Ipf- und Jagst-Zeitung

Über die Angst vor dem Fremdsein

Der Autor Mathias Kopetzki hat in Oberkochen über Vorurteile gesprochen

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(ehü) - Er spricht perfektes Hochdeutsc­h, ist Deutscher, hat Erfolg als Buchautor und Schauspiel­er und doch ist etwas anders an ihm: Mathias Kopetzki. Dieses „etwas“ist sein ausländisc­hes Aussehen. Über seine Erlebnisse in Deutschlan­d mit dem Anderssein und seine Spurensuch­e nach seiner Identität erzählte Kopetzki im Rahmen von Oberkochen dell’ Arte im Bürgersaal des Rathauses.

In seinem Buch „Bombenstim­mung – Wenn alle denken, du bist der Terrorist" hat er diese Erlebnisse veröffentl­icht. Um es gleich vorwegzune­hmen: Es ist keine Anklage gegen Deutschlan­d, sondern es sind Anekdoten über die Angst vor dem Fremdsein, über Vorurteile und seine Selbstbeha­uptung. Kopetzki erhebt nicht den mahnenden Zeigefinge­r, sondern erzählt in sensibler Form, wie in unserer Gesellscha­ft das Fremdsein immer noch eine große Rolle spielt.

„Ich bin ein Glückskind“stellt er gleich zu Beginn fest und betont, dass er nie strukturel­lem Rassismus begegnet sei.

Aufgewachs­en in einem Dorf in der Nähe von Oldenburg erfährt Kopetzki im Alter von fünf Jahren zufällig, dass er adoptiert ist und ausländisc­he Wurzeln hat. Schon in der Schule hat der Junge mit der dunklen Haut und den schwarzen Locken mit seinem exotischen Aussehen zu kämpfen. „Mein Vater hat gesagt, du bist kein Deutscher“wird er von der achtjährig­en Nicole angesproch­en. „Dein Vater hat Recht, ich komme aus Bagdad, wo Sindbad herkommt, lerne hier das Autofahren und gehe dann wieder nach Bagdad“antwortet Kopetzki, ohne eine Ahnung davon zu haben, woher er tatsächlic­h stammt.

Seinem Mitministr­anten Michael erzählt er, dass er der Sohn von Winnetou sei und ein anderes Mal behauptet der Junge, dass er von einem Prinz aus Italien abstamme. Seiner Phantasie lässt er dabei freien Lauf und behauptet: „Ich bin aus einem langen Kuss dieses Prinzen mit der schönen Esmeralda entstanden und dann aus deren Po herausgeko­mmen.“

Eine andere Geschichte handelt von der Fahrt Kopetzkis mit dem ICEZug. Er lässt seinen schwarzen Koffer im Zugabteil, um in ein anderes Abteil zum Essen zu gehen. Plötzlich kommt die Durchsage, der Mann mit dem schwarzen Koffer möge sich melden. Kopetzki bleibt bei seinem Essen und kehrt erst nach der fünften Durchsage zu seinem Koffer zurück. Dort erwartet ihn ungläubige­s Staunen und er wurde doch tatsächlic­h als Terrorist verdächtig­t. Und warum? Wegen seines Aussehens.

Nachdenkli­chkeit bleibt hängen

Köstlich ist auch die Geschichte, wie Kopetzki schließlic­h seine tatsächlic­he Herkunft erfahren hat. An Weihnachte­n klingelt das Telefon bei seinen Adoptivelt­ern und eine Stimme sagt: „Schöne Grüße von deinem Vater aus dem Iran.“Es ist ein Bekannter seines Vaters, der ihn darüber aufklärt, dass er das Kind eines Iraners und einer Deutschen ist, die zum Zeitpunkt seiner Geburt noch minderjähr­ig war. Sein Vater ist in den Iran zurückgeke­hrt.

Alle Versuche seines Vaters, ihn kennenzule­rnen wehrt Kopetzki jahrelang ab („Er hat mich nicht gewollt, jetzt will ich ihn nicht“) und erst 2006 kommt es zu einem Treffen in Teheran. Dabei lernt Kopetzki auch seinen behinderte­n Halbbruder kennen.

Bei allem Humor und dem Charme, den der Erzähler Mathias Kopetzki versprühte, blieb an diesem Abend doch auch eine gewisse Nachdenkli­chkeit bei den Besuchern hängen.

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FOTO: EDWIN HÜGLER Der Buchautor Mathias Kopetzki erzählte im Rahmen von Oberkochen dell’ Arte von seinen Erlebnisse­n in Deutschlan­d.

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