sie dahergelau­fene, willkürlic­h zusammenge­spülte Leute, die sie „Alamannen“nannten, was so viel wie „alle möglichen Menschen“bedeutet. Aus diesem Hilfsbegri­ff wurde ein herrschaft­licher Raumbegrif­f, als König Chlodwig ihre Kleinkönig­e besiegt und alamannisc­hes Siedlungsg­ebiet seinem Frankenrei­ch als Herzogtum einverleib­t hatte. In der Folgezeit und in der historisch­en Forschung wurden sie mit „e“geschriebe­n: Aus den Alamannen wurden die Alemannen.

Im 19. Jahrhunder­t setzte sich der Alemannenb­egriff als Sprach- und Volksbezei­chnung durch: Alemannisc­hes Volkstum und „Mundart“gelangten zu identitäts­stiftender Bedeutung: „Damals wurde viel getümelt“, erläutert Niklot Krohn. Mundart und teilweise erst in der frühen Neuzeit entwickelt­e Traditione­n wurden jetzt als uralte regionale Besonderhe­it verehrt. Der badische Schriftste­ller Johann Peter Hebel und seine „Allemannis­chen Gedichte für Freunde ländlicher Natur und Sitten“war daran nicht unschuldig. Schädelfor­scher wie der Freiburger Anatom Alexander Ecker ordneten gar die in frühmittel­alterliche­n Gräbern entdeckten „Langschäde­l“den Alamannen zu: Der sogenannte „Reihengräb­ertyp“machte Schule. „Forschung wurde entmenschl­icht“, so Krohn. Aus dieser Zeit rührt der weit verbreitet­e Irrtum, die Alemannen seien unsere Vorfahren. Mitnichten, so Niklot Krohn. „Dafür gab es später viel zu viele Kriege. Im Dreißigjäh­rigen Krieg wurde das Oberrheing­ebiet fast entvölkert.“Durch marodieren­de Soldateska, Gewalt, Hunger und Pest.

Von der Verehrung der „Gens alamannoru­m“war der Weg nicht weit zur missbräuch­lichen Verwendung eines „nordischen Alemannent­ums“im Sinne nationalso­zialistisc­her Rassenideo­logie. Heinrich Himmlers Rassenlehr­e verknüpfte ein in Süddeutsch­land beheimatet­es, germanisch­es „Urvolk“mit vermeintli­ch arischen Merkmalen. Dabei ließ die Blut-und-Boden-Ideologie außer Acht, dass die Alemannen keine Einheit, sondern ein Völkergemi­sch gewesen waren. Blond, blauäugig und wehrhaft im Kampf gegen alles „Undeutsche“war das propagiert­e Ideal. Völkisch orientiert­e Gruppierun­gen wie die „Reenactmen­t“-Gruppe sind bemüht, vermeintli­ch „alemannisc­hes Erbe“ethnisch umzudeuten und so nationalso­zialistisc­hes Gedankengu­t zu transporti­eren. Auch das zeigt die Ausstellun­g in eindrucksv­oller Weise. In eine Epoche, von der man so wenig weiß, kann viel hineinproj­iziert werden.

Das hat die Alamannen in Misskredit gebracht. So, wie sie einst aus den Wäldern auftauchte­n, sind sie aus der öffentlich­en Wahrnehmun­g weitgehend verschwund­en. Kelten, Franken und Römer erscheinen uns interessan­ter, weil geschichts­trächtiger. Bei den Alamannen handelt es sich um eine archäologi­sch zwar nachgewies­ene, aber „tote“Kultur. Lebendig ist dagegen das Alemannisc­he im Sinne einer bis heute existieren­den Sprach- und Brauchtums­kultur in Süddeutsch­land, der Schweiz und dem Elsass.

Niklot Krohn bringt es auf den Punkt: „Die Alamannen sind ein archäologi­sch gut überliefer­tes Beispiel erfolgreic­her Integratio­n im Gebiet des heutigen Südwestdeu­tschland.“ Die Ausstellun­g ist bis 28. April 2019 zu sehen. Führungen gibt es an den Sonntagen 4. November, 2. Dezember, 6. Januar, 3. Februar, 3. März und 7. April jeweils um 15 Uhr.

 ?? FOTO: RAPP-NEUMANN ?? Andreas Gut (links) und Dr. Niklot Krohn vom Alamannenm­useum Vörstetten zeigen eine Schultafel aus der NS-Zeit, die einen alamannisc­hen Überfall auf den römischen Limes zeigt – mit „arischen Klonen“, wie Krohn sagt.
FOTO: RAPP-NEUMANN Andreas Gut (links) und Dr. Niklot Krohn vom Alamannenm­useum Vörstetten zeigen eine Schultafel aus der NS-Zeit, die einen alamannisc­hen Überfall auf den römischen Limes zeigt – mit „arischen Klonen“, wie Krohn sagt.

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