Stolzes Jubiläum: Aalener SPD wird 125
Aktuell magere Zahlen für die Partei verderben die Feierlaune nicht: „Kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken“
- In diesen für die SPD nicht einfachen Zeiten den Geburtstag eines stolzen Ortsvereins zu feiern, ist auf den ersten Blick vielleicht kein leichtes Unterfangen. Die Aalener Sozialdemokraten allerdings lassen sich von mageren Wahlergebnissen und miesen Umfragewerten ihrer Partei nicht entmutigen: Mit einem Festakt erinnern sie am kommenden Donnerstag, 15. November, an 125 Jahre SPD-Ortsverein Aalen und feiern zusammen mit ihrer Bundesvorsitzenden Andrea Nahles dabei zugleich 155 Jahre Sozialdemokratie in Deutschland und 40 Jahre SPDStadtverband Aalen.
„Wir feiern das Jubiläum mit Selbstbewusstsein“, sagt der SPDStadtverbandsvorsitzende Albrecht Schmid. Ihre stolze Geschichte könne der SPD gerade in diesen schwierigen Zeiten auch ein Stück Selbstbewusstsein zurückgeben, pflichten Schmid der Vorsitzende des Aalener Ortsvereins, Timo Lorenz, und der Vorsitzende des Ortsvereins Fachsenfeld-Dewangen, Martin Diemer, bei. Denn diese Geschichte belege, dass sich die SPD immer in den Dienst der Gesellschaft gestellt habe.
Geschichte auf eineinhalb Metern Papier
Und diese Geschichte hat Diemer zum Jubiläum mit Unterstützung von Eberhard Looser in einem spannend und übersichtlich aufgemachten Leporello aufgearbeitet. Der Zeitstrahl erfasst einerseits die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie von den Anfängen bis zur Gegenwart und parallel dazu die der Aalener SPD in gleicher Form: der Weg von der Gründung des „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins“1863 durch Ferdinand Lasalle bis zu Nahles, nach 155 Jahren der ersten Frau an der Spitze der deutschen Sozialdemokraten, dazu der Weg von der Gründung des SPD-Ortsvereins Aalen 1893 bis zum Aalener SPD-OB Thilo Rentschler und zur Landesvorsitzenden Leni Breymeier als Bundestagsabgeordneten, und das alles auf eineinhalb gefalteten Metern – eine reife Leistung.
Als solche sehen Schmid, Lorenz und Diemer auch das, was die SPD in der Großen Koalition in Berlin hinbekommt: von der Mütterrente über das Gute-Kita-Gesetz bis zur Rentenstabilisierung. Nur: Kaum einer merkt’s. Warum das so ist, dafür haben die drei Aalener Sozialdemokraten unterschiedliche Erklärungen. Gediegen und gründlich, ohne Effekthascherei, so sei sozialdemokratische Politik schon immer gewesen, sagt Albrecht Schmid und erinnert an die Einführung des Frauenwahlrechts oder daran, dass die SPD die Weimarer Republik bis zum Parteiverbot 1933 vorbehaltlos mitgetragen habe. Offenbar passe aber ein solches solides Wirken ohne überzogene Außendarstellung nicht mehr in die heutige Zeit.
Das alte Klientel gibt es nicht mehr
Und auch Diemer greift bei seinem Erklärungsversuch weit in die Geschichte zurück: Die Gründung der SPD 1865 als „Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein“, dazu später die Gründung von Arbeiterturnvereinen wie dem SSV Aalen oder der Naturfreunde, das seien reine und geschlossene Milieubewegungen gewesen, wie es sie ebenfalls schon längst nicht mehr gebe. Heute könne man gerade noch acht Prozent der deutschen Bevölkerung als Arbeiter bezeichnen – der SPD ist ihr klassisches Klientel abhanden gekommen. Obwohl sie sich, wie Schmid sagt, schon längst dem Gesamten und nicht nur einem Klientel verpflichtet fühle und hierbei besonders dem Anliegen, dass es in der Gesellschaft gerecht und ausgewogen zugeht. Allein die Tatsache, dass in der Gesellschaft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter und immer schneller auseinander gehe, dass die Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse weiter zunehme, müsste der SPD also reichlich Zulauf bescheren. Was aber in dem Maß nicht geschieht. „Wir müssen uns veränderten Prozessen noch mehr stellen und mit einer anderen Außendarstellung rüberkommen“, sagt Diemer.
In Aalen schon immer eine prägende Kraft
In Aalen, davon sind Schmid, Diemer und Lorenz überzeugt, sei die SPD schon immer eine prägende Kraft gewesen – obwohl Aalen insgesamt nicht als klassische „rote Hochburg“gilt – von alten, traditionellen Arbeiterorten wie Wasseralfingen oder Fachsenfeld einmal abgesehen. Immerhin konnte die Aalener SPD etwa bei der Kommunalwahl im Jahre 1989 mit 19 Sitzen im Gemeinderat 35 Prozent der Wählerstimmen einfahren. Da machen sich die knapp 23 Prozent der letzten Gemeinderatswahl 2014 mit einem Resultat von elf Sitzen fast bescheiden aus. Von denen im Lauf der Wahlperiode nach parteiinternen Streitigkeiten zwei durch Abwanderung zu den Grünen auch noch verloren gegangen sind. „Unser erklärtes Ziel ist es, bei den Kommunalwahlen im kommenden Mai wieder zweitstärkste Kraft im Aalener Gemeinderat zu werden“, sagt denn auch Albrecht Schmid selbstbewusst.
Mit Blick in die lokale SPD-Geschichte erinnert Schmid an Namen wie Georg Mergenthaler oder Karl Mikeler. Mergenthaler, ab 1930 Ortsvereinsvorsitzender, erlebte die Machtergreifung und die Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten in Aalen hautnah mit. Am Ende landeten auch Aalener Sozialdemokraten im Internierungslager auf dem Heuberg. Eine völlig andere Stimmung bescherte der Aalener SPD 30 Jahre nach Kriegsende, 1975, die Wahl Ulrich Pfeifles zum Oberbürgermeister. „Für alte Genossen ist das bis heute die Sternstunde schlechthin“, sagt Schmid. Das habe der Aalener SPD zweifellos Selbstbewusstsein und Stärike gegeben. Als 2013 mit Thilo Rentschler zum zweiten Mal ein SPD-Mann OB von Aalen wurde, „war die SPD als politische Kraft schon stärker etabliert als vor Pfeifle“, wie es der Stadtverbandsvorsitzende einschätzt.
Timo Lorenz fasst den Rückblick in die Geschichte und die aktuelle Lage der Sozialdemokraten insgesamt und in Aalen so zusammen: „Wir haben überhaupt keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken.“