Busbranche in großer Sorge
Dem Landkreis ist der Öffentliche Nahverkehr zu teuer – Linien sollen deshalb gebündelt werden
– Die Busbranche im Ostalbkreis sieht Anlass zu großer Sorge. Denn dem Ostalbkreis ist der Öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) zu teuer. Durch eine Linienbündelung will er die Millionendefizite bekanntlich in den Griff bekommen. Die Bündel sollen in den kommenden Jahren bis 2029 europaweit ausgeschrieben werden, den Zuschlag erhält zwingend der billigste Bieter.
Die Folge dieses Vorgehens wird nach Überzeugung von Hariolf Weis vom gleichnamigen Neulermer Busunternehmen künftig eine mindere Qualität sein. Ein ausreichender ÖPNV auch im ländlichen Raum werde ein Wunsch bleiben.
Bei den Linienbündelungen wird mindestens ein bisheriger Betreiber leer ausgehen, da es mehr sogenannte Altbetreiber als Linienbündel gibt, sagt indes Joachim Schubert, der Chef der Firma Beck und Schubert.
Zwar könnte der Verlierer als Subunternehmer weiterhin Bestand haben. Dies wolle der neue Betreiber aber oftmals nicht, weil er sich damit einen potenziellen Wettbewerber halten würde. Kleine, mittelständische Unternehmen können sich an der Ausschreibung nicht beteiligen, sagt Weis, denn dafür seien die Bündel zu groß. Als Auftragsunternehmer werde es aber schwer, zu überleben.
Wenn Fahrer kaum Deutsch sprechen und Strecken nicht kennen
Schubert ist sich sicher, dass in diesem Wettbewerb immer ein neuer Anbieter Kostenvorteile hat. Denn der könne günstiger anbieten als die alt eingesessenen mittelständischen Unternehmen, die ihre gewachsene Struktur nicht „auf Null“setzen könnten. Die Busse und der Diesel seien für alle gleich teuer, rechnet der Unternehmer vor, deshalb seien Einsparungen nur beim Personal möglich.
Folge der Kostenersparnis werde sein, mutmaßt Weis, dass die Qualität leidet, weil die Fahrzeuge älter werden und weil es an qualifiziertem Personal, das die deutsche Sprache ausreichend beherrsche, mangeln werde.
Diese Einschätzung bestätigen Erfahrungen aus anderen Landkreisen. So sitzen in Böblingen Griechen am Lenkrad, in Esslingen sind es Bulgaren. Die Folgen: In Böblingen hagelte es beim Wechsel zu einem neuen Betreiber Klagen: Fahrer, die die Strecken nicht kennen, kämen einfach nicht. In Esslingen liefen viele Bürger gegen das neue Angebot Sturm. Sie klagten, die Busse seien oft verspätet, die Busfahrer sprächen schlecht oder gar kein Deutsch, seien unfreundlich, würden sich teilweise im Esslinger Liniennetz nicht auskennen und gelegentlich an Bushaltestellen vorbeifahren, obwohl dort Fahrgäste ein- oder aussteigen wollten.
„Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen“, sagt Rainer Maria Scheiger, der Vorstandssprecher der neu gegründeten Firma Ok.go AG, einem Zusammenschluss der bisher selbstständigen Firmen Mack, Schuster und Schmid mit Firmensitz in Ellwangen-Neunheim, und bekennt: „Ich bin sehr unglücklich, weil diese Linienbündelung den Tod der mittelständischen Firmen bedeuten wird.“Wie seine Kollegen ist Scheiger überzeugt, dass die Linienbündelung im ÖPNV im Ostalbkreis nichts besser machen wird, und schon gar nicht billiger. Im Gegenteil: Er werde deutlich teurer oder die Qualität deutlich schlechter. Denn nennenswert sparen könne man nur beim Personal oder indem man das Angebot ausdünne.
Im übrigen sei der ÖPNV im Ostalbkreis nicht teuer, wie immer kolportiert werde. Einmal sei von zehn und ein andermal von zwölf Millionen Euro Defizit die Rede. Rechne man den Schülerverkehr heraus und den Transport von Schülern mit Handicap, koste der eigentliche öffentliche Personennahverkehr den Kreis fünf Millionen Euro im Jahr, bei zehn Millionen Kilometern also 50 Cent auf den Kilometer. „Das ist nicht wirklich teuer.“
Scheiger schlägt einen kreisweiter Verkehrsverbund vor. Dafür bräuchte es ein Signal des Kreises und das Entgegenkommen, dass man den Unternehmen mehr Zeit gibt und nicht 2022 mit der Linienbündelung in Aalen beginnt. Denn sonst werde sich kein Unternehmer jetzt ins Zeug legen, wenn er davon ausgehen müsse, dass er über kurz oder lang aus dem Rennen sei.
Ulrich Rau von der Firma OVA, die in Aalen den ÖPNV betreibt, beklagt, der Ostalbkreis setze die Busunternehmen massiv unter Druck. Solange dieser aber die wahren Kosten für seine Ausgleichszahlungen für den ÖPNV – ohne die Kosten für die Beförderung von Schülern und Behinderten – nicht offen lege und trotzdem im Mai 2018 von einem Defizit von 13,3 Millionen Euro spreche, gebe es keine sachliche Begründung für eine Kostenersparnis durch eine Linienbündelung. Vielmehr werde ein falscher Eindruck erweckt und durch eine Zusammenfassung der verschiedenen Verkehre über die wirklichen Ursachen der Kostenexplosion hinweggetäuscht.
Das gute, bisher kostengünstige dezentrale ÖPNV-System im Ostalbkreis funktioniere, unterstreicht Rau. Eine Linienbündelung aber hätte einen unumkehrbaren Systemwechsel zur Folge, der zu einer Vernichtung unternehmerischen Know-Hows führen würde. Außerdem werde eine Vergabe zum günstigsten Preis immer auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen.
Ulrich Rau: Europaweite Ausschreibung ist keine Lösung
Er könne den Wunsch des Kreises verstehen, den ÖPNV möglichst günstig zu finanzieren, sagt Schubert. Die Lösung ist nach seiner Überzeugung aber nicht eine europaweite Ausschreibung. Ein Drittel der Kosten, Millionenbeträge, könnte man durch einen gestaffelten Unterrichtsbeginn dort einsparen, wo sie entstehen, nämlich im Schülerverkehr und nicht im ÖPNV.
Nach der Ausschreibung werde vieles anders sein, schaut Hariolf Weis in die Zukunft. Es werde schwierig sein, bei Problemen im Schulverkehr schnell zu reagieren. Und nach einigen Jahren werden die Kosten stark steigen, wenn man einen ausreichenden ÖPNV auf dem Land haben wolle.
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