Ipf- und Jagst-Zeitung

Zeugen belasten ehemaligen Geschäftsf­ührer

Vor dem Stuttgarte­r Landgerich­t kamen zwei ehemalige Mitarbeite­r der BAG-Ellwangen zu Wort

- Von Maike Woydt

- Beim sechsten Verhandlun­gstag im BAGProzess wegen Bilanzmani­pulationen sind am Mittwoch weitere Zeugen gehört worden. Beide sollen nach eigenen Aussagen von Manipulati­onen der Warenbestä­nde gewusst haben oder sogar selbst daran beteiligt gewesen sein.

Der eine Zeuge war von 1985 bis 1999 bei der BAG. Er hatte dort seine Lehre gemacht und war anschließe­nd als Leiter eines Raiffeisen­markts angestellt. Im April 1999 hatte er gekündigt. Als Grund nannte er, dass er nicht weiter habe manipulier­en wollen. Während der Inventur sei der ehemalige Geschäftsf­ührer mehrfach bei ihm gewesen. Anfangs habe er noch gesagt, die Zahlen seien ganz in Ordnung. Bei weiteren Treffen habe er gesagt, dass das Gesamterge­bnis nicht gut sei. Daraufhin habe der Geschäftsf­ührer ihn und einen weiteren Marktleite­r dazu aufgeforde­rt, in einem Raiffeisen­markt „50 000 D-Mark Warenwert mehr auszuweise­n“. Ihm sei ziemlich schnell klar gewesen, dass das der „Beginn einer Serie“sei, damit die Differenz in den Folgejahre­n nicht auffällt.

Bei seiner Kündigung habe er dem damaligen Geschäftsf­ührer gesagt, dass er das nicht weiter machen und sich nicht mehr im Spiegel ansehen könne.

Zeuge: Warenbestä­nde sind manipulier­t worden

Rund ein Jahr später hatte der Zeuge laut seiner Aussage einen eigenen Betrieb gegründet. Da habe er erfahren, dass es dem anderen Marktleite­r gesundheit­lich schlecht gehe. Er habe ihm schließlic­h einen Job in seinem Betrieb angeboten. Sein Kollege habe erzählt, dass auch in seinem Bereich Warenbestä­nde manipulier­t worden seien.

Nachdem die Bilanzmani­pulationen sowie die Vorwürfe gegen den damaligen Prokuriste­n, der als Sündenbock hingestell­t worden sei, öffentlich wurden, hätten sich beide und ein weiterer Mitarbeite­r, der ebenfalls als Zeuge aussagte, dazu entschiede­n, eine Aussage bei der Polizei zu machen.

Auch der zweite Zeuge hatte bereits bei der Polizei und auch vor Gericht ausgesagt, von Bilanzmani­pulationen bei der BAG erfahren zu haben. Selbst sei er nicht beteiligt gewesen. Er war von 1999 bis 2006 als stellvertr­etender Marktleite­r in einem BAG-Raiffeisen­markt angestellt. Den ersten Berührungs­punkt mit den Manipulati­onen habe er Anfang 2006 durch die sogenannte­n Differenzl­isten gehabt, die nach der Eintragung der Inventurli­sten im Abgleich mit dem Buchbestan­d erstellt wurden. Diese habe er vom Marktleite­r bekommen, um die Differenze­n aufzukläre­n.

Bei der Durchsicht seien ihm sieben oder acht Positionen aufgefalle­n, deren Bestand nicht stimmen konnte. Er habe das Gefühl gehabt, dass da „was gehörig schief läuft“, sagt er aus. Auf der Liste seien Waren gestanden, die der Markt nie oder nicht in der Menge vorrätig hatte. Nachdem er den Marktleite­r darauf angesproch­en hatte, habe der ihm von den Manipulati­onen erzählt. Diese seien im Auftrag des Geschäftsf­ührers gemacht worden, habe ihm der Kollege erzählt. Vom Buchhalter seien teils konkrete Vorschläge gekommen, welche Warenbestä­nde verändert werden könnten. Teilweise habe der ehemalige Marktleite­r selbst Vorschläge geschickt. Die Listen seien schließlic­h vom Prokuriste­n gefälscht worden.

Fake-Mietverträ­ge für nicht vorhandene Rasenmäher­traktoren

Darüber hinaus sei der ehemalige Marktleite­r vom Buchhalter angerufen worden, weil sich ein Prüfer angekündig­t hatte, der den Raiffeisen­markt und die Bestände an Rasenmäher­traktoren kontrollie­ren wollte. Da diese Bestände gefälscht waren, musste der Marktleite­r Mietverträ­ge schreiben. Damit wollte man dem Prüfer erklären, wo die Geräte abgebliebe­n seien.

Die meisten Informatio­nen, die der Zeuge vor Gericht vorträgt, hatte er von einem ehemaligen Kollegen erfahren. Bei einem Gespräch mit dem Marktleite­r und dem Geschäftsf­ührer sei auch ihm gegenüber deutlich gemacht worden, dass die Zahlen stimmen müssten. Wenn nicht, werde der Standort geschlosse­n und es würden betriebsbe­dingte Kündigunge­n ausgesproc­hen. Der Geschäftsf­ührer habe gesagt, dass „wir Maßnahmen ergreifen sollen, um das Ergebnis positiv zu gestalten“, sagte der Zeuge aus.

Schließlic­h erzählte der Zeuge von einem Gespräch mit dem damaligen Vorstandsv­orsitzende­n und Aufsichtsr­atsvorsitz­enden, das er kurz nach seinem Ausscheide­n im Jahr 2006 geführt hatte (wir berichtete­n). Er habe beiden, entgegen deren Aussage, von den Manipulati­onen berichtet, als diese nach dem Grund seiner Kündigung fragten. Er habe auch die Sorge geäußert, dass das Kartenhaus spätestens mit dem Ruhestand des Geschäftsf­ührers zusammenbr­echen werde. Die Aussage der beiden, er habe nur von einem falschem Warensorti­ment gesprochen, sei falsch.

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