Keine Angst vor Elektroautos aus zweiter Hand
Bauteile unterliegen so gut wie keinem Verschleiß – Batterie vom Fachmann überprüfen lassen
Elektroautos sind oft noch sehr teuer – so mancher denkt deshalb über die Anschaffung eines gebrauchten Stromers nach. Aber birgt die für viele noch unbekannte Technik auch unbekannte Risiken? „Genau genommen gibt es beim Kauf eines gebrauchten Elektroautos weniger zu beachten als bei einem Auto mit Verbrennungsmotor“, erklärt Günther Schuh vom Lehrstuhl für Produktionssystematik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen.
Beschädigungen sind hörbar
Zwar verfüge auch ein Elektromotor über eine gewisse Anzahl von Bauteilen. „Die aber unterliegen so gut wie keinem Verschleiß, sodass ein solcher Motor durchaus Jahrzehnte halten sollte“, so Schuh, der gleichzeitig Geschäftsführer des Elektrofahrzeugherstellers e.GO Mobile ist. Im Übrigen sei es ganz einfach, den Powertrain, also Elektromotor samt Nebenaggregaten, zu checken. „Beschädigungen am Antrieb hört man bei einem Elektroauto sofort“, sagt Schuh. „Deshalb sollte man Radio und Klimaanlage ausschalten und das Auto im Langsam-Betrieb testfahren. Hört man nichts, ist mit sehr großer Sicherheit alles in Ordnung.“
Auch Marcel Mühlich weiß: „Zahnriemen, Kupplung oder Auspuff – solche Problemzonen gibt es bei Stromern nicht.“Der kritische Punkt beim gebrauchten Elektroauto sei vielmehr der Zustand der Batterie: „Die Restkapazität ist für den Laien praktisch kaum überprüfbar“, so der Berater für Technik, Verkehr und Umwelt beim Auto Club Europa (ACE).
Schuh sieht das allerdings etwas anders. Seine Empfehlung: „Nach einer frischen Ladung der Batterie sollte man die jetzt angezeigte Restreichweite mit dem grundsätzlichen Reichweitenwert vergleichen.“Dies sei der schnellste Check, um zu prüfen, ob der Akku noch mit den meisten oder sogar mit allen Zellen arbeite. „Trotzdem sollte man den Zustand der Batterie vor einem Kauf von einer fachkundigen Stelle wie zum Beispiel einer Markenwerkstatt und mit Hilfe eines Datenauslesegerätes überprüfen lassen“, rät Mühlich.
Josef Reitberger möchte potenziellen Käufern die häufig noch vorherrschende Akkuangst nehmen. „Man sollte sich beim Hersteller des Modells, das man ins Auge gefasst hat, erkundigen, wie die Garantiebedingungen zum Zeitpunkt des Neuverkaufs ausgesehen haben“, so der Chefredakteur des Technikmagazins „Chip“und des neuen E-Mobilitätsportals „efahrer.chip.de“. Eine typische Garantiezusage etwa bei deutschen Marken umfasse einen Zeitraum von acht Jahren oder auch eine Laufleistung von 160 000 Kilometern auf den kompletten Antriebsstrang aus Elektromotor, Leistungselektronik und Akku. Auch Mühlich hält die Batterie nicht grundsätzlich für einen Mängelherd: „Aktuelle Akkus können durchaus 2000 bis sogar 8000 Ladezyklen überstehen, bevor die Kapazität merklich nachlässt.“
Wird allerdings irgendwann doch ein neuer Akku fällig, muss der Besitzer bislang noch tief in die Tasche greifen. „Die Batterie ist das mit Abstand teuerste Einzelbauteil im Elektroauto, und der Ersatzteilpreis kann durchaus 8000 Euro betragen“, so der ACE-Experte. Immerhin geht er von künftig sinkenden Preisen aus.
Billiger als ein Tauschmotor
„In Japan hat Nissan erstmals eine Preisliste für den Akkutausch bei der ersten Generation des Nissan Leaf zugänglich gemacht“, sagt Reitberger. So koste der Akku für die kleinste Leaf-Variante mit einer nominellen Reichweite von etwa 150 und einer effektiven von etwa 100 Kilometern nach Ablauf der Garantie umgerechnet ungefähr 2000 Euro. „Das ist sehr viel weniger als ein Tauschmotor für ein vergleichbares Verbrennerfahrzeug kostet“, so Reitberger.
Es existieren also offenbar kaum Gründe, die gegen ein gebrauchtes Elektroauto sprechen. Allerdings dürfe man auch in fünf Jahren noch nicht damit rechnen, dass die freie Werkstatt an der Ecke bei einem Problem schnell helfen könne. „Damit eine Werkstatt kompetent an einem Elektroauto arbeiten kann, gilt es einige Voraussetzungen zu erfüllen. Bisher leistet das nur die jeweilige Markenwerkstatt“, erklärt Reitberger.