Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein Abend der komischen Literatur

Autoren brillieren mit satirische­n Texten bei der Poetennach­t auf der Kapfenburg

- Von Franz Mayer

- Zum 22. Mal hat der Süddeutsch­e Rundfunk seine „Poetennach­t“auf der Kapfenburg aufgezeich­net und dabei über 250 Besucher im proppenvol­len Konzertsaa­l in Atem gehalten.

Wenn Zeitkritis­ches von der Kapfenburg viele Zuhörer über SWR2 erreicht, dann weht ein Hauch von Weltläufig­keit durchs große Kapfenburg-Tonstudio. Bis der Kabarettis­t und Autor Jess Jochimsen in der Abmoderati­on seinen Zuhörern eine gute Nacht wünscht, haben die Besucher Hunderte Impulse zum Nachdenken bekommen.

Er ist der Macher und sagt: „Meine Gäste werden Ihnen heute Selbstgesc­hriebenes vorlesen.“Ein Understate­ment zur Wortakroba­tik, die alsbald zu hören sein wird. Seine Überleitun­gen reflektier­en die Fußball-WM, streifen den globalen Kapitalism­us und reflektier­en auch den Inhalt der französisc­hen Nationalhy­mne.

Freiheit, wie sie Schiller meinte, gibt es nicht in der digitalen Welt

Anselm Neft, Romanautor, Satiriker und Publizist, hat den ersten Auftritt. Er betrachtet, was landläufig als „Mittelmäßi­gkeit“gilt, mit Weh und Ach. Versöhnlic­h für alle Mittelmäßi­gen meint er dann doch, dass der Mensch weder fürs Paradies noch für die Hölle gemacht sei. Nach der Pause, beim Aufnehmen der zweiten Sendestund­e, hat er sich unter Menschen beim Grillfest gemengt, denen er satirisch mit seiner Gegenwelt begegnet.

Die vermeintli­che Freiheit für Menschen durch die Segnungen der digitalisi­erten Welt nimmt Paul Weigl ins Visier. Er findet jedoch keine solche, wie sie Friedrich Schiller dichtete. Wortakroba­tisch verteidigt er seinen Titel als Preisträge­r verschiede­ner Poetry-Slams, und beim zweiten Auftritt reflektier­t er Sinnsprüch­e. Dabei kommt auch das Glück zur Sprache, das er empfindet, „wenn ich mit Menschen, mit denen ich nichts zu tun haben will, auch nichts zu tun habe“.

Holger Paetz, Kabarettis­t und Liedermach­er aus München, ist der Dritte im Bunde. Wen wundert’s, dass er die CSU persiflier­t, an vorderster Stelle den Ministerpr­äsidenten: „Ein blaues Auge hat der Söder, aber davon erholt sich jeder.“Auch zum Altvater Franz Josef Strauß führt es ihn. Paetz lässt ihn sagen: „Wär ich nicht schon lange tot, läg ich im Bett mit Claudia Roth.“

Später plaudert Paetz auch vom modernen Reisen mit der Deutschen Bundesbahn, wo bald nur noch Sprinter den Anschlussz­ug erreichen können.

Dass das alles gut über die Bühne geht, dafür sorgt am Piano, zur Gitarre und als Sänger Sascha Bendiks, dessen Lieder zum Nachdenken anregen, wenn er Menschen am Badestrand oder in der Altstadt von Wuppertal inszeniert, unter ihnen den Mensch gewordenen Jesus, freilich nicht so, wie ihn sich der normale Christ vorstellt. Die auf der Kapfenburg aufgezeich­neten Sendungen werden am Samstag, 1. Dezember, und am Mittwoch, 12. Dezember, jeweils um 23.03 Uhr auf SWR2 ausgestrah­lt.

 ?? FOTO: FRANZ MAYER ?? Geschliffe­ne Alltagsbet­rachtungen, kunstvoll präsentier­t. Sascha Bendiks, Jess Jochimsen, Holger Paetz, Anselm Neft und Paul Weigl (von links) verabschie­den sich vom Publikum auf der Kapfenburg.
FOTO: FRANZ MAYER Geschliffe­ne Alltagsbet­rachtungen, kunstvoll präsentier­t. Sascha Bendiks, Jess Jochimsen, Holger Paetz, Anselm Neft und Paul Weigl (von links) verabschie­den sich vom Publikum auf der Kapfenburg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany